Innenschau, auch Meditation, Kontemplation oder Versenkung, ist das Sich-nach-innen-Wenden. Die Aufmerksamkeit wird dabei den Objekten der äußeren Welt entzogen und nach innen gelenkt. Wenn die Gedanken und Gefühle mittels regelmäßiger Praxis zur Ruhe kommen, entsteht ein innerer Raum der Stille, in dem man das eigene Selbst erforschen und sein wahres Wesen erkennen kann. Innenschau gibt es in verschiedenen Traditionen. Aus der japanischen Kultur kennen wir zum Beispiel Naikan (Nai: innen, kan: beobachten). In der christlichen Tradition gibt es die Kontemplation. Innenschau heißt nicht nur Meditation und Kontemplation. Innenschau bedeutet auch Introspektion, das Bewusstwerden der Gedanken, Motive, Emotionen und inneren Bildern. Analysiere deine Motive, betreibe Innenschau.

Innere Bilder – Zur Entstehung innerer Bilder – Ein Überblick:

Innere Bilder entstehen aus der Erfahrung, sind immer mit Gefühlen verbunden und eng an Interaktionen geknüpft. Die Fähigkeit des „Bilderns“ ist dem Menschen angeboren und beginnt bereits im Säuglingsalter. Daher hat das Fernsehen nicht die Kraft, die Kinder „auszubildern“, doch trägt es eine hohe Verantwortung für unterstützende und nicht behindernde Bilder. Hat das Fernsehen die Macht und die negative Kraft, die Kinder „auszubildern“? Um dieser Frage einige Überlegungen hinzuzufügen, lohnt sich die Beschäftigung damit, wie eigentlich innere Bilder entstehen und auf welche Art und Weise diese (im Negativen wie im Positiven) durch das Fernsehen beeinflusst werden können. Zunächst möchte ich Sie einladen, sich beim Lesen selbst möglichst viele lebhafte und farbige eigene innere Bilder zu machen. Ich beginne mit einer kleinen Quizfrage:

„Was hat ein dunkleres Grün – eine gefrorene Erbse oder ein Tannenzweig im Winter?“

Es handelt sich hierbei sicher nicht um eine Frage der Allgemeinbildung. Vielmehr ist es eine Anregung, sich bewusst werden zu lassen, auf welchem Weg wir im Alltag solche nicht memorierbaren Fragen zu beantworten pflegen: Wir formen ganz selbstverständlich und spontan ein Vorstellungsbild – Sie haben sich die Erbse und den Tannenzweig vor Ihrem inneren Auge aufsteigen lassen – und bedienen uns somit einer spezifisch menschlichen Fähigkeit. Ihr Vorstellungsbild knüpft an eine Alltagserfahrung an und beruht auf Erfahrung (hier mit einer gefrorenen Erbse und einem Tannenzweig im Winter) sowie auf Anschaulichkeit, d.h. Sie brauchten zuerst eine äußere Anschauung, um zu einer inneren zu kommen. Sie gebrauchen das Gedächtnis, um sich daran zu erinnern und um die Erinnerung hervorholen zu können. Die menschliche Strukturierungsfähigkeit, eine Funktion des Verstands, stellt schließlich das richtige Verhältnis zwischen der Erbse und dem Tannenzweig her. Sie sehen, anhand dieses kleinen Quiz sind wir mitten im Thema – und einige wesentliche Aspekte der inneren Bilder werden deutlich: Wir bedienen uns dieser spezifisch menschlichen Fähigkeit, uns etwas vorzustellen, automatisch und im Alltag praktisch ununterbrochen. Wir machen uns Bilder. Schon der Sprachgebrauch macht dies deutlich. So habe ich Sie vorhin eingeladen, „sich möglichst lebhafte Bilder zu machen“ oder wir sagen etwa: „Jetzt stell Dir doch mal vor, dass….“. Wir haben einen Gedankenblitz, eine Eingebung, wir drücken einen Sachverhalt über ein Bild aus und sagen: „viele Wege führen nach Rom“ oder „etwas kommt uns chinesisch vor“ usw.

Aller Anfang ist die Erfahrung.

„Bildern“ ist ein urmenschliches Verhaltensmuster – ein Phänomen, mit dem sich noch vor den Psychologen die Philosophen auseinandergesetzt haben (Etienne Klemm 1999, S. 9 ff.). Kant formulierte es prägnant: Alle Erkenntnis beginnt mit der Erfahrung. Erfahren tut man etwas sinnlich, leiblich, motorisch, visuell, akustisch, und zwar dadurch, dass man lebhaft im eigentlichen und übertragenen Sinne nach etwas greift, um es zu begreifen (Eisler 1994, S. 134). Alles Denken beginnt mit den Bildern – mit der Anschauung. Sigmund Freud war der Erste, der entdeckt hat, dass wir über zwei verschiedene Denkprozesse verfügen: Zum einen über das primär-prozesshafte, das Denken in Bildern: bildhaft, ganzheitlich, intuitiv-imaginativ. Zum anderen über das sekundär-prozesshafte, das rational-begriffliche Denken (Salvisberg 1997, S. 77). Jean Paul Sartre hat dies aufgegriffen und dem Denken in Bildern eine berühmte Abhandlung, L’imaginère (1940), gewidmet. Ihm verdanken wir das Wissen um die wechselseitige Abhängigkeit, die sogenannte Interdependenz zwischen dem imaginativen Denken in Bildern und dem konkret-realen Denken in Begriffen. Wir können konkret nur dank des bildhaften Denkens und den Vorstellungen denken, und wir können unsere Vorstellungen und Bilder nur dank dem begrifflichen Denken beschreiben und reflektieren. Über das Imaginäre kann der Mensch die Realität übersteigen, das Imaginäre beflügelt unsere Gedanken und suggeriert Freiheit und Kreativität. Und so sagen wir denn: die Gedanken sind frei oder eben: die Bilder sind frei.

Bei allen Vorstellungsbildern spielt das Gedächtnis (ein nonverbales – nicht sprachliches – und ein verbales – sprachliches Gedächtnis) eine zentrale Rolle. Und schließlich bedarf alle Vorstellung des ordnenden, strukturierenden Verstands (neben der Intuition mit ihrem schlagartigen Erfassen), der immer wieder ein sinnvolles Verhältnis zwischen Erfahrung, dem sinnlich vorgestellten Gegenstand und seinem Begriff herzustellen versucht. Über den Verstand findet der Mensch den richtigen Zusammenhang und kann seine Erfahrungen einordnen und ablegen.

Alle Vorstellung ist mit Gefühlen verbunden.

Alle Erfahrungen sind gefühlsmäßig besetzt. Mit den inneren Bildern von Erbse und Tannenzweig sind auch Stimmungen und Gefühle verbunden und als kleine Szenen aufgetaucht. Alle Erinnerung taucht mit ihren ursprünglichen Gefühlen auf, weshalb all unsere erinnerte Erfahrung und all unsere Vorstellungen immer auch gefühlsmäßig besetzt sind. Auch auf diesen Umstand haben die beiden genannten Philosophen schon vor vielen Jahrzehnten hingewiesen und festgehalten: Jede Wahrnehmung und jede Vorstellung ist von einer affektiven Reaktion begleitet, weil wir die Welt über unsere Gefühle als einheitlich erleben können.

Die Entwicklungspsychologie und ihre Grundlagenforschung bestätigt diesen Zusammenhang, und auch die neurobiologische / neurophysiologische Forschung, die mittlerweile einen genauen Grundriss der Hirnarchitektur und -struktur aufzeichnen konnte, erhärtet und belegt dies präzise und hat es populär gemacht durch viele Abhandlungen zur emotionalen Intelligenz: Den Gefühlen kommt für die Wahrnehmung, das Denken, Verstehen und die Alltagsbewältigung eine herausragende Bedeutung zu. Denken und Fühlen gehen in allen Lebenslagen zusammen: Es gibt kein Erkennen ohne Gefühl, kein Handeln, keine Wahrnehmung, keine Erinnerung ohne Gefühl etc. Ohne Gefühle ist ein Verstehen nicht möglich. Gefühle sind immer mit inneren Bildern verbunden, und deshalb gibt es auch keine Handlung, keine Erkenntnis, keine Wahrnehmung und keine Erinnerung ohne innere Bilder. Gefühle sind auch in allen Interaktionssituationen enthalten – seien diese sozial-zwischenmenschlicher Natur oder natürlicher, dinglicher oder auch virtueller Art – und als Beziehungsaspekt in allen Beziehungen. Damit sind fünf grundlegende Aspekte innerer Bilder deutlich geworden und kommen zum Tragen, ob es sich beim vorstellenden Menschen um ein Kleinkind, ein Schulkind, einen Jugendlichen oder um uns Erwachsene handelt – weiterlesen.