Ein Mensch entscheidet sich täglich für unzählige Dinge. Jede dieser Entscheidungen ist von etwas beeinflusst, manche aber sehr gezielt. Welche Rolle dabei die Größe von Tellern, eine Fliege im Urinal und Corona-Hinweise in der Öffentlichkeit spielen, erklärt die Psychologin Eva Krockow.

Nudge [nəʤ] (engl. für Stups oder Schubs, hier im Sinne von Denkanstoß) ist ein Begriff der Verhaltensökonomik, der durch den Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein und deren Buch Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness (deutscher Titel Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt) von 2008, geprägt wurde: Unter einem Nudge verstehen die Autoren eine Methode, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder ökonomische Anreize verändern zu müssen. Seit dieser Veröffentlichung findet der Begriff auch in anderen Gebieten Anwendung, etwa der Marketing-Kommunikation.

Es wird – im Gegensatz zum Modell des Homo oeconomicus – von einem realistischeren Menschenbild ausgegangen: Der Mensch sei nicht immer in der Lage, die optimale Entscheidung zu treffen. Auch die experimentelle Wirtschaftsforschung zeigt, dass Menschen sich in vielen Situationen anders verhalten, als es die Theorie der rationalen Nutzenmaximierung vorhersagt. Durch „Nudges“ kann dies nach Thaler und Sunstein korrigiert werden. Zum Beispiel werden in einer Cafeteria Obst und Gemüse auf Augenhöhe platziert, um deren Konsum zu erhöhen, oder Zigarettenschachteln mit Warnhinweisen versehen, um den Konsum zu senken. Wenn derartiges Nudging vom Staat eingesetzt wird, spricht man vom sogenannten „libertären Paternalismus“.

Ein wichtiger Nudge besteht im Setzen von sozial optimalen Defaults (dt. „Standards, Vorgabewert“). Wenn Personen von diesen Defaults nicht mehr abweichen, verhalten sie sich also optimal (aus Sicht des Regulierers, im Normalfall des Staates). In den USA wurde beispielsweise beobachtet, dass deutlich mehr Personen eine betriebliche Altersvorsorge abschließen, wenn der Beitritt zur Altersvorsorge die Defaultoption bei Aufnahme einer Beschäftigung darstellt. Müssen sich Personen hingegen aktiv dafür entscheiden, der betrieblichen Altersvorsorge beizutreten, zögern viele Menschen diesen Schritt zu lange hinaus, was zu einer schlechten Absicherung im Alter führt.

Viele Konsumenten behalten zum Beispiel ihre Bildschirmschoner-Voreinstellung an ihrem Computer oder Laptop bei, weil die Entscheidung zur Veränderung mit Suchkosten verbunden ist. Die Bildschirmschoner-Voreinstellungen sind für die durchschnittlichen PC-Nutzer vom Hersteller gewählt. Der Onlinehändler Amazon setzt ebenfalls ein Default für die Verbraucher: Nachdem der Online-Kauf abgeschlossen ist, werden die Konsumenten zum Schluss gefragt, wie das Produkt versendet werden soll. Amazon wählte dies als „Standardversand“ bereits aus. Verbraucher bleiben in der Regel bei dieser Versandart, weil beim Wechsel des Versands oft Transaktionskosten und Zeitinkonsistenz anfallen.

Ein bekanntes Beispiel für „Default-Nudges“ ist im Bereich der Umweltökonomik der Papierverbrauch in Unternehmen. Eine Universität in New Jersey stellte den Drucker als standardmäßig auf „doppelseitig“. Für die Nutzer war es zu umständlich, den Drucker auf „einseitiges Drucken“ umzustellen. Daher wurde automatisch doppelseitig gedruckt. In dieser Universität wurden im Vergleich der letzten vier Jahre 55 Mio. Blatt Papier gespart bzw. weniger gedruckt. Dies entspricht einer Verringerung von 44 % und der Schonung von 4.650 Bäumen.

Zehn bedeutende Nudges für die Politik:

Default-Regeln (Default rules) Dies sind die wirksamsten Nudges für die Politik. Bereits voreingestelltes Drucken zum Beispiel, so daß die Konsumenten doppelseitig drucken können. Dadurch wird Druckerpapier gespart.
Vereinfachung (Simplification) Hierbei wird darauf geachtet, dass zum Beispiel Formulare und Anträge so einfach und übersichtlich gehalten werden, dass es nicht zu Verwirrungen führt.
Soziale Normen (Use of social norms) Sie basieren darauf, dass eine Mehrheit in der Gesellschaft bereits dem gewünschten Verhalten nachgeht. Ein anschauliches Beispiel sind Wahlen, also die Aufforderung, wählen zu gehen, oder auch das Zahlen von Steuern.
Erhöhung der Bequemlichkeit und Einfachheit (Increase in ease and convenience) Menschen versuchen oft, schwierige Wege zu umgehen und den einfachsten Weg auszuwählen. Deshalb versucht die Politik, Hindernisse zu minimieren. Bsp.: Für die Gesundheit der Mitmenschen wird danach getrachtet, den Zugang zu gesundem Essen zu erleichtern und die Verfügbarkeit von gesundem Essen zu erhöhen.
Offenlegung (Disclosure) Dieses Prinzip ist hauptsächlich auf Konsumenten abgestimmt. Die Voraussetzung dafür ist die Verständlichkeit der zugänglichen Informationen, um bestimmte Entscheidungen zu fördern. Dies ist zum Beispiel die Aufklärung in Bezug auf die Nutzung einer Kreditkarte oder die Offenlegung der Energienutzung an den Verbraucher.
Warnungen (Warnings, graphic or otherwise) Veränderungen der Farbe oder Größe von Verpackungen sowie grafische Elemente können die Aufmerksamkeit und Selbstreflexion der Konsumenten erhöhen, z. B. sollen durch Warnhinweise auf Zigarettenschachteln die Verbraucher weniger rauchen.
Strategien der Selbstbindung (Precommitment strategies) Diese sind zum Beispiel gezielte Programme, um die Selbstbindung der Einzelpersonen im Hinblick auf ein gesünderes Leben zu beeinflussen (Nichtrauchen und mehr Sport zu treiben). Menschen schaffen es in der Gesellschaft oftmals nicht, ihre eigenen Ziele zu verfolgen und diese zu verwirklichen. Aus diesem Grund sollten sie ihre Ziele offenlegen, um besser an das Ziel zu gelangen (durch eine Wette mit Freunden und Bekannten).
Erinnerungen (Reminders) Es kann sein, dass Menschen vergesslich sind oder sich in Zeitverzug befinden. Demzufolge werden an sie kleine Erinnerungen geschickt, so daß ein Handeln noch möglich ist. Bsp.: Erinnerungen per E-Mail bei verzögerten Zahlungen oder vor Terminen.
Durchführungswillen (Eliciting implementation intention) Menschen handeln öfter, wenn man gezielt nach deren Handlungsabsichten fragt. Zum Beispiel könnte eine Frage wie „Werden Sie wählen gehen?“ oder „Werden Sie ihr Kind impfen lassen?“ dazu veranlassen, dies auch tatsächlich zu tun.
Informationen, welche Konsequenzen frühere Entscheidungen hatten Institutionen erhalten persönliche Daten und Informationen über Individuen. Die automatische Bekanntgabe dieser Informationen an die Betroffenen kann den Menschen helfen, aus früheren Entscheidungen zu lernen und aktuelle Entscheidungen ggf. zu verändern. Beispiele wären in diesem Fall die regelmäßige Auskunft über deren Energienutzung oder über Gesundheitsausgaben für ihre Person.

Quelle: Wikipedia.