Deregulierung bedeutet in der Ordnungspolitik, einem Teilbereich der Wirtschaftspolitik, die Vereinfachung von Marktregulierung durch den Abbau staatlicher Vorschriften und Normen.

Ziele

Absicht der Deregulierung ist die Liberalisierung der Märkte, mit dem Ziel

Diese Ziele können alle gemeinsam oder einzeln, getrennt verfolgt werden. Ansatzpunkte von Deregulierungen können die Stärke (Verringerung der Anzahl von Spezialvorschriften) und der Umfang (Verringerung der Anzahl der Bereiche) der Regulierung sein. Sie können sich auf Preise, Mengen, Normen, Vorschriften – wie z. B. Umweltschutzbestimmungen – beziehen. Begründet wird Deregulierung mit den Grenzen der Steuerbarkeit komplexer Prozesse. Geht die staatliche Regulierung zu weit, dann ergeben sich daraus negative mikro- und makroökonomischen Folgen, die z. B. wirtschaftliche Aktivitäten verhindern oder in eine falsche Richtung lenken. Aus wettbewerbspolitischer Sicht soll mit Hilfe von Deregulierungen eine Beseitigung von marktwirtschaftlichen Verzerrungen erreicht werden. Viele Ökonomen gehen allerdings bei Marktversagen von der Notwendigkeit staatlicher Eingriffe aus, während er sich in Fällen, in denen kein Marktversagen vorliegt, aus dem Marktgeschehen zurückziehen sollte, etwa bei privaten Gütern.

Wirkung

Verschiedene Studien messen der Deregulierung eine jobschaffende Wirkung bei. Laut einer von BAK Basel Economics, dem Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) Tübingen und der Prognos AG Basel erstellten Analyse der Daten von 20 OECD-Ländern für den Zeitraum 1980 bis 1998 zieht eine Deregulierung der Gütermärkte mittelfristig eindeutig positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte nach sich. Eine Deregulierung des Arbeitsmarktes beeinflusse die Entwicklung der Arbeitslosigkeit laut der Studie jedoch nicht. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kam 2006 hingegen zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit an der gesamten Arbeitslosigkeit in Ländern mit weniger Regulierung mit knapp 20 % sehr viel geringer sei als in Deutschland mit über 50 %.

Deregulierung auf den Finanzmärkten wird einer Studie zufolge nach der Finanzkrise ab 2007 als krisenverschärfend beurteilt. Stabilisierend wirkte sich dagegen ein deregulierter Arbeitsmarkt aus.

Kartell- und Preisregulierung

Die Deregulierung alleine führt nicht immer zu (dauerhaft) funktionierenden Märkten. Beispielsweise hat die Zerschlagung des AT&T-Konzerns 1984, der durch die Regulierung des amerikanischen Telekommunikationsmarktes zum Monopolisten geworden war, zu vielen einzelnen Gesellschaften geführt, die miteinander im Wettbewerb standen. Inzwischen sind aber durch gegenseitige Aufkäufe aus dem ursprünglichen Kreis nur noch drei davon übrig. Um funktionierende Märkte zu erhalten, werden deswegen auch staatliche Eingriffe durch Kartellbehörden als erforderlich angesehen. Privatisierung geht insofern nicht nur mit Formen der Deregulierung, sondern auch mit Re-Regulierung Hand in Hand: neben dem Wettbewerbsrecht gilt dies etwa für die Preispolitik. So wurden im Zusammenhang mit Privatisierungen in OECD-Ländern zahlreiche Regulierungsbehörden eingerichtet. Der Politikwissenschaftler Giandomenico Majone spricht daher davon, dass Deregulierung „ein notorisch missverständlicher Terminus“ sei. Aus der Perspektive der Theorie des regulativen Kapitalismus wird vertreten, dass das Ausmaß der Regulierung durch die Bemühungen um Privatisierung und Globalisierung seit Anfang der 1980er Jahre eher zu- als abgenommen habe.

Kritik

Nach der Zulassung von privaten Unternehmen für Aufgaben, die früher Staatsbetriebe oder Kommunalbetriebe im Sinne der Grundversorgung erledigten (Mobilität, Postwesen, Arbeitsvermittlung etc.) pickten sich diese Privatunternehmen „die Rosinen aus dem Kuchen“, sie übernahmen am freien Markt nur die lukrativsten Geschäftszweige (Bahnverkehr auf Hauptstrecken, Paketdienst). Weniger lukrative Sparten (Bahnverkehr auf Nebenstrecken, Briefzustellung in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte) blieben im Aufgabengebiet der Betriebe der öffentlichen Hand. Da aber die ertragsstarken Sparten die ertragsschwachen Sparten in der Gemeinsamkeit querfinanzierten und dadurch erst diese ertragsschwachen Dienstleistungen ermöglichten, verblieben nach Verlust der „Cash Cows“ (englisch für „wirtschaftliche Zugpferde“ bzw. „Goldesel“) die kostenaufwendigen Dienstleistungen im Portfolio der öffentlichen Hand. Woraus sich ergibt, dass daraus folgende Defizite der Staat bzw. die Kommunen im Sinne der Grundversorgung abdecken müssen oder diese kostenaufwendigen Dienstleistungen werden eingestellt (Einstellung von Nebenbahnen, Einstellung der Postzustellung und nötige Selbstabholung der Briefpost bei Postfächern, Auflassung von Postfilialen und Briefkästen bzw. längere Wege des Einzelnen zu den wenigen verbliebenen).

Eine wirtschaftliche Optimierung von Staatsbetrieben oder Kommunalbetrieben kann auch ohne Deregulierung erfolgen. Ein Beispiel dafür ist die Koordinierung von Bahnlinien und dazu parallel geführten Bahnbus- und Postbus-Linien in Österreich. Dagegen spricht, dass die Personalpolitik der Staatsbetriebe oft mit Einflussnahme von Eigentümervertretern und politischen Parteien bestimmt wurde und die Betriebe „aufgebläht“ wurden, da allfällige daraus resultierende Defizite aus dem „Staatssäckel“ beglichen wurden.

Ein wichtiges ordnungspolitisches Instrument ist die Deregulierung. Darunter wird die Abschaffung oder Vereinfachung staatlicher Vorschriften verstanden, um privatwirtschaftlicher Initiative mehr Raum zu geben und so zu einer Erhöhung der Wettbewerbsintensität beizutragen. Im Jahre 1991 hatte die von der Bundesregierung beauftragte Deregulierungskommission eine Fülle von Vorschlägen zur Abschaffung von Sondervorschriften, die sehr häufig mit den Gefahren des Marktversagens begründet wurden, unterbreitet. Ab 1994 wurden Empfehlungen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren umgesetzt. Im Frühjahr 2003 startete eine neue Initiative, die Mitte 2003 mit einem Strategiekonzept zum Bürokratieabbau fortgesetzt wurde, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland zu stärken und zu einer Entlastung der Unternehmen beizutragen. Im Frühjahr 2005 wurde von der Bundesregierung ein Katalog von etwa 300 überholten Gesetzen und Rechtsverordnungen vorgelegt, die veraltet und überholt sind und deshalb ohne Probleme aufgehoben werden können. Beispiel: „Verordnung über die Auszahlung des Ehrensoldes für Träger höchster Kriegsauszeichnungen des Ersten Weltkrieges“.

1. In der Gesundheitswirtschaft:

Gegensatz von Regulierung. Der Begriff bezeichnet den kontrollierten Abbau bzw. die Rücknahme staatlicher Eingriffe, meist in das Wirtschaftsgeschehen. Auf dem Gesundheitsmarkt wird an Stelle von Deregulierung häufig auch der Begriff des Bürokratieabbaus benutzt. Dabei meint Deregulierung jedoch den Verzicht des Staates auf eine gesetzliche oder auf dem Verordnungsweg erlassene Vorschrift, die an die Stelle der freien Entfaltung von Marktkräften eine staatliche Marktordnung setzen, zumindest aber die deutliche Einschränkung solcher staatlich gesetzter Marktordnungen. Bürokratieabbau bleibt dagegen regelmäßig unterhalb dieser Schwelle und bedeutet nahezu immer lediglich den Verzicht auf Detailvorschriften im Rahmen einer staatlich gesetzten Marktordnung.

Staatliche Regulierungen vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen werden vom Staat nahezu immer mit der Versorgungssicherheit begründet, die durch die staatliche Regulierung erreicht oder aufrechterhalten bzw. verbessert werden soll. Gerechtfertigt wird der staatliche Eingriff mit dem Hinweis auf Marktversagen im Gesundheits- und Sozialbereich. Im Gesundheitswesen haben staatliche Regulierungseingriffe jedoch seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts meist anderen politischen Zielen gedient, vorrangig der Kostendämpfung beziehungsweise der Sicherung der Beitragssatzstabilität, die als ausdrückliches Ziel auch in die einschlägigen Sozialgesetze eingeflossen ist. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist für die gesetzliche Krankenversicherung rechtlich in § 71 SGB V normiert.

Dort heißt es:

Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität).

Ein Beispiel für Ansätze zur Deregulierung, die aber dennoch dem Ziel der Beitragssatzstabilität dienen sollten, ist die zum 1. Januar 1996 mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) eingeführte Wahlfreiheit der Kasse in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zwischen den gesetzlichen Krankenkassen zu nennen. Auch das zusammen mit der Gesundheitsreform 2006 auf den Weg gebrachte Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) dient in weiten Teilen der Deregulierung der weitestgehend staatlich regulierten Tätigkeit von Vertragsärzten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ein weiteres Beispiel von Deregulierung ist die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln sowie die Einschränkung des Mehrbesitzverbotes für Apotheken durch das Anfang 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)

In der sozialistischen Wirtschaftslehre: Wirtschaftspolitisches Programm zur Aufhebung der regelnden und wirtschaftssteuernden Rolle des Staates (Konjunkturpolitik), um den einzelnen Unternehmen mehr Entscheidungsspielräume zu verschaffen, damit die Wirtschaft wieder an „Dynamik“ gewinnt. Deregulierung geht mit Sozialabbau („mehr Selbstverantwortung“) und der Privatisierung vieler Staatsaufgaben (Verschlankung des Staates) einher. >Kapital, ökonomische Theorien des,

2. In der Umweltwirtschaft:

Unter Deregulierung versteht man die Lockerung, Umgestaltung bzw. Aufhebung von Regulierung. Demnach ist es zur Erschließung der Problematik notwendig, sich kurz mit dem Wesen der Regulierung zu befassen. Staatliche Regulierung der Wirtschaft ist ein vielschichtiger Begriff, da er zur Beschreibung verschiedener Sachverhalte genutzt wird. Im weitesten Sinn versteht man darunter alle Maßnahmen, die darauf zielen, den ordnungspolitischen Rahmen für die wirtschaftliche Tätigkeit abzustecken. Es geht also um die „Spielregeln“ einer Volkswirtschaft. Insofern existieren keine Bereiche der Wirtschaft, die nicht auf irgendeine Weise reguliert sind. Allerdings gibt es einige Branchen, in denen dies traditionell mit großer Intensität getan wurde bzw. wird. Dazu gehören z. B. der Verkehrssektor, die Telekommunikation, die Stromversorgung, die Kredit- und Versicherungswirtschaft, das Handwerk und der Arbeits- und Gesundheitsmarkt.

Wenn von Deregulierung die Rede ist, wird darunter im allgemeinen der Abbau unnötiger Regulierung verstanden. Eine vernünftige Definition, was nötig und unnötig sei, läßt sich kaum geben. Hier spielen die individuellen ordnungspolitischen Grundeinstellungen eine maßgebliche Rolle, die wiederum geprägt sind durch das gesellschaftspolitische Weltbild eines jeden. Konsens besteht aber soweit, daß Regulierung ein Instrument zur Sicherung effektiven Wettbewerbs sein soll. Dort, wo Wettbewerb zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen führt, soll er durch alternative Koordinationsmechanismen ersetzt werden. Doch auch diese Formulierung ist nicht wirklich tragfähig. Was sind zufriedenstellende Wettbewerbsergebnisse und wann ist Wettbewerb effektiv? (siehe Gründe für Regulierung). In der Praxis der Deregulierungsdiskussion geht es weniger um derart grundsätzliche Fragen. Vielmehr werden bestehende Regulierungen hinterfragt und auf Zweckmäßigkeit geprüft. Im Visier sind vor allem jene Vorschriften, die ausschließlich die Handlungsspielräume bestimmter Gruppen beeinträchtigen oder durch Tatbestände begründet wurden, die heute nicht mehr in dem Maß relevant sind.

Regulierung kann ansetzen an:

·        dem Gewinn;
·        den Fusions- und Kooperationsmöglichkeiten;
·        den Konditionen;
·        den Kontrahierungsbedingungen;
·        den Kosten;
·        den Preisen;
·        der Qualität.

Daran wird deutlich, daß bei hoher Regulierungsdichte auch innerhalb einer wettbewerblichen Wirtschaftsordnung der betriebswirtschaftliche Spielraum auf ein Minimum beschränkt werden kann.

3. Gründe für Regulierung

Die Gründe für Regulierung erschließen sich auf zwei verschiedenen Wegen. Man kann sich in Tradition der normativen Theorie an das Thema nähern oder die Problematik aus der positiven Sicht betrachten. Sinnvoll ist eine Kombination beider Herangehensweisen. Das Ergebnis kommt einem Soll-IstVergleich nahe und wird der Komplexität des Themas eher gerecht.

Normative Sicht

Beschäftigt man sich mit ökonomischen Zusammenhängen einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung, kommt man an einem wichtigen Leitsatz nicht vorbei: Der Weg ist das Ziel. Nicht nur die Marktergebnisse, sondern auch ihr Zustandekommen ist Gegenstand des Interesses. Es ist sogar das entscheidende Element für die Effizienz einer Volkswirtschaft. Regulierung soll den Rahmen bilden, der die optimale Allokation der -Ressourcen gewährleistet. Der Markt bringt Angebot und Nachfrage zusammen. Die Koordinationsaufgabe übernimmt der Preis. Die Produktionsfaktoren werden so der effizientesten und nützlichsten Verwendung zugeführt. Der Anpassungsdruck sorgt permanent für Fortschritt und Entwicklung. Wettbewerb gewährleistet Konsumentensouveränität durch die Steuerung des Angebots nach den Präferenzen der Konsumenten. Er verhindert Abhängigkeiten. Diese Mechanismen können durch vielfältige Einflüsse in ihrer Wirkungsweise beeinträchtigt werden. Im Prinzip handelt es sich dabei um die Abweichungen vom Modell des vollkommenen Marktes, die man in der Realität beobachten kann. Wesentliche Merkmale eines idealtypischen Marktes sind:

·        hohe Transparenz;
·        keine Abhängigkeiten von Anbietern und Nachfragern;
·        keine externen Effekte, die nicht internalisiert werden;
·        schnelle Anpassung an veränderte Marktlage;
·        vernachlässigbare Transaktionskosten.
·        In der Realität hingegen wirken folgende Einflußgrößen der Modellwelt entgegen:
·        externe Effekte,
·        Informationsdefizite,
·        Marktmacht,
·        natürliches Monopol,
·        öffentliche Güter,
·        opportunistisches Verhalten, Transaktionskosten.

Jede Differenz zwischen Modell und Realität generell als Regulierungsgrund anzusehen, geht sicher zu weit. Dennoch bilden sie eine sinnvolle Basis für staatliche Intervention. Systematisiert man nach der Motivation, erfüllt Regulierung genau entgegengesetzte Zwecke: Zum einen soll der Ordnungsrahmen die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sichern oder gar erst ermöglichen. Zum andern sind einige Marktergebnisse gesellschaftlich nicht erwünscht. Hier soll Regulierung dem Wettbewerb eine Richtung geben oder ihn beschränken.

4. Regulierung zur Sicherung des Wettbewerbes

Das Vorhandensein von Wettbewerb ist eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für zufriedenstellende Marktergebnisse. Es sind gestalterische Eingriffe sinnvoll, um die Effizienz des Wettbewerbs zu wahren. Dazu gehören Maßnahmen, die die Markttransparenz erhöhen und damit die Informationsdefizite und auch Transaktionskosten senken. (bspw. Informationsbereitstellung durch Industrie- und Handelskammern). Ein weiteres, entscheidendes Feld der Regulierung ist der Umgang mit Marktmacht. Die staatliche Aufsicht muß sicherstellen, daß diese Macht zum einen rechtmäßig (sprich durch die Leistungen des Unternehmens) erlangt wurde und zum anderen nicht mißbraucht wird. Das Augenmerk liegt also auf Fusionen und Kartellen, die die Bildung von Marktmacht fördern.

Missbrauchs-Aufsicht ist eine sehr komplexe Aufgabe. Es erfordert Kenntnis über das gesunde Maß an Wettbewerb, Marktanteil oder Größe der Teilnehmer – und das ist schwer zu realisieren. Eine Reihe von Fragen sind zu beantworten, will man zu einer Beurteilung des Wettbewerbsgeschehens kommen:

Was ist effektiver Wettbewerb? Wettbewerb ist ein dynamischer Prozeß von Aktion und Reaktion mit offenem Ergebnis. Marktunvollkommenheiten sind ein Teil dieses Prozesses. Die Schwierigkeit besteht darin, die notwendigen von den unerwünschten Marktunvollkommenheiten zu unterscheiden.

Welche Marktstruktur liegt vor? Entscheidend sind vor allem die Zahl der Spieler und ihr Marktanteil. Wem gehören die Unternehmen und wer kontrolliert sie? Darüber hinaus muß man die Marktzutrittsschranken und die Markttransparenz betrachten sowie die Marktphase beurteilen.

Wie sieht das typische Marktverhalten der Unternehmen aus und wie stellt sich das Ergebnis aus Sicht der Konsumenten dar?

Hier sind die Strategien der Unternehmen in Hinblick auf Preise, Konditionen und Dienstleistungen zu analysieren, sowie die Quantität und Qualität der Produkte zu vergleichen. Wie sieht ihre Risikoneigung und Innovationsbereitschaft aus? Wie hoch ist die Marktversorgung, der Werbeaufwand etc.? Viele dieser Kriterien sind sehr weich und entziehen sich daher einer objektiven Beurteilung.

Welcher ist überhaupt der relevante Markt?

Zur Beantwortung dieser Frage muß man eine zeitliche, räumliche und sachliche Dimension unterscheiden. Zu prüfen ist damit, inwieweit die Produkte homogen und damit leicht substituierbar sind. Die räumliche Abgrenzung des relevanten Marktes wird mit wachsender Globalisierung immer schwerer. Beim zeitlichen Aspekt ist zu beachten, ob es sich vorrangig um kurzfristigen Börsenhandel oder um langfristige Kontrakte handelt.

Was ist die angemessene Größe für ein Unternehmen?

Soweit diese Frage überhaupt zu beantworten ist, muß man die technischen und ökonomischen Faktoren berücksichtigen. Sie werden bestimmt durch die ökonomisch sinnvolle Mindestgröße der Produktionskapazitäten. Zum andern durch die Breite der Produktdiversifikation und die Finanzkraft der Unternehmen.

Daran an schließt sich die Frage:
Was bewegt Unternehmen zur Fusion? Hier stehen an erster Stelle die „economies of scale“ (Vorteile aus der Größe) „economies of scope“ (Vorteile aus dem Verbund von Leistungen), die auch durch externes Wachstum verbessert werden können. Neben der Erschließung (geographisch) neuer Märkte kann auch die Erweiterung der Produktpalette der Auslöser für Überlegungen zum Wachstum durch Zusammenschluß sein. Natürlich kann auch die Sicherung bestehender Marktanteile eine Motivation sein. Die Richtung der Zusammenschlüsse ist sowohl horizontal, vertikal oder diagonal möglich. Es liegt im Wesen des Wettbewerbs, daß die Marktteilnehmer versuchen werden, ihn auszuschalten. Die Überwachung des Wettbewerbsgeschehens ist eine Daueraufgabe.

5. Regulierung zur Einschränkung von Wettbewerb

Wie bereits erwähnt, wird der Marktmechanismus vor allem aus zwei Gründen eingeschränkt: Man ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden oder seine Funktionsfähigkeit ist „systembedingt“ nicht gegeben. Die Einschränkung des Wettbewerbs zur Durchsetzung politischer Ziele hat eine lange Tradition. Eingriffe solcher Art sind sowohl temporär als auch dauerhaft angelegt. Sie sind in ihrer Eingriffsintensität nahezu beliebig zu gestalten. Beispiele sind alle Formen von:

·        Errichtung von Marktzutrittsschranken (z. B. Handwerksordnung);
·        Kontrahierungszwang (Einspeisegesetz);
·        Preisaufsicht (z. B. Tarifordnung bei Elektrizität);
·        Qualitätskriterien (z. B. Reinheitsgebot beim Bier);
·        Subventionen (z. B. Markteinftihrungshilfen, Förderprogramme, Beihilfen) usw.

Die Ziele derartiger Maßnahmen decken das gesamte politische Aufgabenspektrum ab, so daß ein näheres Eingehen an dieser Stelle zu weit führen würde. Neben der eher aus der Tagespolitik resultierenden Motivation für Wettbewerbsbeschränkungen gibt es Regulierungsgründe, die in der Charakteristik von Märkten liegen. Das Vorhandensein öffentlicher Güter (mit Einschränkungen) meritorischer Güter, natürlicher Monopole und externer Effekte führt unter Wettbewerbsbedingungen zu unerwünschten Ergebnissen. Man spricht hier von Marktversagen.

Öffentliche Güter werden nicht vom Markt zur Verfügung gestellt, da niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann und keine Knappheiten auftreten, da ihr Konsum nicht rivalisiert. Bekannteste Beispiele sind die Landesverteidigung oder Umweltnutzung. Ein schwerwiegendes Problem der Umweltnutzung ist das Auftreten (negativer) externer Effekte, die nicht automatisch internalisiert werden. Problematisch ist dieser Aspekt besonders, weil eine konsequente Zuordnung nach dem -Verursacherprinzip nicht immer möglich ist und vor allem politisch nicht durchsetzbar scheint. Im internationalen Standortwettbewerb soll die Wirtschaft nicht „zusätzlich“ belastet werden. Die externen Kosten trägt daher häufig die Allgemeinheit bzw. die nächsten Generationen.

Meritorische Güter können zwar vom Markt bereitgestellt werden, man geht aber davon aus, daß dies nicht im ausreichenden (sprich gesellschaftlich gewünschten) Umfang geschieht. Der Grund liegt in den „verzerrten“ Präferenzen, die für diese Güter am Markt geäußert werden. Beispiele sind Bildung, Kultur, Gesundheits- und Altersvorsorge etc. Auch der Fall des natürlichen Monopols erfordert Regulierung. Bei natürlichen Monopolen ist es volkswirtschaftlich sinnvoller, wenn sich nur ein Anbieter engagiert. Das betrifft zum Beispiel Versorgungsleitungen von Telekommunikation und Energie oder auch Verkehrswege.

6. Positive Sicht

Dieser Ansatz ist Forschungsgegenstand der Neuen Politischen Ökonomie. Die positive Theorie versucht, die Zusammenhänge auf Basis der realen Gegebenheiten zu erklären. Diese Herangehensweise führt den Betrachter in die angrenzenden Wissenschaftsbereiche der Politologie und Soziologie. Aus positiver Sicht läßt sich Regulierung als interessengeleitete Nachfrage nach staatlichem Handeln interpretieren.

Die Akteure lassen sich zu Interessengruppen zusammenfassen, die unterschiedliche Organisationsgrade aufweisen. Ihr Ziel ist es, bei den politischen Entscheidungsträgern Interventionen zu ihren Gunsten durchzusetzen. Das Spektrum derartiger Gruppen ist denkbar breit. Es reicht von politischen Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden über Branchen- und Berufsverbände, religiöse Vereinigungen bis zu Sportvereinen. Wenn auch nicht unmittelbar, so kann man doch mittelbar bei den meisten dieser Vereinigungen Interessen unterstellen, die die Gestaltung der Wirtschaftspolitik tangieren. Um als Interessengruppe eingestuft zu werden, bedarf es prinzipiell keiner formalen Organisation. Es genügen gemeinsame Ziele, Einstellungen oder Forderungen (beispielsweise von Regionen oder Bevölkerungsschichten). Es kann aber davon ausgegangen werden, daß gut organisierte Gruppen größere Chancen zur Durchsetzung ihrer Forderungen haben.

Die Politikwissenschaft hat wesentlich zur genaueren Analyse von Gruppenprozessen beigetragen (Pluralismus- und Systemtheorie, Konflikttheorie). Die Grundthese ist, daß über die Rivalität der Gruppeninteressen ein Ausgleich stattfindet, der letztlich das Wohl der Allgemeinheit über das des Einzelnen stellt. Begründet wird dies mit der Annahme, daß die Größe und damit Stärke einer Gruppe wesentlich über ihre Mitgliederzahl definiert wird und dadurch Einzelinteressen nicht durchsetzbar sind. Natürlich werden von den politischen Entscheidungsträgern auch Maßnahmen durchgesetzt, die nicht explizit gefordert werden. Insgesamt wird aber davon ausgegangen, daß politisches Handeln ein Ergebnis sozialen Gruppendrucks ist.

Der (sehr demokratische) Gedanke, daß das Individuum über die Organisation eine Stimme erhält, muß allerdings etwas relativiert werden. Zwei wichtige Gründe können dies einschränken. Es gibt Gruppen, die nicht organisationsfähig und/oder konfliktfähig sind. Von mangelnder Organisationsfähigkeit spricht man, wenn die Gruppen sehr heterogen sind (z. B. Frauen, Arbeitnehmer). Gesellschaftliche Ziele von Allgemeininteresse sind demnach kaum durchsetzbar. Als Ausnahme können eventuell Verbraucherorganisationen angesehen werden. Organisationsfähigkeit wiederum reicht mitunter für die Durchsetzbarkeit von Interessen nicht aus. Die Interessengruppen müssen konfliktfähig sein. Mit anderen Worten, sie müssen in der Lage sein, ihren Forderungen Gewicht zu verleihen durch Androhung oder Einsatz von Sanktionen. Dazu sind beispielsweise Arbeitslose, Hausfrauen, Rentner oder auch Studenten kaum in der Lage. Es bildet sich keine Lobby. Es bleibt diesen schwer zu organisierenden Gruppen, bzw. Individuen aber dennoch ein gewichtiges Disziplinierungsinstrument – der Stimmzettel. Letztlich ist auch die Gruppe der politischen Entscheidungsträger vom Eigeninteresse geleitet. Hier geht es vor allem um die Sicherung der Macht, die in der Demokratie über Wahlen legitimiert wird.

Diese Zusammenhänge lassen Raum für widersprüchliche Erscheinungen, die politische Prozesse in der Praxis hervorbringen können. Sie sind es vor allem, die den Deregulierungsbedarf ausmachen. Stützt man sich bei der Erklärung von Regulierung auf diese positive Sichtweise, bedeutet das in der Konsequenz, daß Deregulierungsbestrebungen so lange zum Scheitern verurteilt sind, wie die relevanten Gruppen nicht für sie eintreten oder sie explizit fordern. Die Deregulierung in den Bereichen Verkehr, Telekommunikation und Energie, die in den letzten Jahren vorgenommen wurde, war im Prinzip nur möglich, weil sie von der Europäischen Kommission – als einem von Wählerstimmen relativ unabhängigen Gremium – initiiert und vorangebracht wurden. Auf andere Weise läßt sich diese Entwicklung nicht schlüssig erklären.

7. Gründe und Ziele für Deregulierung

In der Auseinandersetzung mit Deregulierung – aus normativer Sicht – gelangt man unausweichlich zu grundsätzlichen Fragen der Gesellschaft und ihrer Vorstellung von der Organisation des menschlicher Zusammenlebens. Wo liegen die Grenzen der individuellen Freiheit? Was ist gesellschaftlich gewünscht? Wovor und wie weitgehend ist das Individuum zu schützen? Wie weit soll der Staat selbst als Marktteilnehmer auftreten? Der Diskurs darüber ist so alt wie die Fragen selbst. Man kann daher nicht auf ihre endgültige Beantwortung warten. Man muß es auch nicht. Die entscheidende Frage stellt sich etwas anders: Problematisch und daher schon immer umstritten ist die Instrumentalisierung des Wettbewerbs für sozialpolitische Ziele. Nicht die Tatsache, daß diese Ziele Grundlage einer Regulierung sind, sondern ihre nicht sachgerechte Umsetzung verdient häufig Kritik. Es geht also nicht unbedingt um das „ob“, vielmehr um das „wie“. Bei der Erklärung dieser Entwicklung gelangt man schnell zurück zur positiven Sichtweise der Problematik.

Unbedingt notwendig, wenn auch in der Praxis nur in enttäuschendem Maß vorgenommen ist die Trennung von Markt- und Politikversagen. Die dem Wettbewerb zugeschriebenen unerwünschten Nebenwirkungen müssen auch tatsächlich aus der unzulänglichen Wirkungsweise des Marktmechanismus resultieren. Sie sind nicht zu verwechseln mit Verwerfungen durch schlechte Regulierung. So kennt der Wettbewerb beispielsweise keine ethischen Werte, durch die quasi automatisch die Belange des Umweltschutzes in der Energiewirtschaft berücksichtigt werden. Wenn die Förderung regenerativer -Energieträger politisch wirklich gewünscht wird, muß entsprechend lenkend eingegriffen werden. Es stehen dazu verschiedene Instrumente zur Verfügung. Wenn man sie nicht oder nur halbherzig nutzt oder gar die falschen einsetzt, hat das nichts mit Versagen des Wettbewerbes zu tun. Besonders schwerwiegend ist die Entwicklung, wenn die auf Fehlregulierung basierenden Entwicklungen mit weitergehender Reglementierung ausgeglichen werden sollen.

Daß dies in der Realität durchaus regelmäßig geschieht, ist – aus positiver Sicht – nicht überraschend. Die politischen Entscheidungsträger sind zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen (Wiederwahl) gezwungen, verschiedenen Gruppen gegenüber Zugeständnisse zu machen. Ergebnis ist häufig Multiregulierung. Politische Ziele werden dann durch mehrere, zum Teil widersprüchliche Maßnahmen zu erreichen versucht. Die Regierung verpflichtet sich beispielsweise zur Erreichung bestimmter Klimaschutzziele. Zu diesem Zweck soll die CO2-Belastung durch geeignete Maßnahmen reduziert werden (Ökosteuer, Förderung regenerativer Energieträger etc.) Gleichzeitig wird aber der Kohlebergbau stark subventioniert. Aus Sicht der Regierung ist dies durchaus rational. Sie sichert sich dadurch die Zustimmung beider Lager.

Eigentlich sollte nicht Deregulierung, sondern Regulierung als freiheitseinschränkende Maßnahme begründet werden müssen, denn Wettbewerb ist ein Wert an sich. Tatsächlich ist es aber eher umgekehrt. Regulierungen sind sehr stabil. Einmal implementiert, ist ihr Abbau unwahrscheinlich. Zwar können die Gründe für die staatlichen Eingriffe inzwischen entfallen oder zumindest schwächer geworden sein. (Natürlich kommt es auch vor, daß es nie vernünftige Gründe gegeben hat). Dennoch gibt es massive Widerstände, wenn es um den Rückbau dieser Regelungen geht. Die durch die Regulierung geschützten Verhältnisse werden nicht kampflos aufgegeben. Besitzstandswahrung ist das Ziel der Interessengruppen.

Heute dominiert ein Argument die gesamte wirtschaftspolitische Diskussion: Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen. Dieses Argument wird bei jeder Gelegenheit angeführt. Für die Vernichtung von Arbeitsplätzen möchte kein – von Wählerstimmen abhängiger – Politiker verantwortlich sein. Tatsächlich gehen mit der Deregulierung häufig Arbeitsplätze verloren. Der Wettbewerb legt Effizienzpotentiale offen. Die Rechnung ist aber nur vollständig, wenn man die dann (mit Zeitverzug) neu entstehenden Arbeitsplätze dagegenstellt. Berücksichtigt werden muß auch der langfristige Schaden, der durch die Blockade des Strukturwandels entsteht. Diese Zementierung von Strukturen birgt große Gefahr für eine Volkswirtschaft. Sie ist eine wichtige Begründung für Deregulierung.

Zur Zeit hat die Deregulierungsdebatte wieder Aktualität. In Europa und auch der Bundesrepublik wurden die Telekommunikation und die Energieversorgung für den Wettbewerb geöffnet. Post und Eisenbahn werden schrittweise reformiert. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist vor allem der internationale Trend zur Deregulierung.

In Deutschland nahm die Regulierungsdichte über die Jahre ständig zu. Notwendige Reformen konnten nicht realisiert werden. Erst internationale, vor allem europäische Deregulierungsbestrebungen steigerten den Handlungsdruck. Diese Entwicklung deckt sich mit den Erkenntnissen der positiven Theorie. Gut organisierte, potente Gruppen verhindern Reformen, die zu ihren Lasten gehen. Eine Auflösung des Konfliktes wird häufig durch die Verlagerung der Entscheidung zur nächst höheren Ebene erreicht, die dann nicht mehr unmittelbar von den jeweiligen Interessenslagen abhängig sind. Damit läßt sich auch die Bedeutung Europas für die nationale Politikgestaltung ermessen. Entscheidungen werden auf die europäische Ebene verlagert und dort mit etwas mehr Distanz gefällt. Für die einzelnen Regierungen stellen sie daraufhin den übergeordneten Rahmen dar, der nicht ignoriert werden kann. Dies muß dann von den Interessengruppen akzeptiert werden, was auch tatsächlich oft geschieht. Allerdings kann der dafür notwendige Zeitrahmen sehr groß sein.

Aus normativer Sicht führt Regulierung zu einer Verbesserung der volkswirtschaftlichen Allokation. Aus positiver Sicht ist dies nicht zwangsläufig so. Versteht man Regulierung als Ergebnis sozialen Gruppendrucks, bedeutet eine Reform der Regulierung nur, daß sich die Kräfteverhältnisse gewandelt haben und andere Interessen stärkere Beachtung fanden. Durch das Phänomen der Multiregulierung scheinen durchaus Zweifel angemessen, ob manche Deregulierungen diese Bezeichnung überhaupt verdienen. Das alles sollte aber nicht zum Anlaß genommen werden, Bestrebungen in diese Richtung zu unterlassen. Ziel muß es daher sein, die Deregulierung möglichst breit anzulegen, damit die Regulierungsdichte insgesamt aufgelockert wird. Bestehende Regulierungen sollten regelmäßiger geprüft und in ihrer Wirkung beurteilt werden. Neue Eingriffe müßten befristet sein, um ihren Rückbau zu vereinfachen. Auch die Kostenkomponente darf nicht vernachlässigt werden. Die Kosten der Administration und Überwachung sollten zum Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Hier gibt es noch ausreichend Reformbedarf.

8. Die Marktöffnung in der Stromwirtschaft, als Beispiel:

An diesem Beispiel soll ein wichtiger Punkt verdeutlicht werden:
Lockert man die Regulierung in einem Wirtschaftsbereich, hat dies nachhaltige, weit über diesen Sektor hinausgehende Wirkungen. Die Regulierung der angrenzenden Bereiche muß demzufolge auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden. Man kann seine Ziele beibehalten. Aber die Instrumente müssen den aktuellen Gegebenheiten angepaßt werden. Das Beispiel wurde ausgewählt, weil es starke umweltrelevante Bezüge hat und in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurde. Durch die Marktöffnung wird ein Zielkonflikt befürchtet. Der Wettbewerb soll zu sinkenden Strompreisen führen und so die Wirtschaft entlasten. Andererseits gelten gerade höhere Preise als Anreiz, sparsam mit Energie umzugehen. Durch die entgegengesetzte Entwicklung wird die Vernachlässigung ökologischer Belange befürchtet.

a) Ausgangslage

Das Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft (EnWiG) vom 13. Dezember 1935, kurz Energiewirtschaftsgesetz, bildete den Rahmen für die Entwicklung der deutschen Energiebranche. Da die Gemeinden Besitzer ihrer Straßen und Wege sind (mit Ausnahme von Bundesstraßen) können sie sich deren Nutzung entgelten lassen und tun dies mit der so genannten Konzessionsabgabe. Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind aufgrund der Leitungsgebundenheit auf die öffentlichen Wege angewiesen und bezahlen einmal jährlich die an die Absatzmenge gekoppelte Abgabe. Da die Konzessionsabgabe eine beachtliche Größenordnung besitzt, ist diese Einnahmequelle für die Kommunen von erheblicher Bedeutung. Dies um so mehr, als diese Gelder nicht Gegenstand des Länderfinanzausgleichs sind und somit in voller Höhe im kommunalen Haushalt verbleiben. Die Energieversorger haben eine Klausel in den Konzessionsverträgen durchsetzen können, in denen sich die Gemeinden dazu verpflichteten, kein weiteres EVU mit den Wegenutzungsrechten zu bedenken. Dadurch genossen die Unternehmen eine Monopolstellung. Komplettiert wurde der Schutzwall der EVU durch Demarkationsverträge. Bei diesen privatwirtschaftlichen Verträgen verpflichten sich die Vertragspartner, nicht im Versorgungsgebiet des jeweils anderen tätig zu werden (horizontale Demarkation), bzw. sich nicht auf der Wertschöpfungsstufe des anderen zu engagieren (vertikale Demarkation). Weiterhin existierten Verträge, in denen die Erzeugerunternehmen die Belieferung der Verteilerunternehmen untereinander aufteilen. Man spricht von einer mittelbaren Demarkation.

Dieser komplette Monopolschutz wurde durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gedeckt. Hier war die Energiewirtschaft explizit als Ausnahmebereich definiert. Nach §103 GWB waren sowohl Konzessions- als auch Demarkationsverträge zulässig. Die Monopolstellung der EVU wurde aber auch zum Anlaß genommen, von staatlicher Seite regelnd einzugreifen und ihnen zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Die bedeutendsten Interventionen waren:

b) Versorgungspflicht

Demnach müssen alle im Versorgungsgebiet ansässigen natürlichen und juristischen Personen zu den gleichen allgemeinen Tarifbedingungen versorgt werden. Die Wirtschaftsminister der Länder hatten Einfluß auf elementare betriebswirtschaftliche Investitionsentscheidungen wie Neubau von Anlagen, Stilllegungen und selbst auf Erweiterungen und Umbauten.

Bundestarifordnung Sie regelte die Preise für Tarifkunden.

Auch auf den Marktzugang und die Geschäftsbedingungen wurde von der staatlichen Energieaufsicht Einfluß genommen. Eine weitere Verpflichtung beinhaltete das Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz vom 7. 12. 1990. Es verpflichtet die EVU, solchen Strom einzuspeisen und in bestimmter Höhe zu vergüten, wobei eine Untergrenze für diese Zahlungen festgelegt ist.

In der Übersicht sind einige Charakteristika angeführt, die die bisherige stromwirtschaftliche Wettbewerbsfreistellung begründeten. Die langjährige Diskussion hat im Ergebnis jeden dieser Punkte in seiner Bedeutung abschwächen können. Da die EVU ihre Kosten problemlos an ihre Kunden weitergeben konnten und kein Wettbewerbsdruck sie disziplinierte, entwickelte sich ein relativ hohes Preisniveau. Dies ist der wesentliche Kritikpunkt, dem sich die EVU ausgesetzt sahen.

c) Ziel der Deregulierung

Das Ziel der Deregulierung läßt sich relativ einfach auf den Punkt bringen. Durch die Einführung von Wettbewerb geraten die Energieversorger unter Druck, ihre Leistungen auf möglichst effiziente Weise zu erbringen. Sie werden dynamische Unternehmer im Sinne Schumpeters, die möglichst innovative Produkte hervorbringen. Unternehmen, denen dies nicht gelingt, scheiden aus. Resultat sind marktgerechte Preise und Produkte und eine höhere Konsumentensouveränität. Die gesamte Volkswirtschaft profitiert von dieser Entwicklung. Es verbirgt sich hinter der Liberalisierung im Energiesektor also kein spezieller oder gar spektakulärer Gedanke. Denn das ist das Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Ein Bereich der Volkswirtschaft wird lediglich aus seiner Sonderrolle entlassen. Aus Sicht der Betroffenen ist diese Veränderung ungleich spektakulärer. Ihr Selbstverständnis muß neu definiert werden. Die Abhängigkeiten und Kräfteverhältnisse von gestern haben heute keinen Bestand mehr.

d) Ansatzpunkt und Gestaltung der Deregulierung

Am 19. 12. 1996 wurde die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (EIBR) verabschiedet und trat am 19. 02. 1997 in Kraft. Die Umsetzung in nationales Recht der Mitgliedstaaten sollte bis zum 19. 02. 1999 erfolgen. In der EU können nun industrielle Großkunden ihren Lieferanten frei wählen. Die Öffnung des Marktes erfolgt schrittweise und gilt zunächst (bis 1999) für Kunden, die mehr als 40 Gigawatt Strom abnehmen. Das kommt im EU-Durchschnitt einer Öffnung des Strommarktes von 23% gleich. Bis zum Jahr 2003 muß die Öffnung auf 20 bzw. bis 2006 auf 9 Gigawatt ausgeweitet werden. Dies entspräche einer Marktöffnung im EU-Durchschnitt von 28% bzw. einem Drittel. Damit haben die über ein Jahrzehnt dauernden Bemühungen um Deregulierung ein vorläufiges Ende gefunden. In der Bundesrepublik wurde die Umsetzung der Europäischen Richtlinie mit einer Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes vollzogen. Dieses Gesetz ist am 29. 04. 1998 in Kraft getreten und sieht im wesentlichen folgende Regelungen vor:

  • Die bisherigen geschlossenen Versorgungsgebiete bei Gas und Strom werden vollständig abgeschafft. Theoretisch hat damit heute jeder Abnehmer die Möglichkeit, von einem Anbieter seiner Wahl Strom und Gas zu beziehen.
  • Das normale Modell zu dem Netzzugang soll der verhandelte Netzzugang sein. Eine staatliche Regulierung der Zugangspreise erfolgt nicht. Die Verbände der Stromverbraucher und Stromerzeuger wurden ermuntert, sich durch eine Vereinbarung über die Regeln zur Bestimmung von Netzentgelten zu verständigen.
  • Die Vorrangstellung von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbarer Energie wird im Gesetz erwähnt.
  • Es wurden Übergangsbestimmungen für den Schutz der Braunkohle in den neuen Bundesländern getroffen.
  • Die Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft wurden zur getrennten Rechnungslegung verpflichtet.
  • Unabhängig von den Veränderungen des Energiewirtschaftsgesetzes wurde ein allgemeiner Durchleitungstatbestand in die 6. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgenommen. Die Verweigerung der Durchleitung in einem Netz wird zu einem Mißbrauchstatbestand, der explizit im neuen Kartellgesetz definiert ist (§ 19 (4), 4. in der 6. Novelle zum GWB). Diese Gesetzesnovelle ist zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten.

e) Folgen der Deregulierung

  • Was erwarten die Befürworter der Deregulierung?
  • Mit dem Wettbewerb kommt die Aufspaltung der Wertschöpfungskette in ihre einzelnen Glieder. Nach wie vor gibt es zwar integrierte Angebote, doch der Markt teilt sich auf in Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Handel.
  • Der Übertragungs- und Verteilungsbereich behält seinen Monopolcharakter. Auf allen anderen Stufen können sich neue Marktteilnehmer etablieren. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Diese neuen Mitspieler sorgen für verstärkte Konkurrenz. Denn auch die ehemaligen Monopolbetriebe kämpfen nun um Kunden. Der schärfer werdende Erzeugungswettbewerb und die Regulierung der Netzzugangsbedingungen führt zu mehr Effizienz und niedrigeren Preisen.
  • Die Wahlfreiheit der Konsumenten steigt. Innerhalb des europäischen Marktes soll der Einfluß nationaler Grenzen eine zunehmend geringere Rolle spielen, auch wenn es hier noch viele Defizite gibt.

f) Was befürchteten die Gegner einer Liberalisierung?

  • Mehr Effizienz bedeutet vor allem auch weniger Personal. Orientiert man sich an den skandinavischen Ländern, so liegt die Produktivität dort wesentlich höher. Ob und wann die Zahl der abzubauenden Stellen durch neue Geschäftsfelder oder durch neue Unternehmen kompensiert werden kann, ist unklar.
  • Die Schere zwischen politisch Gewünschtem und wirtschaftlich Sinnvollem öffnet sich. Für die meisten kleinen EVU wird der Fremdbezug günstiger als die Eigenerzeugung. Unter Wettbewerbsbedingungen ist die Zukunft umweltfreundlicher Stromerzeugungsoptionen wie Kraft-Wärme-Kopplung und der Nutzung regenerativer Energiequellen ungewiss.
  • Für die Kommunen gibt es nicht mehr viel Grund zur Freude. Die Sorge um ihre Konzessionsabgabe und um den Erhalt kommunaler Mehrheiten steht im Vordergrund.
  • Das Handwerk sieht sich in seinen traditionellen Geschäftsfeldern neuer, vielleicht übermächtiger Konkurrenz gegenüber.

Noch steht die Entwicklung am Anfang. Fundierte Aussagen zu den Folgen der Deregulierung sind erst in einigen Jahren möglich. Allgemein läßt sich festhalten, daß auf lange Sicht die Netzöffnung und alle damit verbundenen neuen Möglichkeiten volkswirtschaftlich viel bedeutender sind als die mit der Deregulierung verbundenen kurzfristigen Preisvorteile. Ein offenes sozusagen „demokratisiertes“ Netz schafft die Voraussetzung für viele neue Optionen der Energieversorgung vom „grünen Strom“ aus erneuerbarer Energie bis zur Nahwärmeversorgung aus kleinen dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Die Netzöffnung ist also eine Art Grundstein für eine zukünftige Energieversorgung.

Weiterführende Literatur:

Deregulierungskommission: Marktöffnung und Wettbewerb, Stuttgart 1991; Hensing, 1./Pfaffenberger, W./Ströbele, W.: Energiewirtschaft. Eine Einführung in Theorie und Politik, München 1998; Koch, L.: Evolutorische Wirtschaftspolitik. Eine elementare Analyse mit entwicklungspolitischen Beispielen, Tübingen 1996; Streit, M.: Theorie der Wirtschaftspolitik, München 1991.

Wirtschaftspolitisches Programm, um den Staatseinfluss in der Wirtschaft zu verringern und mehr Entscheidungsspielräume für die einzelnen Unternehmen zu schaffen. Damit soll ein Beitrag zur Rückgewinnung der Dynamik der Industriewirtschaft geleistet werden. Die Deregulation-Politik erstreckt sich nicht nur auf die Liberalisierung von  Marktregulationen in einzelnen Industriebereichen, sondern bezieht sich allgemein auf den Abbau des Antragswesens, von Genehmigungen, bürokratischen Erschwernissen, Auflagen, Vorbehalten und oft unberechenbaren Nachforderungen. Betroffen sind insb. das Baurecht, das Sozialrecht sowie der Landschafts- und Umweltschutz. Hinter den Bestrebungen, individuelle Entscheidungen durch kollektiv festgelegte Anordnungen zu ersetzen, stand die Vorstellung von der überlegenen Einsicht und dem Weitblick staatlicher Organe. Tatsächlich sind durch die Reglementierungen wesentliche unternehmerische Entscheidungen faktisch auf die staatliche Verwaltung übergegangen, während die finanzielle Verantwortung bei den Unternehmen blieb. Diese schützen sich vor den nicht beherrschbaren Folgen ihrer Aktivität, indem sie auf Initiativen verzichten, Investitionen aufschieben, im Ausland investieren oder von Existenzgründungen absehen. Nach ökonometrischen Schätzungen werden 20 bis 30% der Schattenwirtschaft auf die staatliche Regulierung zurückgeführt. Möglichkeiten der Deregulation bestehen darin, dass Bund und Länder sich auf Rahmenvorschriften beschränken, auf detaillierte, verbindliche Normen verzichten und innerhalb des gesetzten Rahmens individuelle Entscheidungsbefugnisse einräumen.

Weitere Beispiele:

Rechtliche Deregulierung
Regulierung