Ein Phänomen (bildungssprachlich auch Phänomenon, Plural Phänomene oder Phänomena; von altgriechisch φαινόμενον fainómenon, deutsch ‚ein sich Zeigendes, ein Erscheinendes‘) ist in der Erkenntnistheorie eine mit den Sinnen wahrnehmbare, abgrenzbare Einheit des Erlebens, beispielsweise ein Ereignis, ein Gegenstand oder eine Naturerscheinung. Davon abweichend wird mitunter nicht das Wahrgenommene, sondern eine Wahrnehmung selbst als Phänomen bezeichnet. Das entsprechende deutsche Wort lautet Erscheinung. Der Begriff wurde für jegliche Art einer Erscheinung, ursprünglich nur für Lufterscheinungen gebraucht, dann aber von Vertretern des Skeptizismus auf die Metaphysik übertragen und dort gebraucht für das, was den Sinnen erscheint, im Unterschied zu dem Begriff und dem eigentlichen Gegenstand.
Die Wissenschaft:
Die Phänomenologie (von altgriechisch φαινόμενον phainómenon, deutsch ‚Sichtbares, Erscheinung‘ und λόγος lógos ‚Rede‘, ‚Lehre‘) ist eine philosophische Strömung, deren Vertreter den Ursprung der Erkenntnisgewinnung in unmittelbar gegebenen Erscheinungen, den Phänomenen, sehen. Die verschiedenen phänomenologischen Ansätze in der Literatur, der Philosophie oder der Naturwissenschaft unterscheiden sich in der Art, wie sie mit Phänomenen umgehen. Gemeinsam ist ihnen der Anspruch, Phänomene als Erscheinungen eines unmittelbar Gegebenen zu beschreiben. Die Phänomenologie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts maßgeblich von Edmund Husserl geprägt.
Das Wort „Phänomen“ beschreibt schon im Altgriechischen eine Erscheinung (siehe hierzu die Etymologie von Phänomen), womit ein mit den Sinnen wahrnehmbares einzelnes Ereignis gemeint ist. Die Bedeutung solcher Phänomene ist durch die Schule der Skeptiker vorbereitet worden, die sich als Rückschlag auf den metaphysischen Dogmatismus der vorhergehenden philosophischen Schulen wie etwa der des Parmenides von Elea versteht. Der Begriff „Phänomenologie“ oder „phänomenologisch“ geht auf das 18. Jahrhundert zurück und findet sich bei Friedrich Christoph Oetinger (Philosophie der Alten), sowie bei Johann Heinrich Lambert (Über die Methode, die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen, 1762). Dies als Begriff einer Phaenomenologia oder optica transcendentalis. In Lamberts Schrift Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrtum und Schein, Teil 4: Phänomenologie oder Lehre vom Schein (1764) wird die Notwendigkeit einer Lehre vom Schein oder Anschein nebst einer Lehre von den Denkgesetzen und einer solchen von den Zeichen als Instrumente der Wahrheitssuche postuliert.
Kant gebraucht den Begriff ebenfalls zur Benennung einer Lehre von den Grenzen der Rezeptivität. Daraus entstand unter anderem seine Kritik der reinen Vernunft. Des Weiteren steht der Begriff im Werk Hegels, besonders in der Phänomenologie des Geistes, für das werdende Wissen, d. h. die Formen, in denen Gegenstände überhaupt im Bewusstsein erscheinen können, mithin die Gesamtheit der Erscheinungen des Geistes in Bewusstsein, Geschichte und Denken. Die Phänomenologie des Geistes versteht sich als Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins, welches zunächst noch absolute Unmittelbarkeit (bloße sinnliche Anschauung einer vom Subjekt abgespaltenen Wirklichkeit) ist, später zum absoluten Wissen zurückkehrt (in dem das tätige Subjekt und das Objekt zusammenfallen). Hegel zielt damit gegen die naive Annahme der vorkritischen Philosophie, daß der Gegenstand die Erkenntnis bestimmt, aber ebenso auf die Beseitigung der von Kant postulierten Kluft zwischen dem Subjekt der Erkenntnis und ihrem Gegenstand, dem Ding an sich, das von Kant als unerkennbar angesehen und der bloßen Erscheinungswelt zugeordnet wird. Eine wichtige Rolle in diesem Vermittlungsprozess zwischen Subjekt und Objekt spielt – anders, als der neuere Begriff der Phänomenologie suggeriert – die konkrete Tätigkeit des Menschen. Franz Brentano verwendete alternativ den Begriff phänomenologische oder deskriptive Psychologie. Eigenständige philosophische Methode wird die Phänomenologie erst durch Edmund Husserl Anfang des 20. Jahrhunderts.
Immanuel Kant.
Immanuel Kant stellt Phänomen und Ding an sich gegenüber. Während das Ding an sich der Erfahrung und der Erkenntnis unzugänglich ist, affiziert es doch die Sinnlichkeit, aus den so gewonnenen Empfindungen konstruiert das Bewusstsein die Phänomenona als Repräsentationen. Das Ding an sich ist nur indirekt, durch sie, Gegenstand der Erkenntnis, es ist uns nur als Noumenon, als gedanklich angenommene Ursache unserer Empfindungen, bewusst. Da auch das Subjekt für sich selbst ein Noumenon darstellt, sind für Kants Philosophie die Phänomene real. Den Teil der Naturtheorie, welcher die Bewegung oder Ruhe der Materie bloß als solche Erscheinung der äußeren Sinne bestimmt, nennt Kant Phänomenologie.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel.
Auch Hegel nimmt in ähnlichem Sinne diesen Ausdruck auf, wenn er die Darstellung der Erscheinungsweisen des Geistes in seiner stufenweisen Heranbildung zum in sich vollendeten Wesen eine Phänomenologie des Geistes nennt.
Edmund Husserl.
Edmund Husserl entwickelt eine Phänomenologie, die zwar zunächst davon ausgeht, dass das Phänomen bloß Zugang zu den Sachen selbst ist, allerdings eine starke transzendentale Wende nimmt und die Erscheinung selbst sowie ihre allgemeinen Erkenntnisbedingungen zum Gegenstand nimmt.