Die Plastizität (Physik) oder plastische Verformbarkeit (in Kunst und Kunsthandwerk auch Bildsamkeit) beschreibt die Fähigkeit von Feststoffen, sich unter einer Krafteinwirkung nach Überschreiten einer Elastizitätsgrenze irreversibel zu verformen bzw. umzuformen (zu fließen) und diese Form nach der Einwirkung beizubehalten. Unterhalb der Fließgrenze treten keine oder nur elastische Deformationen auf. In der Praxis treten diese Effekte aber immer gemeinsam auf. Duktilität wird auch synonym zu Plastizität gebraucht, womit diese Begriffe nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden können.

Mikroskopisch wird die plastische Verformung von kristallinen Festkörpern (Metallen) anhand der Versetzungstheorie beschrieben. Es ist eine geringere Scherkraft erforderlich, um eine plastische Verformung hervorzurufen, indem einzelne Defekte (Versetzungen) durch den Festkörper wandern, als sämtliche Atomreihen gleichzeitig zu bewegen. Als Analogie wird oft ein großer Teppich betrachtet, der nur um ein kleines Stück verschoben werden soll. Dies ist sehr kraftsparend möglich, indem eine kleine Falte durch den Teppich getrieben wird, statt den gesamten Teppich auf einmal zu verschieben.

Hohe Plastizität:

Geringe Plastizität:

  • Ein Gummiband ist sehr elastisch und kehrt daher nach Lastrücknahme zu seiner ursprünglichen Form zurück.
  • Keramiken brechen meist spröde ohne plastische Verformung.

Plastizität w [von griech. plastikos = formend], 1) phänotypische Plastizität, Fähigkeit von Lebewesen, unter verschiedenen Umwelteinflüssen ihre morphologischen, physiologischen, ökologischen und/oder ethologischen Eigenschaften individuell so zu modifizieren (Modifikation), daß sie den herrschenden Umweltbedingungen angepaßt sind (Anpassung, Adaptation). Im Gegensatz zum genetisch fixierten Polymorphismus liegen diesen Merkmalen Genotypen zugrunde, welche die Entwicklung oder Expression im individuellen Organismus adaptiv verändern können. Arten mit geringer Plastizität nennt man stenoplastisch, solche mit großer Plastizität euryplastisch. – Unter neuronaler Plastizität bzw. Neuroplastizität versteht man die funktionelle und strukturelle Anpassungsfähigkeit des Nervensystems an besondere Umgebungs- und Lebensbedingungen.

Peripheres Nervensystem und Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark) bilden ein „dynamisches Organ“, das sich innerhalb eines genetisch vorgegebenen Rahmens an die Erfahrungen, Interessen und Übungen seines Besitzers anpassen kann. Die vielfältigen Funktionen, die von Nervensystemen und Gehirnen ausgeübt werden, basieren auf der Spezifität der Architektur des Nervengewebes. Nervenzellen eines bestimmten Typus in einer bestimmten Hirnregion haben Dendriten mit charakteristischer Gestalt, senden ihre Axone zu genau bestimmbaren Zielgebieten, erhalten synaptische Eingänge einer typischen Population anderer Neurone und zeigen eine charakteristische Ausstattung neuroaktiver Moleküle (Neurotransmitter, Rezeptoren).

In dieser Vorhersagbarkeit molekularer Ausstattung, Morphologie und Konnektivität tritt die neuronale Spezifität in Erscheinung. Ihr steht die neuronale Plastizität gegenüber, welche die unvorhersagbaren Aspekte cerebraler Architektur benennt. Das Ausmaß plastischer Prozesse im Gehirn wurde lange unterschätzt (Neurobiologie, Geschichte der), obwohl Beobachtungen vorlagen, nach denen Mensch und Tier sensorische und motorische Leistungen durch Übung verbessern können, daß man sich an den Verlust von Sinnesfunktionen anpassen oder sogar von Hirnverletzungen genesen kann. Wenn es die Umstände erfordern, können plastische Prozesse auf allen Ebenen der Organisation des Nervensystems stattfinden: in Volumenveränderungen bestimmter Regionen, in Verschiebungen innerhalb topographischer Hirnkarten (Cytoarchitektonik), in der Rückbildung oder Umleitung axonaler Projektionen, im Auswachsen oder Zurückziehen von Dendriten, in der Umbildung synaptischer Kontakte (Synapsen), in Zelltod (Apoptose), Zell-Proliferation (Mitose) und molekularen Veränderungen der verschiedensten Art.

Bei Säugetieren und dem Menschen ist das plastische Potential bis zur Geschlechtsreife deutlich größer als danach, bleibt aber zeitlebens bestehen. Das Phänomen der Neuroplastizität umfaßt die dem Lernen zugrunde liegenden hirnorganischen Prozesse (Langzeitpotenzierung). Frühförderung, Gesangsprägung, Glutamatrezeptor-Kanäle, Kandel (E.R.), kindliche Entwicklung, MARCKS, Neurolab, neuronale Netzwerke. Polyphänismus, Reaktionsnorm.


Ökologische Plastizität, die ökologische Potenz.

Ökologische Potenz w [von latein. potentia = Macht, Vermögen], ökologische Toleranz, ökologische Plastizität, ökologische Reaktionsbreite, Fähigkeit einer Organismenart, in bestimmten Bereichen eines oder mehrerer Umweltfaktoren (ökologische Faktoren) über längere Zeit zu existieren. Die ökologische Potenz kann aus der Verteilung der Art im Freiland, aber auch aus (möglichst naturnahen) Experimenten (u.a. Freilandexperimente) erschlossen werden. Die untere Existenzgrenze ist das Minimum, die obere das Maximum ( ö vgl. Abb. ), nahe den Grenzen werden oft Starrezustände (z.B. Kältestarre, Wärmestarre) beobachtet. Die ökologische Potenz ist kein starres Kennzeichen der Art, sondern kann im Zusammenhang mit individueller Variabilität, Kondition, Entwicklungsstadium, Akklimatisation und kompensatorischer Wirkung anderer Faktoren unterschiedlich sein. Außerdem ist die Länge der Expositionszeit (Exposition) im Experiment wichtig. Im Verbreitungszentrum ist die ökologische Potenz oft größer als in Randgebieten. Im übertragenen Sinne können ökologische Potenzen auch für Aktivität, Fortpflanzung, Entwicklung usw. angegeben werden. Kardinalpunkte, Lebensansprüche, ökologische Nische, ökologische Valenz.