Scham Herkunft:

Geht über mhd. scham(e), ahd. scama auf germ. *skamo „Schande, Beschämung“ zurück; nur im Deutschen entwickelte sich die Bedeutung „Schamgefühl“ und das Verständnis des Begriffs als verhüllende Bezeichnung für die Geschlechtsteile; die genaue Herkunft ist nicht sicher geklärt; die Bildungen schamlos und unverschämt bedeuten beide „ohne Schamgefühl“ und stammen etwa aus mittelhochdeutscher Zeit.


Religiöse Muster und Akzente.

Für Abrahamitische Religionen (Judentum, Christentum, Islam) führt das Bewusstsein, gegen göttliche Weisung verstoßen zu haben, zu Scham. So empfanden Adam und Eva ihr Nacktsein plötzlich als unangemessen: „Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.“(Gen 3,7 EU) Während der schamfreie Urzustand die Gemeinschaft mit Gott kennzeichnete, war die Scham hier keine Tugend wie in der antiken Vorstellung, sondern eine Signatur der „Krankheit“, die zur Vertreibung aus den Paradies führte. Das Motiv der Scham setzt sich fort, als ihr erster Sohn Kain seinen Bruder Abel im Affekt tötete, nachdem er von Gott beschämt wurde, der sein Opfer ignorierte:

„Der Herr schaute auf Abel und seine Gabe, aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht. Da überlief es Kain ganz heiß und sein Blick senkte sich.“(Gen 4,4 EU) Für seinen Brudermord wird er von Gott mit dem Kainsmal gezeichnet, das seine Tat für alle sichtbar macht und damit zum Stigma wird. Auch Noah handelte aus Scham und verfluchte seinen jüngsten Sohn Ham, weil dieser ihn nackt gesehen hatte: „Als Noah aus seinem Weinrausch erwachte und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte, sagte er: Verflucht sei Kanaan. Sklave der Sklaven sei er seinen Brüdern!“(Gen 9,24 EU) Somit stehen drei Schamgeschichten gleich in den Anfängen der Schöpfungsgeschichte. Michael Klessmann kritisiert, dass dieser Aspekt in der christlichen Anthropologie kaum wirkungsmächtig geworden ist.

Stattdessen habe sich die Theologie vorwiegend mit der Schuld des Menschen befasst und Sünde als Schuld interpretiert. Die Scham wurde weitgehend außen vor gelassen und führte zu einer „Anthropologie, die den Menschen einseitig von den Phänomenen der Sünde und der Schuld – und damit von seinen Taten her zu verstehen sucht“. In den Evangelien gipfeln verletzte Schamgefühle in der öffentlichen Entehrung und Kreuzigung Jesu, der mit den Initialen INRI als Jesus von Nazaret, König der Juden verspottet wird. Nach der Auferstehung schämt sich Petrus dafür, Jesus dreimal verleugnet zu haben.


Das Schamgefühl gehört zu den bei allen Menschen auftretenden Affekten. Auslöser für Schamgefühle können innerseelische Vorgänge sein, wie zum Beispiel der Eindruck von Peinlichkeit oder Verlegenheit, aber auch die Bloßstellung oder Beschämung durch andere Menschen in Form von Demütigungen oder Kränkungen. Gehen sie mit vegetativen Begleiterscheinungen einher, wie beispielsweise dem Erröten, sind Schamgefühle auch für Außenstehende wahrnehmbar.

Die Fähigkeit, Scham zu empfinden, gilt als angeboren. Im zwischenmenschlichen Kontakt kommt es (insbesondere durch Lernen am Modell) zu einer Ausdifferenzierung. Die Anlässe für ein Schamgefühl variieren zwischen sozialisations- und kulturbedingten, sowie entsprechend der individuellen Veranlagung und der aktuellen Befindlichkeit. Dasselbe gilt für die Intensität der Empfindung, die sich redensartlich vom „peinlichen Berührtsein“ bis zum „Im-Boden-Versinken“ erstrecken kann.

Beschämungen und Schamgefühle sind nicht allein individuelle Phänomene, sondern werden auch in mehr oder minder großen sozialen Gruppierungen verursacht und erlitten. Die damit verbundenen Kränkungen des Selbstwertgefühls erzeugen ein breites Spektrum unterschiedlicher Reaktions- und Verarbeitungsweisen. Der Erforschung und Deutung, teils auch der Behandlung von Schamgefühlen, widmen sich eine Reihe sozial-, geistes- und naturwissenschaftlicher Disziplinen – weiterlesen in Wikipedia.