Der Begriff Sehnsucht beschreibt es ein ungestilltes, inniges und schmerzliches Verlangen nach etwas oder jemandem. Sie ist Ausdruck einer grundsätzlichen Unzufriedenheit. In dem Gefühl steckt ebenso eine tiefe Leidenschaft, die Leiden schafft. Ein starker Wunsch nach Veränderung, der sogar die Form einer peinigenden Krankheit annehmen kann. Sehnsucht (vom mittelhochdeutschen „sensuht“) der hohe Grad eines heftigen und oft schmerzlichen Verlangens etwas, besonders wenn Hoffnung zu kurz interpretiert wir oder wenn die Erlangung ungewiss, noch entfernt ist.
Sehnsucht sucht den ständigen Vergleich. Das Gefühl richtet den Wunsch nach vorn oder hinten oder hadert mit der Gegenwart, dem Hier und Jetzt. Während das „Kreative Kind/Erwachsene Ich“, die Erfüllung seiner Sehnsucht in einer möglichen Zukunft sucht, blickt das „Weinende Kind/Eltern Ich“ wehmütig in die Vergangenheit – und sagt „Traurig grüßt der, der „Ich Bin“, den, der Ich hätte Sein können. Beiden gemeinsam ist der Wunsch, den Ist-Zustand zu verändern und zu verbessern. Zugleich schwingt im Begriff „Sehnsucht“ immer Traurigkeit mit – verbunden mit der Anstrengung tiefer zu graben, um die Freude zu finden – „Digging in the Dirt and looking for Gold“.
Sehnsüchte können das Bewusstsein für die wirklich wichtigen Dinge schärfen. Viele kennen beispielsweise ein starkes Fernweh. Den unbändigen Wunsch, in ein anderes Land zu reisen, sich woanders aufzuhalten oder niederzulassen. Die Motivation dafür kann völlig unterschiedlich sein. Manche treibt die Abenteuerlust: Wie ist das Leben an fremden Plätzen? Andere sind unzufrieden im eigenen Land und haben mangelnde Perspektiven. Auch im Job oder in der Partnerschaft weist Sehnsucht neue Wege. Sie offenbart uns ein tiefes Bedürfnis und gibt uns so die Chance, daraus konkrete Ziele abzuleiten: Eine berufliche Neuorientierung zum Beispiel.
In der griechischen Mythologie ist Himeros der Gott der liebenden Sehnsucht, der mit Eros in Begleitung von Aphrodite zu finden ist. Eine mythische Erklärung der Sehnsucht bietet der Mythos von den Kugelmenschen, den der Philosoph Platon in seinem fiktiven, literarisch gestalteten Dialog Symposion (Das Gastmahl) erzählen lässt. Der Erfinder des Mythos ist Platon selbst, doch hat er alte mythische Motive verwertet. Der Kerngedanke kommt auch in außereuropäischen Mythen vor. Platons fiktiver Erzähler ist der berühmte Komödiendichter Aristophanes, der ebenso wie die anderen Teilnehmer des Gastmahls, von dem der Dialog handelt, eine Rede über den Eros hält. Dem Mythos zufolge hatten die Menschen ursprünglich kugelförmige Rümpfe sowie vier Hände und Füße und zwei Gesichter auf einem Kopf. In ihrem Übermut wollten sie den Himmel stürmen. Dafür bestrafte sie Zeus, indem er jeden von ihnen in zwei Hälften zerlegte. Diese Hälften sind die heutigen Menschen. Sie leiden unter ihrer Unvollständigkeit; jeder sucht die verlorene andere Hälfte. Die Sehnsucht nach der einstigen Ganzheit zeigt sich in Gestalt des erotischen Begehrens, das auf Vereinigung abzielt. Manche Kugelmenschen waren rein männlich, andere rein weiblich, wiederum andere – die Androgynoi – hatten eine männliche und eine weibliche Hälfte. Die rein männlichen stammten ursprünglich von der Sonne ab, die rein weiblichen von der Erde, die androgynen vom Mond. Mit dieser unterschiedlichen Beschaffenheit der Kugelmenschen erklärt Platons Aristophanes die Unterschiede in der sexuellen Orientierung.