Ehrlichkeit ist das bewusste Annehmen der Dinge, wie sie sind.
Wenn du aber die Zustände auf der Welt in ihrem So-Sein annimmst, wie sie zurzeit sind, dann kannst du auch genau hinschauen und Details finden, die du ändern kannst. So kannst du einen kleinen Beitrag leisten und die Welt nach deinen Vorstellungen anfangen zu ändern. Erst ein einfaches Ja zu dem, was ist, beinhaltet die Möglichkeit, etwas zu verändern. Wer nur will, dass die Dinge anders sein sollten, nimmt sich aus der Verantwortung und sonnt sich in seiner kritischen Ablehnung. Ehrlichkeit hilft dabei, tief liegende Muster und Verhaltensweisen zu identifizieren und zu verstehen, anstatt sie zu verbergen oder zu verdrängen. Es ermöglicht es uns auch, Verantwortung für unsere Handlungen und Gedanken zu übernehmen und uns bewusst zu entscheiden, wie wir in Zukunft damit umgehen wollen.
Zudem kann Ehrlichkeit auch in Beziehungen von großer Bedeutung sein, da es uns hilft, authentisch und transparent zu sein und dadurch Vertrauen und tiefere Verbindungen aufzubauen. In der sogenannten Schattenarbeit geht es letztendlich darum, sich selbst und andere besser zu verstehen und zu akzeptieren, und Ehrlichkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. In der Schattenarbeit geht es darum, die eigenen tief liegenden Gedanken, Gefühle und Verhaltensmuster zu erkunden und zu verstehen, um dann bewusster und authentischer leben zu können. Ehrlichkeit ist hierbei ein wichtiger Faktor, da es nicht möglich ist, die eigene Schattenarbeit effektiv zu betreiben, wenn man nicht bereit ist, ehrlich zu sich selbst und zu anderen zu sein.
EHRLICH ZU SICH SELBST SEIN BEDEUTET …
So verhält es sich auch mit der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Wir können nur ehrlich mit uns sein, wenn wir bereit sind, uns zu nehmen, wie wir sind. Wenn wir keine unerwünschten Eigenschaften mehr leugnen oder ignorieren wollen. Wenn wir bereit sind, unsere ungeliebten Anteile, unsere Schattenseiten, unsere ungesehenen Bedürfnisse und Gefühle anzunehmen. Ehrlichkeit sich selbst gegenüber erschöpft sich nicht in einer Aussage wie etwa „Ich mag meine Schwiegermutter nicht“, sondern sie setzt einen Prozess in Gang, in dem man sich selbst erforscht und untersucht, was diese Ablehnung bedeutet. Woher sie kommt und was genau hinter ihr steckt. Ehrlichkeit zu sich selbst ist manchmal eine schmerzliche Nabelschau. Es ist kein Kokettieren mit pseudo-charmanten Eigenschaften, die man gelegentlich hinauslässt: „Ach, ich bin so blöd!“ oder „So ungeschickt kann auch nur ich sein!“
Keine Masche leben.
Ehrlich zu sich selbst sein bedeutet nicht nur, unsere besonderen Fähigkeiten herunterzuspielen und mit Bescheidenheit zu kokettieren. Und es reicht auch nicht, ausgesuchte Fehler und Mängel werbewirksam an den Pranger zu stellen, um von Freunden und Bekannten das Gegenteil zu hören. Das ist nur eine Masche, die zur rechten Zeit und am rechten Ort wirksam zur Schau gestellt wird. Echte Ehrlichkeit zu sich benötigt kein Publikum. Sie ist eine Verpflichtung uns selbst gegenüber, unserer Persönlichkeit und Authentizität. Sie lebt ohne Vergleich und ohne Show. Eine geeignete Methode, seiner Ehrlichkeit mehr Raum zu geben, ist das automatische Schreiben. Jeden Tag – in einem geschützten Rahmen – etwas mehr die Hosen herunterlassen. Ehrlichkeit hat eben auch viel mit Mut zu tun. Wenn du das automatische Schreiben nutzt, um dich selbst besser kennenzulernen, hörst du auf in den Spiegel zu blinzeln, sondern schaust dich mit großen Augen an. Manchmal vor Glück, manchmal vor Entsetzen.
WIDERSPRÜCHLICHKEIT.
Ehrlichkeit sich selbst gegenüber ist mehr als nur die Bereitschaft zu mehr Wahrhaftigkeit. Es fordert auch ein bisschen anderes Denken. Wir alle sind widersprüchliche Wesen – was uns oft nicht gefällt. Es ist uns wichtig für klar, eindeutig und zuverlässig gehalten zu werden. So wie wir es auch von anderen Menschen erwarten. Doch zu unserem Leidwesen sind wir oft uneindeutig, zwiespältig, unentschlossen, unzuverlässig; egal, wie sehr wir uns ums Gegenteil bemühen. Und dort, wo wir unsere Widersprüchlichkeit wahrnehmen, ignorieren oder verleugnen wir sie. Im Gespräch streiten wir es ab. Widersprüchlichkeit kommt uns vor wie missraten erzogen. Wir optimieren uns Richtung Berechenbarkeit und verwechseln es mit Zuverlässigkeit. Perfekt in jeder Hinsicht, dem Funktionieren näher als dem Leben. Leben ist ein einziges Auf und Ab, Hin und Her – und genau das macht es bunt und lebendig. Wenn wir es gegen jede Widersprüchlichkeit planieren, verlieren wir genau diese Vielfalt auch in unserem eigenen Leben. Aus virtuoser Komplexität wird schnörkellose Funktionalität. Nun … wer’s mag.
LEBEN IST VOLLER WIDERSPRÜCHE.
Unser Geist duldet keine Gegensätzlichkeit. Er hasst Überraschungen, und so begradigt er die Schlenker des Lebens, wo er nur kann. Jeder kennt die Redewendung: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Aber kaum einer nimmt sie sich zu Herzen in dem Sinne, dass er die Unberechenbarkeiten des Lebens mehr würdigt statt sie mit aller Macht „wegzuplanen“. Wer glaubt, dass das Leben linear verläuft und dass es keine Widersprüche geben darf, der befindet sich auf verlorenem Posten. Der wird konstant an sich und anderen Menschen ihre Widersprüchlichkeit sehen und sie sich und anderen Menschen vorwerfen. Wir Menschen sind mit einem arbeitenden Organ namens Hirn ausgestattet. Es arbeitet komplex und nicht linear. Wer mehr Geradlinigkeit in seinem Leben erwartet, für den ist komplexes Verhalten immer kompliziertes Verhalten – Quelle.