Update: 05. August 2021

BGH-Urteil zu Cum-Ex-Geschäften: Kriminelle Steuertricks.

Die Cum-Ex-Geschäfte sind nichts anderes als Steuerhinterziehung und damit strafbar, bestätigt der BGH. Etlichen Beteiligten droht nun Gefängnis.

Die so genannten Cum-Ex-Geschäfte waren strafbar. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Mittwoch in einem Grundsatzurteil bestätigt. Damit müssen Hunderte Banker und andere Beteiligte mit einer baldigen Verurteilung rechnen. Beim Cum-ex-Skandal geht es um Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Die Beteiligten ließen sich Kapitalertragssteuer zweimal erstatten, obwohl sie nur einmal bezahlt wurde. Komplexe Aktienverkäufe rund um den Dividendenstichtag tarnten den Trick. Die Täter hatten damit dem Fiskus rund 10 Milliarden Euro Schaden verursacht. Mitbeteiligt waren Anwälte, Investment-Profis und Banken.

Die Beteiligten hätten ganz genau gewusst, dass sie kriminell handeln, so der Richter.

In einem Pilotprozess hatte das Landgericht Bonn im März 2020 zwei junge Londoner Investmentbanker verurteilt. Martin Sh. erhielt wegen Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Bei Nick D. betrug die Bewährungsstrafe ein Jahr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Der Haupttäter Sh. hatte in Zusammenarbeit mit der Hamburger Warburg-Bank in den Jahren 2007 bis 2011 einen Schaden von 166 Millionen Euro angerichtet und in Zusammenarbeit mit speziell gegründeten Fonds einen Schaden von weiteren 225 Millionen Euro. Verglichen damit war die Bewährungsstrafe für Sh. sehr milde. Doch damit wurde belohnt, dass Sh. und D. die Aufklärung maßgeblich unterstützt und auch vor Gericht umfangreich über die Machenschaften ausgesagt hatten.

„Griff in die Steuerkasse“

Der BGH bestätigte nun das Bonner Urteil in vollem Umfang. Die Verteidigungslinie der noch nicht geständigen Täter, man habe doch gar nichts Verbotenes gemacht, ist damit endgültig nicht mehr haltbar. „Es gab hier weder ein legales Steuergestaltungsmodell noch das zulässige Ausnutzen einer Gesetzeslücke“, betonte der Vorsitzende BGH-Richter Rolf Raum. Er sprach vielmehr von einem „Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler einzahlen“.

Die Beteiligten hätten auch genau gewusst, dass sie kriminell handeln, so Raum. „Die Geschäfte machten wirtschaftlich gar keinen Sinn“, betonte der Richter. Profite hätten sich nur ergeben, indem die Steuer­erstattung doppelt kassiert wurde. Die Beteiligten hätten auch vorab vereinbart, wie die erzielten Profite verteilt werden. Raum zitierte einen Insider: „Alle Fakten haben auf dem Tisch gelegen“.

Bei Martin Sh. hatte das Landgericht Bonn die Einziehung von Profiten in Höhe von 14 Millionen Euro angeordnet, bei der Warburg-Bank von 166 Millionen Euro plus 10 Millionen erwirtschafteter Zinsen. Beides bestätigte nun der Bundesgerichtshof. Eine mögliche Verjährung der steuerrechtlichen Rückforderung stehe dem nach einer Gesetzesänderung von Ende 2020 nicht mehr entgegen.

Banken mitverantwortlich:

Die Warburg-Bank hatte sich insbesondere darauf berufen, dass sie gar nichts Böses geahnt habe. Darauf komme es bei der Vermögensabschöpfung nach Straftaten aber gar nicht an, betonte der BGH. Es genüge, dass Martin Sh. „für die Bank“ gehandelt habe.  Abgelehnt wurde allerdings auch die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie wollte, dass die Warburg-Bank die 176 Millionen Euro allein bezahlen muss. Es bleibt nun aber bei der vom Landgericht Bonn angeordneten „gesamtschuldnerischen Haftung“. Das heißt, Einziehungen bei Martin Sh. und anderen Beteiligten reduzieren den Betrag, den die Bank zahlen muss.

Mit diesem Grundsatzurteil dürfte sich die juristische Aufklärung des Cum-Ex-Skandals nun deutlich beschleunigen. Allein bei der Staatsanwaltschaft Köln, wo die federführende Anklägerin Anne Brorhilker seit 2013 die Dinge vorantreibt, laufen über 60 Ermittlungsverfahren mit 900 bis 1.000 Beschuldigten. Nachdem der BGH die Rechtslage nun rechtskräftig festgestellt hat, dürfte es für viele Beschuldigte naheliegen, Geständnisse abzulegen und auf eine relativ milde Strafe zu hoffen. Bewährungsstrafen dürften nun aber nicht mehr die Regel sein, weil die Aufklärung weitgehend geleistet ist.

Am 1. Juni wurde beim Landgericht Bonn zum ersten Mal ein Banker verurteilt. Der Ex-Generalbevollmächtigte der Warburg-Bank erhielt eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Staatsanwältin Brorhilker fand auch das noch zu milde und legte Revision zum BGH ein, über die erst in einigen Monaten entschieden wird. Einer der Haupttäter, der Anwalt Hanno Berger, der sich viele der Cum-Ex-Modelle ausgedacht hatte, sitzt derweil in der Schweiz in Auslieferungshaft. Seine Auslieferung nach Deutschland hängt davon ab, ob Schweizer Gerichte die Cum-Ex-Tricksereien als Betrug einstufen. Wegen Steuerhinterziehung liefert die Schweiz niemand aus. Das BGH-Urteil brachte hierzu keine neuen Erkenntnisse.


CumEx und wie es wirklich entstand am Sonntag, dem 14. März 2021.

In diesen Charts fehlen zwei wichtige Mitspieler und deshalb springt die Staatsanwaltschaft zu kurz!
Diese beiden Bilder und deren zugehörige Artikel verfügen nicht über das vollständige Know-How.

Die Grundlage von CumEx ist der § 5 Körperschaftssteuer-Gesetz, der die Befreiung
von der Körperschaftssteuer im Detail regelt.Wer hier einen blinden Fleck hat, kann CumEx nicht verstehen.

Von der Körperschaftssteuer sind u.a. Lebensversicherungen befreit – siehe Auflistung.

Im Kontext von CumEx, sind alle Versicherungsgesellschaften, die sich an die steuerlichen Spielregeln halten, steuerbefreit! Wer sich für die Spielregeln interessiert kann mir gerne eine Mail schreiben.
Diese Tatsache war später (ca. 1999) die kreative Geburtsstunde vom Dividenden-Stripping und nach dem BFH-Urteil von CumEx.
Wenn Sie sich also Mal gewundert hatten, warum Lebensversicherungen unter bestimmten Voraussetzungen, für alle, die ihre Lebensversicherung vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen haben, zu den glücklichen Steuerbefreiten gehörten, dann liegt der Grund in der Steuerbefreiung der Lebensversicherungen. Denn bis zum 31.12.2004 waren die Erträge aus Ihrer Lebensversicherung in der Regel für Sie ebenfalls steuerfrei.
Seit dem 1.1. 2005 hat sich für die Lebensversicherungen nichts geändert, doch für Sie als Kunden. Sie dürfen am Ende der Laufzeit die Abgeltungssteuer bezahlen, die die
Versicherung direkt abzieht und an das Finanzamt für Sie bezahlt.Es gab keine „Volks-Empörung“, da es wohl keinem bewußt war, dass die „Schröder-Regierung ihren Wählern ein Ei ins Nest gelegt.
Doch vielleicht hat Gerhard Schröder im September 2005, getrieben von seinem schlechten Gewissen, die Vertrauensfrage gestellt – mit internem „Fallschirm“ von Freund Wladimir Putin?!

Ein Blick in die Geschichte der politischen Ähnlichkeiten:
In Deutschland spricht man von einer Vertrauensfrage im Sinne von Art. 68 Grundgesetz (GG), wenn der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin beim Bundestag den Antrag stellt, ihm das Vertrauen auszusprechen. Die Vertrauensfragen von Helmut Kohl 1982 und Gerhard Schröder 2005 nutzten diesen Spielraum der Verfassung in einer Weise, die von den Gründungsvätern so nicht vorgesehen war.
Beide Kanzler hatten die Mehrheit im Bundestag und stellten dennoch die Vertrauensfrage, um über eine Abstimmungsniederlage die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen zu erreichen. Was Helmut Kohl 1982/83 gelang, erreichte Gerhard Schröder 2005 nicht. Die Regierung Schröder wurde im November 2005 von der Regierung Merkel abgelöst. 

Die sich durchziehende Gesetzgebung lautet:
Wer keine Steuern zahlt, kann auch die indirekt bezahlte Quellensteuer auf Dividenden nicht zurückerstattet erhalten.
Für die Versicherungen bedeutete dies, die Entscheidung zwischen Erhängen und Erschießen.
Das liegt daran, dass sie zwar in Aktien (ca. 25%) investieren dürfen, doch nur mündelsicher, z.B. in die „Deutsche Telekom“ ???! Anders als ihre Konkurrenten z.B. in England. Darüber hinaus müssen die „Deutschen Versicherungsgesellschaften“ für ihre Tarife einen langfristigen (mind. 12 Jahre)Ertragsplan vorlegen, den das Bundesaufsichtsamt, nach einer Plausibilitätsprüfung, genehmigen muß.

Handschellen“, wohin das Auge blickt!
So war die kreative Börsen-Makler-Idee des „Dividenden-Stripping“ ein Segen für die Versicherungsgesellschaften, bevor der BFH diesem „Treiben“ mit einem kurzen und bündigen Wortlaut wieder „Handschellen“ angelegt hat.
Doch wie schon am Anfang mit anderen Worten betont und ausgeführt:
Gefahr macht erfinderisch oder in „Todesangst kreiere ich die besten Ideen“!
Hier nun liegt der „Hase im Pfeffer begraben“ oder auch der „Casus Knacktus“ genannt.
Doch im Kontext von CumEx ist es eher das „hüpfende Komma“, denn der „springenden Punkt“.

Das „hüpfende Komma“.

Erst haben die Versicherungsgesellschaften zwei Tage vor dem Dividendentermin ihre Wertpapiere an Banken verliehen, weil verkaufen kam für die Versicherung nicht infrage, nachdem sie sich auf André Kostolany eingestimmt hatten.
Der Verkauf der Aktie wurde dann doch notwendig, als der BFH den genialen Satz eingebaut hat.
Das BGB unterscheidet zwischen Besitzer (Wertpapierleihe) und Eigentümer der Aktie. Das Steuerrecht ist sozusagen ein Derivat (Ableitung) des BGB.
Die Versicherung und Banken hatten und haben den gleichen Stallgeruch, auch wenn sie sonst in Konkurrenz, um den Kunden kämpfen. Denn: In der Not frißt der Teufel Fliegen“.
So wurde, getrieben vom BFH, aus der „Fliege eine Kröte“.
So vertrauen die Versicherungen nur großen Banken, die in Deutschland zumindest eine Niederlassung unterhalten – Bonität ist King – auch wenn es sich um den „geliebten Feind“ handelt.
So sind die Verträge im wahrsten Sinn „wasserdicht“ mit Vertrauen NULL KOMMA NULL!
Wobei ich beim „hüpfenden Komma“ angekommen bin.
Nach meinen internen Schätzungen investieren die Versicherungen mehrere Billionen Euro in Aktien-Gesellschaften und erhalten mindestens 100 Milliarden Dividenden pro Jahr.
Nach vorsichtigen Schätzungen liegt der Steuer-Schaden zwischen 33 und 55 Milliarden.

Doch wie kommt der Schaden überhaupt zustande? Wenn also an der Quelle besteuert wird, führt die Aktiengesellschaft die Steuer aus der Dividende direkt an sein Finanzamt ab.Die Banken und deren „freien Mitarbeiter“ Rechtsanwälte, Börsenhändler, Makler & Co., haben extra für diesen Zweck neue GmbHs gegründet.
Diese GmbHs müssen ein Konto bei der Bank führen, die einen „Wertpapiervertrag“ mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hat. Motto: Alles unter Kontrolle!

Nun der Trick und das Tor für die Lüge und den Betrug.

  1. So große Summen an der Börse gehandelt, „versaut“ die genau zu kalkulierende Party.
    Denn die Kurse sollen auf gar keinen Fall durch Volumen beeinflußt werden.
  2. Darüber hinaus gilt, wer keine Steuern bezahlt, erhält auch keine Steuern zurück.
  3. Doch wer will dieses Geschäft in seiner etablierten und solventen GmbH haben.
  4. Also gibt es einen Zwischentrick.
    Die CumEX GmbH (ist der einzige Geschäftszweck) kauft eine Verkaufsoption (englisch put option, deshalb auch die Bezeichnungen Put-Option.
    Diese Put-Option spekuliert darauf, dass die CumEx-Aktie im Kurs fällt.
    Doch ist dies keine echte Spekulation, da die CumEx GmbH-Geschäftsführer schon zwei Tage vorher wissen, dass die Aktie fällt!
  5. Woher sie das Wissen? Ganz einfach:
    Eine Aktie fällt immer um den Betrag der Dividendenauszahlung!
    Der angegebene Börsenkurs trägt den Hinweis ex Div.
  6. Der Put-Gewinn muß versteuert werden, somit fällt reguläre Körperschaftssteuer an. Im Gegensatz zur Versicherungsgesellschaft, die steuerbefreit ist.
  7. Die Dividende wurde direkt an der Quelle besteuert und stellt somit eine Körperschaftssteuer-Vorauszahlung in der GmbH-Steuererklärung dar.
  8. Die GmbH Körperschaftssteuer wird in der Steuererklärung mit der Vorauszahlung verrechnet und übrig bleibt die Liquidität vom Finanzamt – steuerfrei versteht sich.
    Rechenbeispiel:
    €   10.000,- Gewinn durch die Put-Option
    € 1.000.000,- Steuervorauszahlung durch die Quellenbesteuerung.
  9. So entsteht in der GmbH eine Liquidität von € 990.000,-

Noch Fragen?

Der Vorläufer vom CumEx hieß Dividenden-Stripping. Dieses Modell hatte der BFH mit einer kleinen Änderung gekippt. Die Erklärung im Wikipedia hat einen kleinen, doch entscheidenden Webfehler. Die komplette Story am Sonntag.

Inhaltsverzeichnis vom Verfasser:

Im März 2020 endete der erste strafrechtliche CumEx-Prozess mit zwei Verurteilungen. Ein großer Erfolg für uns alle. Gleichzeitig startete 2020 mit einem neuen politischen CumEx-Skandal, nachdem die Zeit und Panorama über die Nähe zwischen der Hamburger Regierung und der Warburg-Bank berichtet hatten. Der zweite strafrechtliche Prozess begann im Herbst 2020. Leider bisher nur ein weiterer Tropfen auf einem heißen Stein. Denn bei der Staatsanwaltschaft Köln – die für die absolute Mehrheit der Fälle zuständig ist – liegen 79 Fallkomplexe mit knapp 1000 Beschuldigten. Bisher verurteilt sind 2 Personen, derzeit vor Gericht eine weitere Person. Zur Erinnerung: Über Jahre hinweg wurden der Staatskasse – und damit uns allen – mindestens 32 Milliarden Euro durch CumEx- und CumCum-Geschäfte entwendet. Erst nach Jahren wurde der Plünderung der Steuerkassen endlich Einhalt geboten. So glaubten wir zumindest bisher (dazu weiter unten mehr). Das war der erste Skandal. Er steht zugleich für eine dunkle Zeit in der Geschichte des deutschen Rechtsstaats. Doch schnell folgte der zweite Skandal: die mangelnde politische und vor allem juristische Aufarbeitung von CumEx und CumCum.

Wie funktionierten die CumEx-Geschäfte überhaupt?

CumEx-Geschäfte stehen für den größten Steuerraub der deutschen Geschichte. Der Schaden beläuft sich nach aktuellen Schätzungen auf mindestens 10 Milliarden Euro. So viel hat eine Finanzelite insbesondere im Zeitraum zwischen 2001 und 2011 direkt aus der Kasse des deutschen Staates geraubt. Bezieht man weitere Formen von steuergetriebenen Finanzmarktgeschäften wie CumCum ein, erreicht der Schaden laut Recherchen von Correctiv europaweit schätzungsweise 55 Milliarden Euro, davon allein mindestens 30 Milliarden Euro in Deutschland. Elementarer Bestandteil der CumEx-Geschäfte war die vertrauliche Zusammenarbeit extrem gerissener Finanzmarktakteure mit sehr wohlhabenden Menschen, um gemeinsam unter dem Vorwand einer „Gesetzeslücke“ Steuerrückerstattungen zu erschleichen – Rückerstattungen von Steuern, die nie gezahlt wurden. Der Staat, personell vielfach schlechter aufgestellt als seine Gegner, war über Jahre weder in der Lage diese Form Organisierter Kriminalität selbst aufzudecken, noch willens klare Hinweise rechtzeitig aufzugreifen, um diese Geschäfte zu stoppen.

Mehr zu der Frage, wie genau CumEx-Geschäfte funktionieren, finden Sie am Sonntag hier.

Mangelnde Strafverfolgung.

Die Staatsanwaltschaft Köln, die für die Mehrheit der CumEx-Verfahren zuständig ist, erzielte zwar im März 2020 einen ersten Erfolg. Zwei ehemalige Aktienhändler wurden verurteilt. Seither ist geklärt: CumEx-Steuergeschäfte waren illegal und kriminell. Aber der Pilotprozess war nur die sichtbare Spitze eines gigantischen Verfahrenskomplexes, in dem es allein in NRW um insgesamt 79 Fallkomplexe und derzeit (Stand Januar 2021) um knapp 1000 Beschuldigte geht, gegen die bislang keine Anklage bei Gericht erhoben wurde. Hinzu kommt: Die ersten beiden Beschuldigten waren geständig. Die große Herausforderung, nicht geständigen Tatverdächtigen ihre Taten nachzuweisen, kommt also erst noch – und die knapp 1000 Beschuldigten haben eine Armada von Rechtsanwälten um sich. Demgegenüber steht ein kleines Ermittlerteam von derzeit 55 Personen. Umfassende Ermittlungen sind so offensichtlich unmöglich – oder dauern Jahrzehnte. Finanzwende wurde bei Anbetracht des beängstigenden Verhältnisses von Aufklärern zu Beschuldigten aktiv: im September 2020 starteten wir eine Kampagne. Darin fordern wir die Landesregierung in NRW auf, endlich den Ermittelnden den Rücken zu stärken und eine Soko CumEx, mit 150 Ermittelnden, einzurichten. Nach 4 Monaten, im Januar 2021, erzielten wir einen entscheidenden Erfolg. NRW-Innenminister Herbert Reul verkündete, „bis zu“ 40 weiteren Kripo-Beamten der CumEx-Ermittlungen zur Verfügung zu stellen. Damit würde die Zahl der Ermittelnden auf rund 90 steigen und sich damit fast verdoppeln! Ein wichtiges Signal und einlenken der NRW-Landesregierung.

Das Team der Kölner Staatsanwaltschaft um Anne Brorhilker hat sich intensiv in die komplizierte Materie eingearbeitet. Der zweite Prozess, nun gegen einen Ex-Manager der Warburg-Bank hat vor dem Landgericht Bonn begonnen. Doch das ist nach inzwischen acht Jahren Ermittlungen erst der zweite Fallkomplex, der vor Gericht gebracht wird. Die Thematik ist kompliziert und jedem einzelnen polizeilichen Ermittler, Steuerfahnder und Staatsanwalt stehen mehrere hochkarätige und besser bezahlte Anwältinnen der Gegenseite gegenüber. Im Jahr 2018 waren nur 23 Beschäftigte der Steuerfahndung ausschließlich mit CumEx-Fällen beschäftigt, 2020 zwar 34, allerdings sind das noch immer zu wenige. Es sollten mindestens 5 Fahnder einer Staatsanwältin zuarbeiten. Bei 15 bis 20 Staatsanwälten würden also fast 100 weitere Ermittlerinnen benötigt werden. Bei einem solch komplexen Sachverhalt eigentlich noch mehr. Selbst wenn die von Innenminister Reul versprochen Stellen schnell besetzt werden, kämpfen die Ermittlerinnen immer noch bergauf. Kein Wunder, dass beteiligte Ermittler über Waffenungleichheit und Unterbesetzung klagen. Obendrein kämpfen die CumEx-Staatsanwältinnen gegen die Zeit. Es ist einfach schon viel zu viel Zeit seit dem Beginn der Ermittlungen vergangen. Die mit dem Jahressteuergesetz 2020 beschlossene Verlängerung der relativen Verjährungsfrist – also der Frist bis zu der eine verjährungsunterbrechende Maßnahme eingeleitet werden muss – gibt den Ermittelnden etwas Luft, befreit sie aber nicht von dem Korsett das ihnen durch das Nichtstun der Politik aufgelegt wurde.

Sind CumEx-Geschäfte immer noch möglich?

Als wäre all dies nicht schon genug, wird immer deutlicher, dass nach 2012 CumEx-ähnliche Geschäfte (Derivative CumEx-Geschäfte) weitergingen. Die Staatsanwaltschaft Köln führte im August 2020 dazu Razzien in München, Frankfurt und Hamburg bei der Privatbank Varengold und dem Bankhaus Hauck & Aufhäuser durch. Damit wird ein komplett neues Kapitel in Sachen CumEx aufgeschlagen. Die zuständigen Politiker von Wolfgang Schäuble bis Olaf Scholz versicherten der Öffentlichkeit seit Jahren, dass es keine Indizien gebe, die auf die Fortsetzung von CumEx-ähnlichen Geschäften hinweisen würden. Das stimmt vielleicht sogar: Es gab keine Indizien, weil der Staat nicht nachprüfte, ob sein Gesetz wirkt, sondern einfach blind darauf vertraute. Die Schreckensbotschaften nehmen kein Ende und genauso scheint nun, dass CumEx nach 2012 kein Ende nahm. Ein von Finanzwende in Auftrag gegebene Darstellung „Mögliche Steuergetriebene Transaktionsstrukturen nach OGAW IV“ legt dar, welche neuen Modelle dieser Geschäfte es geben könnte und was dagegen getan werden muss.

Fazit:

Der Staat wird bei CumEx immer noch vorgeführt und die Täter lachen sich ins Fäustchen. Berichte, dass sich Finanzminister Olaf Scholz in seiner damaligen Rolle als Hamburger Bürgermeister mehrmals mit einem CumEx-Tatverdächtigen traf, erhärten das Bild, dass Deutschland keinen richtigen Umgang mit Finanzkriminalität hat. Das Vertrauen in unseren Rechtsstaat wird durch ein solches Agieren massiv geschwächt. Angesichts der ganzen Meldungen könnte man verzweifeln und sich entsetzt abwenden. Doch das würde nur den Finanzkriminellen in die Karten spielen. Und das ist auch nicht der Ansatz von Finanzwende. Wir kämpfen für Aufklärung bei CumEx. Die Erfolge bei der personellen Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden in Köln sprechen dabei für sich und sind ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Denn nur bei der Staatsanwaltschaft Köln scheint das Thema wirklich gut aufgehoben zu sein. Die Ermittlungsgruppe braucht unsere Unterstützung, damit sie endlich ausreichend für die Bearbeitung des größten Steuerraubs der deutschen Geschichte ausgestattet wird. Sollte Täter des größten Steuerraubs Deutschlands ungestraft davonkommen, wäre es nicht nur ein teures, sondern ein staatszersetzendes Versagen. Alle Täter müssen vor Gericht landen, das Steuergeld zurückgeholt werden. CumEx: Hoch profitabler Steuerraub für kriminelle Finanzmarktakteure und Superreiche. Bis heute ist der Vorgang nicht angemessen politisch und juristisch aufgearbeitet. Ähnliche Geschäfte können jederzeit wieder vorkommen. Wir bringen Licht ins Dunkel von CumEx und richten unsere Scheinwerfer auf alle Beteiligten dieses Riesenskandals.

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