Die 90 Gewerbesteueroasen in Deutschland.
Weniger ist mehr oder eine super Idee, die Neider auf den Plan ruft!
Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann ist seit 2009 im Amt. Seitdem hat er den Gewerbesteuerhebesatz auf 250 Prozent gesenkt und konnte so 500 Firmen anlocken – auch aus Nachbarkommunen.
Er machte eine arme Stadt reich und gerät jetzt unter Druck – denn er schuf eine „Steueroase“.
Monheim am Rhein gilt als Gewerbesteueroase. Kritiker sehen die Stadt als Nährboden für Briefkastenfirmen und Gewerbesteuerdumping. Jetzt will die Landesregierung handeln.
Das hell geklinkerte Einfamilienhaus in der Sandstraße 104 wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein Gewerbezentrum. Auch die Umgebung nicht, in den umliegenden Häusern sind die Baumberger Sportfreunde angesiedelt, etwas weiter die Briefmarkenfreunde Monheim am Rhein. Nur der dunkelgraue Briefkasten von Nummer 104 deutet auf ein außerordentliches Geschäftsleben hin. Laut den Schildchen darauf befinden sich in dem Einfamilienhaus ein Fleischhandel, einige Immobilienfirmen, ein Reifenhandel und viele mehr: 129 Unternehmen insgesamt. Die Sandstraße 104 in Monheim bei Düsseldorf steht symbolisch für die 90 Gewerbesteueroasen in Deutschland. Die bekanntesten sind neben Monheim die Stadt Zossen bei Berlin und die Gemeinde Grünwald bei München. Alle drei eint ein Merkmal: ein besonders niedriger Gewerbesteuerhebesatz.
Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Der Hebesatz regelt die Höhe der Steuer, die Unternehmen auf ihren Gewinn zahlen. Der deutsche Durchschnittssatz beträgt 435 Prozent. In Monheim liegt er bei 250 Prozent. Das zieht Unternehmen aus der ganzen Republik an – und sorgt für Ärger mit den Nachbarkommunen. Jetzt will die nordrhein-westfälische Landesregierung Schritte unternehmen, um die Steueroasen trockenzulegen. Das hat sie im neuen Koalitionsvertrag beschlossen.
„Wir wollen, dass Kommunen wie Monheim über negative Schlüsselzuweisungen einen gewissen Ausgleich für ärmere Kommunen zahlen“, sagt Simon Rock, finanzpolitischer Sprecher der NRW-Landtagsfraktion der Grünen. Die Praxis, Unternehmen aus anderen Kommunen mit niedrigen Gewerbesteuersätzen abzuwerben, nennt er „unsolidarisch“. Denn die Kommunen hätten sich „auf Kosten anderer gesund saniert“.
Zahlreiche Unternehmen gründeten Tochterfirmen.
Es ist ein Vorwurf, den Daniel Zimmermann scharf zurückweisen würde. Zwar hat sich die Zahl der Unternehmen in seiner Stadt drastisch erhöht, seit er 2009 mit 27 Jahren Bürgermeister in Monheim wurde. UPS, DHL, Deutsche Post, Bayer, BASF, Henkel, OQ Chemicals – sie alle haben Tochterfirmen mit Sitz in Monheim gegründet oder ihren Sitz in die Stadt verlegt. Zimmermann sieht die Lösung für die Probleme in anderen Teilen seines Bundeslandes trotzdem nicht bei sich. „Statt dafür zu sorgen, dass die Steuersätze in Monheim am Rhein steigen, sollte die Landesregierung lieber dafür sorgen, dass sie zum Beispiel in Oberhausen sinken“, sagt der Bürgermeister. Der dort erhobene Hebesatz von 580 Prozent sei nicht wettbewerbsfähig.
In Monheim glänzt Zimmermanns Bilanz. 1900 Firmen gibt es heute in dem 46.000 Einwohner zählenden Städtchen – fast 500 mehr als vor dem Antritt des Jungpolitikers. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse stieg um 48 Prozent. Das bringt Geld in die Kasse.
6341 Euro pro Einwohner und Jahr nimmt Monheim inzwischen an Gewerbesteuern ein. Zum Vergleich: Im zwei Stunden entfernten Verl sind es knapp über 2000 Euro. Verl hat das zweithöchste Gewerbesteuereinkommen pro Kopf in Nordrhein-Westfalen.
Große Probleme in umliegenden Städten.
Zimmermann hat in seiner Amtszeit 120 Millionen Euro städtische Schulden abgebaut. Heute gibt es Glasfaser für jeden Haushalt, Erholungsgebiete, einen Wasserpark und kostenlosen Nahverkehr. Überall in der Stadt wird gebaut. Lance Gregorchuk hat den Wandel der Stadt miterlebt. „Monheim war eine Katastrophe“, sagt er. Die Kriminalität sei hoch gewesen, erzählt der Kanadier, der Fitness First auf den deutschen Markt brachte und seit 20 Jahren in Monheim wohnt. Heute sei er stolz auf seine kleine Stadt. Sie sei sauber und sicher. Das könne man nicht von jeder Stadt in NRW behaupten. Tatsächlich gibt es bei Monheims Nachbarn Probleme. In den benachbarten Großstädten an Rhein und Ruhr verkommen Schulen und Straßen, Freibäder und Jugendtreffs müssen geschlossen werden. Vielerorts wächst deshalb der Zorn – auf genau solche Arrangements wie in der Sandstraße 104.
„Virtuelles Büro + Firmensitz ab 79,50 €* netto/mtl. in Monheim am Rhein“, heißt es auf dem Portal Ebay-Kleinanzeigen. Wer Büroräume in der „1A Bürogemeinschafts & Dienstleistungs GmbH“ mietet, kann sich Post weiterleiten lassen, erhält ein Briefkastenschildchen und eine Telefonnummer. Die Rufumleitung kostet 25 Euro im Monat extra.
Potentielle Steuerhinterziehung?!
Steuerrechtsprofessorin Johanna Hey von der Universität Köln erklärt, Gewerbesteueroasen seien nicht illegal. Zwar sei es nicht ausreichend, den Firmensitz nur formal zu ändern. Andererseits brauche es auch nicht viel Aufwand, um einer frischen Adresse Umsätze zuzurechnen. Ihr Fazit: Es gibt viel Spielraum – alles lesen Quelle.
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Neid statt Nachahmung