Dafür hat der Mensch Geist – Seele – Körper (Hände – Finger – Arme – Füße – Zehen – Beine – Zentren.
Der Mensch ist geboren, um zu Handeln.
Aus der Fülle und aus dem Mangel mit Ordnung und Management.
Handeln – Handlung im Wikipedia:
Handeln bezeichnet jede menschliche, von Motiven geleitete zielgerichtete Tätigkeit, sei es ein Tun, Dulden oder Unterlassen. Es ist also deutlich vom Agieren zu unterscheiden, das allenfalls unbewusst motiviert ist und/oder ohne Zielvorgabe abläuft. Allerdings wird diese Abgrenzung bisweilen durch Begriffe wie Affekthandlung verwischt.
Philosophie:
Die Scholastik als Hauptströmung der mittelalterlichen Philosophie nannte das Was einer Handlung „Gegenstand“ (obiectum) und das Worum-willen die „Absicht“ (intentio) einer Handlung. Zum Beispiel lügt jemand (Aktivität/Tatbestand) um sich a) einen Vorteil zu verschaffen (Motiv) oder b) einen Juden vor der Gestapo versteckt zu halten (Motiv). „Die Motive geben das Worum-willen der Handlung oder die Ziele/Zwecke an“ und was in einer Handlung getan wird, „erweist sich als Mittel, sie (die Ziele/Zwecke) zu erreichen“.
Die Struktur einer Handlung: die Zweck-Mittel-Relation.
Handlungsmittel und Handlungszweck sind die beiden Elemente, aus denen eine Handlung besteht: „Handlungen sind nur verstehbar, wenn sie unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie Mittel darstellen, das gewünschte Ziel zu erreichen.“ Soll das Handlungsmittel tatsächlich dem Handlungsziel dienen, „dann muss man ihre Zweckmittelrationalität (Max Weber) […] prüfen. Eine Handlung besteht also strukturell aus drei Wirklichkeiten: aus zwei Elementen (Mittel und Zweck) und einer Relation (Zweckmittelrelation: ob das Mittel der Handlung dem Zweck entspricht).
Handlung oder Handlungsverbund: die Einheit einer Handlung.
Oft bestehen Handlungen aus mehreren Einzelvollzügen. Die Handlung „frühstücken“ besagt, dass man sich etwas zum Trinken macht und Obst oder Brot ißt. Der Satz „Deutschland führte bis Mai 1945 Krieg in Europa (mit dem Ziel, die politische Vorherrschaft in Europa zu entscheiden)“ bezeichnet grammatisch eine Handlung, die in Wirklichkeit aus vielen zusammenhängenden Handlungen (Handlungsverbünden) besteht [Kriegswirtschaft, politische Taktik, einzelne Schlachten innerhalb eines Feldzuges, mehrere Feldzüge (Krieg im Osten und Westen) …]
Mehrere Einzelvollzüge und Handlungsverbünde kann man als eine Handlung ansprechen. Dabei entsteht die Frage, wie sich ein Handlungsverbund von wirklich unterschiedlichen Handlungen unterscheiden lässt. Unterschiedliche Handlungen lassen sich von einer Anzahl von Einzelvollzügen einer Handlung oder von einem Handlungsverbund dadurch unterscheiden, dass unterschiedliche Handlungen auch unterschiedliche oder die gleichen (nicht „dieselben“!) Zwecke haben, und dass ein einziger Handlungsverbund oder eine Handlung aus mehreren Einzelvollzügen jedoch denselben Zweck für alle seine Handlungen hat. Das Kriterium für die Einheit einer Handlung ist also, ob Einzelvollzüge oder Handlungsverbünde ein und dasselbe Ziel haben.
Handlung als System.
Der Systembegriff besagt, dass etwas Einzelnes (z. B. Handlung) nur zureichend verstanden werden kann, wenn mitbedacht wird, wovon das Einzelne mit abhängt und mitbedingt (mitgeformt) wird. Dass ein Einzelnes ohne Anderes nicht sein kann (existiert), macht aus einem Einzelnen ein Element in einem System: „Eine Gesamtheit von Elementen, die so aufeinander bezogen sind und in einer Weise wechselwirken, dass sie als eine aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit angesehen werden können und sich in dieser Hinsicht gegenüber der sie umgebenden Umwelt abgrenzen.“ So gesehen sind Handlungen Elemente einer sie umfassenden Arbeit in „Arbeits- und Handlungssystemen“. „Systeme organisieren und erhalten sich durch Strukturen. Struktur bezeichnet das Muster (Form) der Systemelemente und ihrer Beziehungsgeflechte, durch die ein System entsteht, funktioniert und sich erhält.“ „Jedes System besteht aus Elementen (Komponenten, Subsystemen), die zueinander in Beziehung stehen. Meist bedeuten diese Relationen ein wechselseitiges Beeinflussen – aus der Beziehung wird ein Zusammenhang. Die Analyse und Beschreibung von Handlung in ihrem Systemzusammenhang führt zu einer Handlungstheorie (siehe unten).
Ethik.
Ethik als philosophisches Fach bedenkt alles Handeln nach einer letzten (absoluten) Zweck-Mittel-Relation – insofern die Ethik darauf abzielt, „eine umfassende Handlungsorientierung […] zu leisten“. So fragt die Ethik z. B., ob und unter welchen Bedingungen Kriege vernünftig sind (erlaubt sind oder gar geboten sind, sogenannte gerechte Kriege) und welche Arten von Kriegsführung moralisch unerlaubt sind („ungerechte Kriege“). Dabei reflektiert sie drei Handlungsstrukturelemente:
- den Tatbestand einer Handlung (z. B. Bürgerkrieg gegen Tyrannen),
- die Handlungsfolgen z.B. als Ehrbarer Kaufmann (Güterabwägungstheorie): ob oder unter welchen Bedingungen die schlechten Folgen einer Handlung in Kauf zu nehmen sind, damit ein guter Handlungszweck überhaupt erfüllt werden kann („Die Theorie der Güterabwägung bildet das Kernstück einer jeden Ethik.“) und
- das Höchste Gut (höchste Ziel/Zweck) von Handlungen, das allererste mögliche gute Handlungszwecke normiert (als gut erscheinen lässt), da „jede umfassende Güterabwägung erfordert, dass es […] ein Gut“ geben muss, das anderen „Gütern als Maßstab der Abwägung gelten kann“ – weil anders (ohne ein höchstes Gut) Güterabwägungen nicht allgemein einsichtig dargestellt werden können, sondern (vom ersten unbestimmten Glied her) beliebig oder different sind. Somit ist außer der Güterabwägungstheorie die Begründung des Höchsten Gutes eine wesentliche Aufgabe der Ethik. „Für die menschliche Person bedeutet das ethisch höchste Gut zugleich auch das Lebensziel, das allem Sinn gibt. Es beantwortet die identitätsstiftende Frage nach dem Lebenssinn.“ In der Ethik werden z. B. folgende Bestimmungen des Höchsten Gutes diskutiert:
- dass jede Person nie in einer Handlung als Mittel zu einem Zweck gebraucht, der nicht im Interesse der Person liegt (Selbstzwecklichkeit des Menschen, Personenwürde) oder
- das Glück der größtmöglichen Zahl oder
- die Lebensentfaltung aller auf die Dauer und im Ganzen.
Beispiel:
Fragt man historisch (faktisch, rein militärisch) nach der Zweckmittelrationalität des Satzes „Deutschland führte bis Mai 1945 Krieg in Europa“, so sind die Historiker sich einig, dass die Kriegserklärung gegen die Sowjetunion nicht in einer rationalen Relation stand zum Handlungsziel, durch die kriegerischen Handlungen ab 1939 (Polenfeldzug, Frankreichfeldzug, Luftkrieg gegen England) die politische Vorherrschaft in Europa zu gewinnen, denn der Zweifrontenkrieg überforderte die deutschen Kräfte. Nehmen wir an, Deutschland hätte den Luftkrieg gegen England gar nicht begonnen, sondern hätte das eroberte West- und Osteuropa politisch konsolidiert – wäre der Polen- und Frankreich-Feldzug dann zweckrational gewesen? Rein historisch betrachtet wohl schon. Die Frage ist aber: wäre das aber auch politisch gut gewesen – gut im moralischen Sinn (in einem für alle geltenden Sinne), denn die Politik muss moralisch fragen, weil sie sich nur allgemein (moralisch) begründen lässt (vernünftig verantworten lässt gegenüber Wählern) – will sie keine Diktatur sein – und Diktaturen sind politisch instabil (gehen unter).
Psychologie.
Über viele Jahre wurde Handeln in der Psychologie nur am Rande diskutiert. Handeln ist motiviert und daher (im Normalfall) zielgerichtet. Handeln strebt die Befriedigung eines Bedürfnisses oder die Vermeidung eines Schadens an. Mit der Einbeziehung der Motivation thematisiert die Handlungstheorie die inneren Prozesse, die zwischen der Wahrnehmung der Umgebung, der aktuellen Motivlage und dem Tun vermitteln. Dietrich Dörner erstellte ein Modell, welches Handeln in verschiedene Stationen unterteilte. Dabei ist es nicht wichtig, dass diese Stufen linear abgearbeitet werden:
- Absichtsauswahl
- Zielelaboration
- Informationssammlung und Hypothesenbildung
- Prognose
- Planen
- Entscheidung und kontrolliertes Tun
Handeln gehört auch zum Kerngebiet der Motivationspsychologie. Zielbasierte, motivationspsychologische Theorien gehen davon aus, dass Menschen sich Ziele setzen (können), nach denen sie ihr Handeln ausrichten. Ob ein Ziel gesetzt wird, hängt davon ab, inwieweit es als wünschbar und durchführbar erlebt wird bzw. mit einer Strategie oder einem Lebensplan vereinbar ist. Andererseits lässt sich Handeln (theoretisch) auf motivationale Sachverhalte zurückführen. Auch in der Neuropsychologie werden das Handeln und die Handlungssteuerung heute zunehmend untersucht: Dabei spielen dort hauptsächlich das Konzept der exekutiven Funktionen und der Selbstregulation sowie das Aufdecken der neurobiologischen Korrelate dieser Funktionen eine essenzielle Rolle. Handeln ist im Sinne der neueren Psychologie bzw. Pädagogik primär ein Instrument der Sozialisation. Als Interaktion gewinnt der Sachverhalt seine sozialisatorische Bedeutung. Indem der Mensch in sozialen Gefügen handelt
- erwirbt er Wissen
- lernt er, sich in ähnlichen Situationen zu verhalten
- gewinnt er gestalterische Kompetenzen, die ihm Einfluss auf seine soziale und materielle Umwelt ermöglichen (siehe Handlungskompetenz).
Eine Existenzsicherung stellt das Handeln als Interaktion zwischen Kind und Bezugspersonen in der frühen Kindheit dar. Kinder ohne diese oder ausreichende Interaktionsmöglichkeiten haben bedeutende Persönlichkeitsstörungen, die von langer Dauer sind und nicht immer (vollständig) therapiert werden können. Menschen (im Alter) ohne sozial relevante Handlungsmöglichkeiten geraten in große psychische Bedrängnis, erachten sich als wertlos und fühlen sich an den Rand ihrer Existenz gedrängt (Suizid, Depression).
Pädagogik.
In der Pädagogik geht es insbesondere um das Handeln des Erziehenden, das grundsätzlich daran orientiert sein sollte, das Kind/den Jugendlichen zu fördern. Förderung ist ein Komplex unterschiedlicher und methodisch durchdachter Handlungen, die der Entwicklung des Kindes bzw. seiner möglichst effektiven Sozialisation dienen. In der Pädagogik gibt es verschiedene Systeme, die Handlungen beschreiben, die man als effektiv bzw. wenig effektiv im Sinne der Sozialisation des Kindes/Jugendlichen bezeichnen könnte. Die Diskussion über Erziehungsstile ist z. B. eine Erörterung von Handlungsvarianten und deren Möglichkeiten der Realisierung (vor allem eine Systematisierung von Handlungen). Ähnlich ist es mit der Darstellung von sinnvollen und weniger sinnvollen Maßnahmen der Erziehung (Handlungskomplexen) in unterschiedlichen Situationen.
Handlungen des Erziehenden werden meist in Beziehung gesetzt zu den Erziehungsinstitutionen, in denen sie realisiert werden (sollen): Erziehungshandeln in der Familie, in der Vorschulerziehung, in der Schule, in der Ausbildung usw. In diesen Dynamiken spielen freilich die Kinder (die zu Erziehenden) eine herausragende Rolle als Mitgestalter der Erziehungssituation. Im gänzlich anderen Zusammenhang wurden in den 1970er Jahren von dem Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka die Handlungsweise (des Erziehenden) und ihre Reflexion in die Ausbildung eingebracht: Das Erziehungshandeln von Praktikantinnen und Erzieherinnen sollte nunmehr reflektiert werden. Der Ansatz fand Eingang in die Erzieherinnenausbildung in Nordrhein-Westfalen und wurde im Verlauf der letzten Jahrzehnte in den Berufskollegs des Landes ausdifferenziert und systematisiert.
Rechtswissenschaft.
Bloßes Handeln wird erst bei der Rechtshandlung rechtlich bedeutsam. Diese setzt zivilrechtlich Handlungsfähigkeit und strafrechtlich Deliktsfähigkeit voraus. Von diesem Verständnis analysiert das Strafrecht in der Rechtswissenschaft die Rechtshandlung als prinzipiell willentlich und die Tathandlung als schuldhaft: Ohne eine gewisse (vom Gesetzgeber unterstellte) Freiheit des Willens gäbe es keine Schuld, also auch keine gesetzliche Strafe.
Soziologie.
Namentlich ist „Handeln“ – und zwar als soziales Handeln – zu einem wichtigen Grundbegriff der Soziologie geworden. Soziale Positionen in der Gesellschaft und ein von ihnen gestütztes Selbstbewusstsein kann sich der Einzelne (Akteur) mit Hilfe sinnhaften Handelns und Gestaltens im Rahmen von Arbeit sowie von weiteren Handlungsformen (Kunst, Spiel) erobern und bewahren. Zum Beispiel lassen sich die häufigen Handlungsschwächen von Langzeitarbeitslosen auch als Entzug der Zugänge zu sozialen Positionen kraft eigenen Handelns erklären, die ihnen soziale Anerkennung und Identität vermitteln könnten.
Handlungs-Täuschung.
Handlungstäuschung beschreibt in der Psychologie eine intentional irreführende Handlung anderer Personen. Aus der Wahrnehmung dieser Täuschung resultiert eine Reaktion auf die erwartete Handlung, die jedoch nur angetäuscht wird und nicht der Intention des Täuschenden entspricht. Durch höhere motorische Handlungserfahrung kann eine Verbesserung im Erkennen von Täuschungen erzielt werden. Beispielsweise können regelmäßige Basketballspieler besser angetäuschte Aktionen des Gegenspielers (z. B. Pässe) wahrnehmen.
Handlungs-Theorien:
- Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben.
- Johannes Heinrichs (Philosoph).
- Theorie des kommunikativen Handelns.
- Talcott Parsons.
Siehe auch:
- anaklitische Depression.
- Arbeit (Philosophie).
- Harry Harlow, Interaktion bei Rhesusaffen unter bestimmten experimentellen Bedingungen.
- Kommunikation.
- Konfliktmanagement.
- Muße
- Rubikonmodell der Handlungsphasen.
- René A. Spitz, psychologische Hintergründe des Interaktionismus in der frühen Kindheit.
- Sprache.
- symbolischer Interaktionismus.
Handeln – Handel – Karma-Handlung im YogaWiki.
Handeln – bezeichnet jedes Tun, Dulden oder Unterlassen eines von Motiven geleiteten zielorientierten Wirkens. So kann man sich für etwas einsetzen oder generell aktiv werden für die gute Sache oder sich für das Gute engagieren. Man kann sich entscheiden etwas auszuhalten, was dem Dulden entsprechen würde. Benötigt jemand Hilfe und man tut nichts, so ist dies auch Handeln, im Sinne von Unterlassen.
Handeln und Nichthandeln.
Die richtige Einstellung:

Gestalte dein Leben – Du hast die Wahl
Wenn du am Anfang des Weges stehst, ist es wichtig dass du jeden Tag Asanas, jeden Tag Pranayama, jeden Tag Meditation übst und vielleicht auch jeden Tag Swadhyaya (Selbststudium) übst, Schriften lesen, Videos oder Audios anhörst über den spirituellen Weg. Du brauchst diese Inspiration. Aber was deinen spirituellen Fortschritt besonders antreibt, ist deine Einstellung zu dem, was du tust. Wenn du das was du tust, von ganzem Herzen machst, Gott darbringst, dich als Instrument siehst. Und die Erfahrungen, die Herausforderungen des Alltags, die dich manchmal durchrütteln, auf die Probe stellen, enttäuschen, verärgern usw. Wenn du all diese Erfahrungen annimmst als Lektionen des Göttlichen, dann wächst du gut. Am Anfang des spirituellen Lebens, ist es die spirituelle Praxis, die dir die Kraft gibt, die spirituelle Einstellung für den Alltag. Was deinen Fortschritt, des spirituellen Lebens betrifft, ist es weniger die Menge und die Qualität deiner Praxis (Asanas, Pranayama und Meditation), sondern es ist mehr deine Einstellung im Alltag.
- Hast du die Einstellung, daß die Aufgabe, die dir geschickt wird von Gott kommt, um zu wachsen.
- Hast du wirklich die Einstellung, dass das was du tust, dass du es als Dienen machst?
- Bist du wirklich in der Lage, dich nicht damit zu identifizieren?
- Bist du in der Lage auf Wünsche auf Vorurteile zu verzichten?
- Bist du in der Lage nicht an den Früchten der Handlungen zu hängen?
Wenn nicht, arbeite daran! Hier im Vers sagt Krishna: Wenn du nicht an den Sinnesobjekten hängst, wenn zum Beispiel das Essen mal nicht gesalzen, oder versalzen ist, wenn deine Lieblingsspeise nicht da ist, die falschen Gewürze drin sind usw. Wenn es zu kalt ist, weil jemand das Fenster aufgemacht hat. Wenn es zu warm ist, weil das Fenster zu ist. Wenn es zu laut, oder zu leise ist, wenn unangenehme Gerüche da sind usw. Wenn dir das alles nichts ausmacht, dann hast du eine Stufe im Yoga erreicht.
Drei Kriterien gibt es die zeigen, ob du eine gewisse Stufe im Yoga erreicht hast. Ab da, wo Meditation wichtiger wird, als das Karma Yoga.
- 1. Nicht an den Sinnesobjekten hängen
- 2. Nicht an der Handlung hängen
Sind all die Sachen des Karma Yoga. Auch wenn ein Anderer deine Aufgabe übernimmst, nicht an der Handlung hängen (weil du weggedrängt wurdest). Wenn du nicht schimpfst hast du etwas erreicht. Nicht am Ergebnis der Handlung und an den Früchten der Handlung hängen.
- 3. Allen Sankalpas (Wünsche, egoistische Vorsätze, Vorgefassten Meinungen, Vorstellungen..) entsagen.
Handel ist das Kaufen und Verkaufen von Waren oder eine geschäftliche Abmachung im Sinne des Handels. Gewöhnlicherweise bekommt oder gibt man für die ausgesuchte Ware, die man bekommen oder abgeben möchte, Geld als Gegenmittel bzw. Gegenleistung, man kann jedoch auch einen Tauschhandeln eingehen und dann untereinander materielle Güter oder Dienstleistungen austauschen.
Handel
Handel ist die Bezeichnung für den Kauf und Verkauf von Waren. Handel spielt im Wirtschaftsleben eine besondere Rolle. Handel ist auch eine geschäftliche Abmachung. Man kann einen guten Handel machen, einen schlechten Handel machen, einen vorteilhaften Handel machen. Handel heißt typischerweise, dass man etwas verkauft und dafür Geld bekommt. Man kann etwas eintauschen, das ist dann der Tauschhandel. Handel gibt es aber auch im Illegalen. Es gibt den Drogenhandel, den Schwarzhandel. Es gibt auch etwas, was im Handel zum Verkauf angeboten wird. Vermeide mit Gott zu handeln. Manche Menschen machen Handel mit Gott. Sie sagen zu Gott, dass wenn sie den oder den Job bekommen, einen Monat lang jeden Sonntag in die Kirche gehen. Sie sagen, wenn ihr Kind wieder gesund wird, dass sie Gott eine gewisse Menge an Geldspende geben. Ganz falsch ist das nicht. Krishna sagt in der Bhagavad Gita, dass es vier Arten von Menschen gibt, die Gott verehren. Die einen sind die, die leiden. Die anderen sind die, die von Gott Wünsche erfüllt bekommen wollen. Die nächsten sind die, die spirituell wachsen wollen und die letzten die, die die Gegenwart Gottes spüren und ihn aus Dankbarkeit verehren wollen. Die ersten beiden oder vielleicht sogar die ersten drei Gruppen von Menschen haben eine gewisse Neigung mit Gott zu handeln. Wenn man leidet, kann man sagen: „Oh Gott, wenn du mir dieses Leiden wegnimmst, dann mache ich dir das und das.“
Oder jemand, der etwas von Gott wünscht, sagt: „Oh Gott, wenn dieser Handel erfolgreich ist, den ich mit meinem Kompagnon abschließen will, dann werde ich dir 10 % davon abgeben.“ Ein spirituell Suchender bittet: „Oh Gott, lass mich auf dem spirituellen Weg in der Meditation eine gewisse Tiefe erreichen. Dafür bin ich bereit viel zu tun.“ Wenn du etwas tust, um etwas zu bekommen, dann ist das ein gewisser Handel. Aber im Yoga und insbesondere in der Bhagavad Gita geht es darum, keinen Handel zu machen. Tue das, was zu tun ist, so gut wie du kannst und lasse dann los. Tue das, was zu tun ist von ganzem Herzen. Tue es als Dienst Gottes aber erwarte nichts dafür. Karma-Yoga heißt letztlich aus dem Weg des Handelns hinauszutreten und zu handeln, also handeln im Sinne von Tun, mit Engagement. Handeln ohne Handel ist letztlich Karma Yoga.
Siehe auch:
- Hände schütteln.
- Halt.
- Hälfte.
- Händler.
- Harem.
- Hauptstraße.
- Stirnchakra.
- Wurzelchakra.
- Chakra.
Karma Yoga (Sanskrit, m., कर्मयोग, karmayoga) oder karmamarga ist im Hinduismus einer der drei oder vier Yogas bzw. Margas, dt. Wege. Karma-Yoga ist der ‚Yoga der Tat‘ und bedeutet ein Handeln, ohne Anhaftung an seine Taten. Karma-Yoga wird oft auch als Yoga des selbstlosen (altruistischen) Dienstes verstanden.
Karma Yoga, der Pfad der Werke, strebt danach, jegliche menschliche Aktivität an den erhabenen Willen hinzugeben. Er beginnt mit der Absage an alle ich haften Zwecke unserer Werke, an alles Unternehmen einer Handlung aus ich hafte Interesse oder um eines weltlichen Resultats willen. Gelassenheit, Verzicht auf alles Verlangen nach der Frucht unseres Wirkens und ein Handeln, das als Opfer dem Erhabenen Herrn unserer Natur und der gesamten Natur dargebracht wird; das sind die drei grundlegenden Zugänge zu Gott auf dem Weg des Karma Yoga der Bhagavad Gita. Er ist einer der drei empfohlenen Wege (marga) zur Erlösung (Moksha), welche die Überlieferungen der Hindus aufzeigen. In der Bhagavadgita (II.48) etwa lehrt Krishna, für Hindus der menschgewordene Gott: Gib die Anhänglichkeit auf, o Arjuna, und vollbringe, im Yoga gefestigt, deine Werke. Sei gleichmütig gegen Erfolg und Misserfolg. Gleichmut wird Yoga genannt. Im 3. Kapitel heißt es weiter: Für den Besinnlichen gibt es den Pfad der Erkenntnis, für den Tätigen den Weg der selbstlosen Tat. Niemand wird vollkommen dadurch, dass er der Arbeit entsagt. Niemand kann dem Tun entsagen, jeden zwingen dazu unausweichlich die Gunas. Deshalb musst du jede Tat vollziehen als eine Darbringung an Gott und frei sein von aller Bindung an die Ergebnisse. Die anderen Wege sind: Jnana Yoga (Weg der Erkenntnis), Bhakti Yoga, (Yoga der Hingabe) wobei viele Hindu-Lehrer (etwa Vivekananda) noch einen vierten hinzufügen Raja Yoga („Königsyoga“), den die anderen in die ersten Wege integriert sehen. Karma Yoga ist auch ein wichtiger Teil des integralen Yoga von Aurobindo. Der Yoga des Wirkens, das Einswerden mit Gott in unserem Willen und Wirken (nicht nur in unserem Wissen und Fühlen) ist ein unentbehrliches, unaussprechlich wichtiges Element eines Integralen Yogas. (Aurobindo).
Handeln – Grundmaxime – Freiheit – Absicht – Bestimmung – Pflicht im AnthroWiki
Menschliches Handeln und Tun im eigentlichen Sinn ist ein intentionaler, d.h. zielgerichteter, von bewusst gefassten Motiven geleiteter und durch eine mehr oder weniger dauerhafte Triebfeder getragener Willensakt, der sich dadurch vom ziellosen, mehr oder weniger unbewussten Agieren unterscheidet, das nach den Lehren der Psychoanalyse Ausdruck unbewusster psychischer Konflikte ist. Die mit dem menschlichen Handeln verbundenen philosophischen Fragen werden in der philosophischen Handlungstheorie erörtert. Die Fähigkeit zur bewussten Kontrolle der eigenen Handlungen wird auch als Agentivität (von lat. agens „das Handelnde“) bezeichnet, die von der bewussten äußeren Bewegung der Gliedmaßen über die bewusst gelenkte Aufmerksamkeit (attentionale Agentivität) bis hin zum inneren Handeln in Form des bewussten Denkens (kognitive Agentivität) reicht. Insofern das Handeln im Rahmen einer sozialen Gemeinschaft erfolgt, handelt es sich um ein soziales Handeln (das nicht selten auch recht unsozial sein kann). Das von Motiven geprägte Handeln, das mehr ist als ein bloß reaktives Verhalten, ist Gegenstand der soziologischen Handlungstheorie.
Im rechtlichen Sinn gilt auch das Unterlassen einer Handlung, z.B. eine unterlassene Hilfeleistung, als juristisch relevanter Tatbestand. Der Urheber einer Handlung wird als Akteur (von franz. acteur „Handelnder“) bezeichnet, wobei in der Soziologie zwischen individuellen und überindividuellen (z.B. Staaten, Konzerne, Interessengemeinschaften usw.) Akteuren unterschieden wird. „Für den einzelnen Willensakt kommt in Betracht: das Motiv und die Triebfeder. Das Motiv ist ein begrifflicher oder vorstellungsgemäßer Faktor; die Triebfeder ist der in der menschlichen Organisation unmittelbar bedingte Faktor des Wollens. Der begriffliche Faktor oder das Motiv ist der augenblickliche Bestimmungsgrund des Wollens; die Triebfeder der bleibende Bestimmungsgrund des Individuums. Motiv des Wollens kann ein reiner Begriff oder ein Begriff mit einem bestimmten Bezug auf das Wahrnehmen sein, das ist eine Vorstellung. Allgemeine und individuelle Begriffe (Vorstellungen) werden dadurch zu Motiven des Wollens, daß sie auf das menschliche Individuum wirken und dasselbe in einer gewissen Richtung zum Handeln bestimmen.“ (Lit.: GA 4, S. 149)
Freies Handeln ist nach Rudolf Steiner möglich, wenn sowohl die Motive, als auch die Triebfedern des Handelns voll bewusst im reinen Denken erfasst werden. Denken und Wollen werden dadurch so ineinander geschoben, dass sich an ihrem Wechselspiel das Gefühl entzündet und dadurch die Handlung von reiner Liebe getragen wird. Daraus ergibt sich die von Rudolf Steiner formulierte Grundmaxime der freien Menschen:“Leben in der Liebe zum Handeln und Leben lassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.“ (Lit.: GA 4, S. 130)
„Der Mensch handelt, wenn er die Antriebe zu seinem Handeln in Geboten sucht, nach Gesetzen, deren Begründung nicht von ihm abhängt; er denkt sich eine Norm, die von außen seinem Handeln vorgeschrieben ist. Er handelt aus Pflicht. Von Pflicht zu reden, hat nur bei dieser Auffassung Sinn. Wir müssen den Antrieb von außen empfinden und die Notwendigkeit anerkennen, ihm zu folgen, dann handeln wir aus Pflicht. Unsere Erkenntnistheorie kann ein solches Handeln, da wo der Mensch in seiner sittlichen Vollendung auftritt, nicht gelten lassen. Wir wissen daß die Ideenwelt die unendliche Vollkommenheit selbst ist; wir wissen, daß mit ihr die Antriebe unseres Handelns in uns liegen; und wir müssen demzufolge nur ein solches Handeln als ethisch gelten lassen, bei dem die Tat nur aus der in uns liegenden Idee derselben fließt. Der Mensch vollbringt von diesem Gesichtspunkte aus nur deshalb eine Handlung, weil deren Wirklichkeit für ihn Bedürfnis ist. Er handelt, weil ein innerer (eigener) Drang, nicht eine äußere Macht, ihn treibt. Das Objekt seines Handelns, sobald er sich einen Begriff davon macht, erfüllt ihn so, daß er es zu verwirklichen strebt. In dem Bedürfnis nach Verwirklichung einer Idee, in dem Drange nach der Ausgestaltung einer Absicht soll auch der einzige Antrieb unseres Handelns sein. In der Idee soll sich alles ausleben, was uns zum Tun drangt. Wir handeln dann nicht aus Pflicht, wir handeln nicht einem Triebe folgend, wir handeln aus Liebe zu dem Objekt, auf das unsere Handlung sich erstrecken soll.“ (Lit.: GA 1, S. 201f)
Grundmaxime der freien Menschen
Die Grundmaxime der freien Menschen hat Rudolf Steiner in seiner Philosophie der Freiheit so formuliert:
„Leben in der Liebe zum Handeln und Leben lassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.“ Diese Grundmaxime des freien Menschen wird von jedem im modernen Sinn geistig strebenden Menschen beachtet werden müssen und gilt insbesondere für die Art und Weise, wie man Anthroposophie vor der Welt vertreten sollte. Anthroposophie kann ihren wahren Wert nur im praktischen Tun beweisen, in der Liebe zum Handeln aus geistiger Einsicht und aus den Lebensfrüchten, die sich daraus ergeben, und sie muss frei von Zwang und jeglicher Dogmatik vor die Welt gestellt werden. „Frei ist nur der Mensch, insofern er in jedem Augenblicke seines Lebens sich selbst zu folgen in der Lage ist. Eine sittliche Tat ist nur meine Tat, wenn sie in dieser Auffassung eine freie genannt werden kann. Hier ist zunächst die Rede davon, unter welchen Voraussetzungen eine gewollte Handlung als eine freie empfunden wird; wie diese rein ethisch gefaßte Freiheitsidee in der menschlichen Wesenheit sich verwirklicht, soll sich im Folgenden zeigen.
Die Handlung aus Freiheit schließt die sittlichen Gesetze nicht etwa aus, sondern ein; sie erweist sich nur als höherstehend gegenüber derjenigen, die nur von diesen Gesetzen diktiert ist. Warum sollte meine Handlung denn weniger dem Gesamtwohl dienen, wenn ich sie aus Liebe getan habe, als dann, wenn ich sie nur aus dem Grunde vollbracht habe, weil dem Gesamtwohl zu dienen ich als Pflicht empfinde? Der bloße Pflichtbegriff schließt die Freiheit aus, weil er das Individuelle nicht anerkennen will, sondern Unterwerfung des letztem unter eine allgemeine Norm fordert. Die Freiheit des Handelns ist nur denkbar vom Standpunkte des ethischen Individualismus aus. Wie ist aber ein Zusammenleben der Menschen möglich, wenn jeder nur bestrebt ist, seine Individualität zur Geltung zu bringen? Damit ist ein Einwand des falsch verstandenen Moralismus gekennzeichnet. Dieser glaubt, eine Gemeinschaft von Menschen sei nur möglich, wenn sie alle vereinigt sind durch eine gemeinsam festgelegte sittliche Ordnung.
Dieser Moralismus versteht eben die Einigkeit der Ideenwelt nicht. Er begreift nicht, daß die Ideenwelt, die in mir tätig ist, keine andere ist, als die in meinem Mitmenschen. Diese Einheit ist allerdings bloß ein Ergebnis der Welterfahrung. Allein sie muß ein solches sein. Denn wäre sie durch irgend etwas anderes als durch Beobachtung zu erkennen, so wäre in ihrem Bereich nicht individuelles Erleben, sondern allgemeine Norm geltend. Individualität ist nur möglich, wenn jedes individuelle Wesen vom andern nur durch individuelle Beobachtung weiß. Der Unterschied zwischen mir und meinem Mitmenschen liegt durchaus nicht darin, daß wir in zwei ganz verschiedenen Geisteswelten leben, sondern daß er aus der uns gemeinsamen Ideenwelt andere Intuitionen empfängt als ich. Er will seine Intuitionen ausleben, ich die meinigen. Wenn wir beide wirklich aus der Idee schöpfen und keinen äußeren (physischen oder geistigen) Antrieben folgen, so können wir uns nur in dem gleichen Streben, in denselben Intentionen begegnen. Ein sittliches Mißverstehen, ein Aufeinanderprallen ist bei sittlich freien Menschen ausgeschlossen. Nur der sittlich Unfreie, der dem Naturtrieb oder einem angenommenen Pflichtgebot folgt, stößt den Nebenmenschen zurück, wenn er nicht dem gleichen Instinkt und dem gleichen Gebot folgt.
Leben in der Liebe zum Handeln und Leben lassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen. Sie kennen kein anderes Sollen als dasjenige, mit dem sich ihr Wollen in intuitiven Einklang versetzt; wie sie in einem besonderen Falle wollen werden, das wird ihnen ihr Ideenvermögen sagen. Läge nicht in der menschlichen Wesenheit der Urgrund zur Verträglichkeit, man würde sie ihr durch keine äußeren Gesetze einimpfen! Nur weil die menschlichen Individuen eines Geistes sind, können sie sich auch nebeneinander ausleben. Der Freie lebt in dem Vertrauen darauf, daß der andere Freie mit ihm einer geistigen Welt angehört und sich in seinen Intentionen mit ihm begegnen wird. Der Freie verlangt von seinen Mitmenschen keine Übereinstimmung, aber er erwartet sie, weil sie in der menschlichen Natur liegt. Damit ist nicht auf die Notwendigkeiten gedeutet, die für diese oder jene äußeren Einrichtungen bestehen, sondern auf die Gesinnung, auf die Seelenverfassung, durch die der Mensch in seinem Sich-Erleben unter von ihm geschätzten Mitmenschen der menschlichen Würde am meisten gerecht wird.“ (Lit.: GA 4, S. 130)
Freiheit
Die Freiheit (lat. libertas; griech. ἐλευθερία éleutheria) des Menschen liegt nach Rudolf Steiner darin begründet, dass er die Gesetze seines Handelns erkennen und darauf seine Entscheidungen gründen kann. Ausgangspunkt der Freiheit ist daher nicht die Freiheit des Willens, sondern die Freiheit der Gedanken, die sich der Mensch im reinen, sinnlichkeitsfreien Denken durch moralische Intuition erringen und dadurch sein Handeln frei gestalten kann. „Lesen Sie nach in meiner «Philosophie der Freiheit», was für einen großen Wert ich darauf gelegt habe, daß nicht gefragt werde nach der Freiheit des Willens. Der sitzt unten, tief unten im Unbewußten, und es ist ein Unsinn, nach der Freiheit des Willens zu fragen, sondern man kann nur von der Freiheit der Gedanken sprechen. Ich habe das in meiner «Philosophie der Freiheit» wohl auseinandergehalten. Die freien Gedanken müssen dann den Willen impulsieren, dann ist der Mensch frei.“ (Lit.: GA 235, S. 46ff)
Eleutheria
Der griechische Begriff Éleutheria (griech. ἐλευθερία) leitet sich vermutlich von griech. ἐλευ éleu ab, was ungefähr bedeutet: „ein geliebtes Ziel erreichen“ (zu können), durchaus im Sinne einer äußeren (See)Reise, die man bestehen muss und dabei seine Kräfte und Fähigkeiten entwickelt, um das erstrebte, geliebte Ziel zu erreichen, wie es klassisch Homer in seiner Ilias und Odyssee schildert.
Gedankenfreiheit und sittliche Autonomie
Die Freiheit (Arnold Böcklin, 1891)
„Es handelt sich dabei darum, daß man die Freiheit entwickelt hat zunächst im Gedanken. Im Gedanken geht der Quell der Freiheit auf. Der Mensch hat einfach ein unmittelbares Bewußtsein davon, daß er im Gedanken ein freies Wesen ist.“ (Lit.: GA 235, S. 54)
Die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten des eigenen Handelns ist zunächst nur ein Sonderfall des Erkennens überhaupt, doch indem die Erkenntnis sich auf die bewusste Tätigkeit des Ichs richtet, liegt diese Gesetzmäßigkeit nicht außerhalb des erkannten Objektes, des Ichs, sondern ist der Inhalt des im lebendigen Tun begriffenen Ich selbst, das diese Gesetze aus sich und der Einsicht in die Gegebenheiten hervorbringt. Erkennender und Erkanntes, Subjekt und Objekt, ‚fallen in eins‘, werden identisch, und damit beherrschen uns nicht mehr von außen gegebene sittliche Gebote und Gesetze, auch nicht mehr von innen aufgedrungene triebhafte Handlungsweisen, sondern wir nehmen erstere in unser eigenes Wesen auf oder wir klären, was uns letztere abverlangen und vollziehen nur das, was wir uns selbst befehlen, d. h. was wir selbst zu bewussten Handlungsmotiven erhoben haben. „Wahrhaft unsere Handlungen sind ja doch nur diejenigen, wo wir, den Pflichtbegriff vollkommen beiseite setzend, rein unsere Individualität walten lassen.“ (Lit.: GA 38, S. 143)
Dadurch wird im Sinne Steiners die sittliche Autonomie und der ethische Individualismus und eine durchgreifende Toleranz im Zusammenspiel von Mensch, Gesellschaft und Welt begründet. Voraussetzung dafür ist, dass man das liebt, was man aus Einsicht tut, d.h. sich in freier Hingabe mit dem Auszuführenden identifiziert und dabei die sozialen und natürlichen Bedingungen beachtet. Daraus folgt die Grundmaxime der freien Menschen, die Rudolf Steiner in seiner Philosophie der Freiheit so formuliert hat:
„Leben in der Liebe zum Handeln und Leben lassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.“ (Lit.: GA 4, S. 166)
Seine Gedanken zur Freiheit hat Rudolf Steiner ausführlich in seinen grundlegenden philosophischen Schriften dargestellt, vor allem am Anfang seines öffentlichen schriftstellerischen Wirkens in „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller„, „Wahrheit und Wissenschaft“ und in „Die Philosophie der Freiheit“ und später, da die Verwirklichung der Freiheitsidee schon eine lange Entwicklung der Bewusstseinskräfte innerhalb der Weltanschauungssysteme und damit des immer universeller werdenden individuellen Denkens in der Menschheit durchgemacht hat, aus der reifen Erfahrung seines jahrzehntelangen Umgangs mit dem in seinen frühen Werken konzipierten Erkenntnisweg in „Die Rätsel der Philosophie„.
„Wer dieses Buch, meine «Philosophie der Freiheit» studiert, wird allerdings finden, daß ich genötigt war, nicht von einer Freiheit des Willens zunächst zu sprechen, sondern von der Freiheit dessen, was im Gedanken, und zwar in dem sinnlichkeitsfreien Gedanken, im reinen Gedanken, erlebt wird, in demjenigen Gedanken aber, der in der menschlichen Seele bewußt als ein sittliches, als ein moralisches Ideal auftaucht, und der diejenige Stärke erlangt, die auf den Willen des Menschen motivierend wirken kann. Wir können von Freiheit des Menschen sprechen, wenn wir von jenen Handlungen des Menschen sprechen, die aus seinem freien Denken heraus gestaltet werden, wo der Mensch durch eine moralische Selbsterziehung dazu kommt, daß ihn die Instinkte, die Triebe, die Emotionen, sein Temperament nicht beeinflussen zu einer Handlung, sondern allein die hingebungsvolle Liebe zu einer Handlung. In dieser hingebungsvollen Liebe zu einer Handlung kann sich entwickeln, was aus der idealen Stärke des reinen sittlichen Gedankens hervorgeht. Das ist eine wirkliche freie Handlung.“ (Lit.: GA 79, S. 128)
Freiheit und Intellektualismus
Im Intellektualismus erstirbt unser geistiges Wesen, aber gerade dadurch wird uns die Möglichkeit zur Freiheit gegeben. Der Intellekt ist keine Wirklichkeit, sondern bloßes Bild und kann uns daher nicht zwingen. Indem wir dieses Bild schöpferisch umgestalten und in in voller Freiheit in unserem Denken die sittlichen Impulse gestalten, die unser Handeln leiten, verwirklichen wir damit zugleich unser ureigenstes geistiges Wesen. „Der Mensch mußte intellektualistisch werden, damit er frei werden könne. Der Mensch verliert im Intellektualismus sein geistiges Wesen, denn er kann vom Intellektualismus nichts durch des Todes Pforte tragen. Aber er erwirbt hier die Freiheit durch den Intellektualismus, und was er so in Freiheit erwirbt, das kann er dann durch des Todes Pforte tragen. Der Mensch mag also denken so viel er will auf bloße intellektualistische Art – nichts davon geht durch des Todes Pforte.
Allein wenn der Mensch das Denken verwendet, um es in freien Handlungen auszuleben, so geht so viel gewissermaßen als die geistig-seelische Substanz, die ihn zum Wesen macht und nicht zum bloßen Wissen, mit ihm aus seinen Freiheitserlebnissen durch des Todes Pforte. Im Denken wird uns durch den Intellektualismus unser Menschenwesen genommen, um uns zur Freiheit gelangen zu lassen. Was wir in Freiheit erleben, das wird uns dann wiederum gegeben als menschliches Wesen. Der Intellektualismus tötet uns, aber er belebt uns auch. Er läßt uns wieder auferstehen mit völlig verwandelter Wesenheit, indem er uns zu freien Menschen macht.“ (Lit.: GA 207, S. 170)
„Wir können deutlich auf das erste Drittel des 15. Jahrhunderts hinweisen: da ist mit aller Deutlichkeit erst dieser Intellektualismus heraufgekommen. Früher haben die Menschen, auch wenn sie sogenanntes Wissenschaftliches gedacht haben, viel mehr in Bildern, welche die Wachstumskräfte der Dinge selber darstellten, gedacht, nicht in abstrakten Begriffen, wie wir das heute selbstverständlich tun müssen. Nun, diese abstrakten Begriffe, die uns innerlich zum reinen Denken erziehen, wovon ich gerade in meiner «Philosophie der Freiheit» gesprochen habe, diese abstrakten Begriffe, sie machen es möglich, daß wir freie Wesen werden. Als die Menschen noch nicht in Abstraktionen denken konnten, waren sie mit ihrer ganzen Seelenverfassung determiniert, abhängig. Frei können sich erst die Menschen entwickeln, nachdem sie innerlich durch nichts bestimmt sind, nachdem die moralischen Impulse – Sie können das nachlesen in meiner «Philosophie der Freiheit» – im reinen Denken erfaßt werden können.
Reine Gedanken sind aber keine Realität, sondern sie sind Bilder. Bilder können uns nicht zwingen, wir selber müssen unser Handeln bestimmen; Bilder haben nichts Zwingendes. Die Menschheit hat sich auf der einen Seite zum abstrakten Gedanken, auf der andern Seite zur Freiheit entwickelt. Das habe ich von andern Gesichtspunkten aus öfter dargestellt. Aber nun, bevor die Menschheit fortgeschritten war dazu, im Erdenleben den abstrakten Gedanken zu fassen, im Erdenleben durch dieselbe Fähigkeit, die den abstrakten Gedanken fassen kann, zur Freiheit zu kommen, wie war es denn damals mit ihr? Da hat die Menschheit im Leben auf der Erde zwischen der Geburt und dem Tode nicht abstrakte Gedanken gefaßt; selbst im alten Griechenland war das noch nicht möglich, geschweige denn in früheren Zeiten. Da hat die Menschheit durchaus in Bildern gedacht und war demgemäß auch nicht mit dem innerlichen Freiheitsbewußtsein ausgestattet, das eben heraufgezogen ist mit dem reinen, das ist abstrakter Gedanken. Der abstrakte Gedanke läßt uns kalt. Dasjenige, was uns der abstrakte Gedanke an moralischer Fähigkeit gibt, das erwärmt uns im intensivsten Sinne, denn das stellt im höchsten Sinne unsere Menschenwürde dar.
Wie war es, bevor der abstrakte Gedanke mit der Freiheit über die Menschheit kam? Nun, Sie wissen, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht, dann hat er in den ersten Tagen, nachdem er seinen physischen Leib verlassen hat, noch den ätherischen Leib an sich, und er hat wie in einer umfassenden Rückschau, nicht in Detailmalerei, aber in ausgleichenden universellen Bildern seinen ganzen Lebensgang, den er durchgemacht hat, soweit er sich zurückerinnert, vor sich. Dieses Lebenstableau hat der unmittelbar Verstorbene durch mehrere Tage vor sich als Bildinhalt. Ja, meine lieben Freunde, so ist es heute. In derjenigen Zeit, in der die Menschen hier auf der Erde Bildinhalt hatten, hatten sie unmittelbar nach dem Tode das, was der heutige Mensch erlebt, das Rationelle, die logische Erfassung der Welt, die sie zwischen Geburt und Tod nicht hatten, in der Rückschau vor sich. Das ist etwas, was uns im eminentesten Sinne hineinführt in das Verständnis der Menschenwesenheit.
Dasjenige, was der Mensch einer älteren Geschichtsepoche sogar, nicht nur der Urzeit, erst nach dem Tode hatte: einen kurzen Rückblick in abstrakten Begriffen und den Impuls der Freiheit, der ihm dadurch dann blieb für das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, das hat sich hereingeschoben während der Menschheitsentwickelung in das Erdenleben. Das gehört zu den Geheimnissen des Daseins, daß sich Übersinnliches fortwährend hereinschiebt in das Sinnliche. Was heute ausgedehnt ist über das Erdenleben, die Fähigkeit der Abstraktion und Freiheit, das war etwas, was bei einer älteren Menschheit nach dem Tode erst in den Menschenbesitz kam mit dieser Rückschau, während heute der Mensch während des Erdenlebens zwischen der Geburt und dem Tode die Rationalität, die Intellektualität und die Freiheit hat und daher eine bloße Bildrückschau nach dem Tode. So schieben sich die Dinge ineinander. Fortwährend schiebt sich real Konkret- Übersinnliches in das Sinnliche herein.“ (Lit.: GA 257, S. 43f)
Schein und Wirklichkeit
Wir können uns die Freiheit nur deswegen erringen, weil wir während unseres Erdenlebens mit unserem Tagesbewusstsein in einer Welt des bloßen Scheins leben.
„Wenn wir unsere Sinne hinausrichten in unsere Weltumgebung zwischen Geburt und Tod, dann stellt sich uns die Welt als Erscheinung, als Schein dar […]
Wenn aber der Mensch zwischen Geburt und Tod im heutigen Zeitalter die Welt nicht als Schein wahrnehmen würde, wenn er den Schein nicht erleben könnte, so könnte er ja nicht frei sein. Die Entwickelung der Freiheit ist nur möglich in der Welt des Scheines. Ich habe das angedeutet in meinem Buche «Vom Menschenrätsel», indem ich darauf hingewiesen habe, daß eigentlich die Welt, die wir erleben, verglichen werden kann mit den Bildern, die uns aus einem Spiegel heraus anschauen. Diese Bilder, die uns aus einem Spiegel heraus anschauen, die können uns nichts aufzwingen; sie sind eben nur Bilder, sie sind Schein. Und so ist das, was der Mensch als Wahrnehmungswelt hat, auch Schein.
Der Mensch ist ja durchaus nicht etwa ganz nur in den Schein der Welt eingesponnen. Er ist nur mit seinem Wahrnehmen, das sein waches Bewußtsein ausfüllt, eingesponnen in eine Scheinwelt. Aber wenn der Mensch hinblickt auf seine Triebe, auf seine Instinkte, auf seine Leidenschaften, auf seine Temperamente, auf all das, was heraufwogt aus dem menschlichen Wesen, ohne daß er es zu klaren Vorstellungen bringen kann, wenigstens zu wachen Vorstellungen, so ist ja das alles nicht Schein. Es ist schon Wirklichkeit, aber eine Wirklichkeit, die dem Menschen nicht vor das gegenwärtige Bewußtsein tritt. Der Mensch lebt zwischen Geburt und Tod in einer wahren Welt, die er nicht kennt, die aber niemals dazu angetan ist, ihm wirklich die Freiheit zu geben. Instinkte, die ihn unfrei machen, kann sie ihm einpflanzen, innere Notwendigkeiten kann sie hervorbringen, aber nie und nimmer kann sie den Menschen die Freiheit erleben lassen. Die Freiheit kann nur erlebt werden innerhalb einer Welt von Bildern, von Schein. Und wir müssen eben, indem wir aufwachen, in ein Scheinwahrnehmungsleben eintreten, damit sich da die Freiheit entwickeln kann.“ (Lit.: GA 207, S. 172f)
Anders ist es zunächst im Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Da tritt dem Menschen die Wirklichkeit der geistigen Welt entgegen und er wird dadurch von deren Notwendigkeit gefangengenommen. Was er sich aber im Erdenleben an Freiheit erworben hat, das kann er als sein Eigenwesen durch die Todespforte tragen und in der jenseitigen Welt geltend machen. „Das Leben im Scheine ist ihm eigentlich nur gewährt zwischen der Geburt und dem Tode. Der Mensch kommt heute nicht dazu, zwischen dem Tode und einer neuen Geburt im Scheine zu leben. Er wird gewissermaßen gefangengenommen von der Notwendigkeit, wenn er durch den Tod tritt […]
Das ist die Entwickelung, in die der Mensch eingetreten ist mit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Aus dem Schein der Erde sind ihm verschwunden die göttlich-geistigen Welten. In der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt nehmen ihn aber diese göttlich-geistigen Welten so gefangen, daß er seine Selbständigkeit ihnen gegenüber nicht bewahren kann. Nur, sagte ich, wenn der Mensch hier wirklich Freiheit entwickelt, das heißt, wenn er seinen ganzen Menschen engagiert für das Scheinleben, dann ist es ihm möglich, auch sein Eigenwesen durch die Todespforte zu tragen.“ (Lit.: GA 207, S. 174f). Wirkt das Erleben der nachtodlichen Notwendigkeit zu stark in das nächste Erdenleben hinein, entsteht eine Gefahr, in der die gegenwärtige Menschheit tatsächlich schwebt:
„Sie kann sich nicht recht einleben in die bloße Welt der Phänomene, in die Welt des Scheines. Überwiegend mit dem inneren Leben kann sie sich nicht in diese Welt des Scheines einleben. Sie will sich der Notwendigkeit, der inneren Notwendigkeit übergeben, den Instinkten, Trieben, Leidenschaften. Wir sehen ja heute wenig von dem verwirklicht, was aus der freien Impulsivität des reinen Denkens hervorgeht. Aber ebensoviel als dem Menschen hier im Leben zwischen Geburt und Tod mangelt an Freiheit, ebensoviel kommt mit dem hypnotisierenden Zwang zwischen Tod und neuer Geburt von Unfreiheit, von Notwendigkeit in der Wahrnehmung über ihn. So daß dem Menschen die Gefahr droht, daß er durch die Todespforte schreitet, sein eigenes Wesen nicht mitnehmen kann, aber für die Wahrnehmungswelt sich nicht einlebt in etwas Freies, sondern in etwas, was ihn untertauchen läßt in Zwangsverhältnisse, was ihn wie erstarren macht in der äußeren Welt.“ (Lit.: GA 207, S. 178)
Technik und Freiheit.
„In der Maschine hat sich der Mensch mit einem zwar Durchsichtigen, aber ihm Fremden umgeben. Er hat sein Leben mit diesem Fremden verbunden. Kalt und menschenfern steht die Maschine da, ein Triumph der «sicheren» Erkenntnis; neben ihr steht der Mensch selbst, Finsternis vor sich, wenn er mit dieser Erkenntnis in sich selbst hineinsieht.
Und dennoch: diesen Blick in das durchsichtige Tote mußte die Menschheit in sich erziehen, wenn sie völlig wach werden sollte. Sie braucht das Bildwissen von dem, was ihrem eigenen Wesen fremd ist, zum Wachsein. Denn alles vorangehende Wissen ist aus dem Dunkel der eigenen Menschennatur mitbestimmt; klar wird es erst vor der Seele, wenn die Menschenseele zum bloßen Spiegel wird, der nur noch Bilder des Menschenfremden entwirft. Vorher hatte der Mensch in seinem Seeleninhalt, wenn er von Wissen sprach, die Triebe, die Inhalte seiner eigenen Natur, die als solche nicht klar sein können. Seine Ideen waren von einem Sein durchsetzt; aber sie waren nicht klar. – Die Bilder des leblosen Seins sind klar. Nun aber hat der Mensch an diesen Bildern nicht nur die Offenbarung des Leblosen, sondern auch innere Erlebnisse. Bilder können durch ihre eigene Natur nichts veranlassen. Sie sind kraftlos. Erlebt der Mensch seine sittlichen Impulse in dem Reich des Bildlichen so, wie er es an der leblosen Natur sich anerzogen hat, dann erhebt er sich zur Freiheit. Denn Bilder können nicht wie Triebe, Leidenschaften oder Instinkte den Willen bestimmen. Erst das Zeitalter, das am Toten das Mathematik-ähnliche Bilddenken entwickelte, kann den Menschen zur Freiheit geleiten. Die kalte Technik gibt dem Menschendenken ein Gepräge, das in die Freiheit führt. Zwischen Hebel, Rädern und Motoren lebt nur ein toter Geist; aber in diesem Totenreiche erwacht die freie Menschenseele. Sie muß den Geist in sich erwecken, der vorher nur mehr oder weniger träumte, als er noch die Natur beseelte. Aus dem träumenden wird waches Denken an der Kälte der Maschine.“ (Lit.:GA 36, S. 84f)
Das Freiheitserlebnis im Zusammenhang mit Imagination, Inspiration und Intuition.
„In jedem Freiheitserlebnis sind drei Dinge verwoben. Sie erscheinen als Einheit im Moment, wo das Erlebnis sich ereignet, aber der nachherige Gang des Lebens läßt sie getrennt bewußt werden. Man erlebt das, was man zu tun hat, als inneres Bild, das in freier moralischer Phantasietätigkeit vor einem aufsteigt. Als eine wahre Imagination erscheint, was man zu tun sich entschließt, weil man es liebenswert finden muß. Das Zweite, was in dem einheitlichen Erlebnis enthalten ist, ist der Impuls, daß man von höheren Mächten ermahnt wird, dem im Innern Aufkeimenden zu folgen. <Tue es> sagen die inneren Stimmen, und das Gewahrwerden derselben ist eine wahre Inspiration. Aber noch ein drittes Element ist dem einheitlichen Erlebnis eingewoben. Man stellt sich durch die Tat in eine äußere Schicksalsumgebung hinein, in die man ohne das Freiheitserlebnis niemals eingetreten wäre. Man begegnet jetzt anderen Menschen, wird an andere Orte geführt, dadurch, daß das innere intuitiv Erfaßte nun zur schicksalhaft von außen herantretenden Umgebung wird. Die Situation einer wahren Intuition ergibt sich.» «Sehen Sie», fuhr Rudolf Steiner fort, «diese drei ineinander verwobenen Erlebnisse haben sich nachher auseinandergelegt,-sind isoliert bewußt geworden, so daß die Imagination und die Inspiration und die Intuition als Erkenntnisakte bewußt wurden.“ (Lit.: Beiträge 49, S. 30)
Der Wille zur Freiheit.
Wer in der Erkenntnis bei seinen persönlichen Meinungen und Ansichten stehen bleibt, erkennt nur das Vergängliche. Wer aber in sich das Ich als seinen ewigen Wesenskern erkennt, der erkennt auch das Ewige in den anderen Dingen, die ihn umgeben. „Solange man persönlich mit der Welt lebt, so lange enthüllen die Dinge auch nur das, was sie mit unserer Persönlichkeit verknüpft das aber ist ihr Vergängliches. Ziehen wir uns selbst von unserem Vergänglichen zurück und leben wir mit unserem Selbstgefühl, mit unserem «Ich» in unserem Bleibenden, dann werden die vergänglichen Teile an uns zu Vermittlern; und was sich durch sie enthüllt, das ist ein Unvergängliches, ein Ewiges an den Dingen. Dieses Verhältnis seines eigenen Ewigen zum Ewigen in den Dingen muß bei dem Erkennenden hergestellt werden können.“ (Lit.: GA 9, S. 188f). Wer sich aus dieser im und durch das Ich gefundenen Erkenntnis des Ewigen die Impulse seines Handelns gibt, der handelt im Einklang mit der ewigen Weltordnung und zugleich in voller Freiheit. Freilich ist das ein Ideal, das der Mensch noch lange nicht erreicht hat, aber es ist ein Ziel, dem er zustreben kann – und das ist sein Wille zur Freiheit.
„So eröffnet sich dem Erkennenden die Möglichkeit, nicht mehr den unberechenbaren Einflüssen der äußeren Sinnenwelt allein zu folgen, die sein Wollen bald da-, bald dorthin lenken. Er hat durch Erkenntnis in der Dinge ewiges Wesen geschaut. Er hat durch die Umwandlung seiner inneren Welt die Fähigkeit in sich, dieses ewige Wesen wahrzunehmen. Für den Erkennenden erhalten die folgenden Gedanken noch eine besondere Wichtigkeit. Wenn er aus sich heraus handelt, so ist er sich bewußt, aus dem ewigen Wesen der Dinge heraus zu handeln. Denn die Dinge sprechen in ihm dieses ihr Wesen aus. Er handelt also im Sinne der ewigen Weltordnung, wenn er aus dem in ihm lebenden Ewigen diesem seinem Handeln die Richtung gibt. Er weiß sich dadurch nicht mehr bloß von den Dingen getrieben; er weiß, daß er sie nach den ihnen selbst eingepflanzten Gesetzen treibt, welche die Gesetze seines eigenen Wesens geworden sind. – Dieses Handeln aus dem Innern kann nur ein Ideal sein, dem man zustrebt. Die Erreichung dieses Zieles liegt in weiter Ferne. Aber der Erkennende muß den Willen haben, diese Bahn klarzusehen. Dies ist sein Wille zur Freiheit. Denn Freiheit ist Handeln aus sich heraus. Und aus sich darf nur handeln, wer aus dem Ewigen die Beweggründe schöpft. Ein Wesen, das dies nicht tut, handelt nach anderen Beweggründen, als den Dingen eingepflanzt sind. Ein solches widerstrebt der Weltordnung. Und diese muß ihm gegenüber dann obsiegen. Das heißt: es kann letzten Endes nicht geschehen, was es seinen Willen vorzeichnet. Es kann nicht frei werden. Willkür des Einzelwesens vernichtet sich selbst durch die Wirkung ihrer Taten.“ (Lit.: GA 9, S. 190f)
Die Wurzeln der menschlichen Freiheit.
Eugène Delacroix – Die Freiheit führt das Volk
Der «Streit am Himmel» → Hauptartikel: Streit am Himmel.
In der Übergangszeit von der alten Sonne zum alten Mond fand der sogenannte Streit am Himmel statt. Dabei wurden Wesenheiten aus der Hierarchie der Dynameis (Geister der Bewegung) gleichsam „abkommandiert“, um als Widersacher die fortschreitende Entwicklung zu hemmen, aber gerade dadurch einen neuen wesentlichen Evolutionssprung zu bewirken. Diese Mächte waren an sich noch nicht böse und hätten auch nicht aus eigenem Willen zu hemmenden Kräften werden können. Aber indem sie Sturm liefen gegen die normale Entwicklung und der Evolution dadurch neue Wege eröffneten, wurde sie letztlich auch zu Erzeugern des Bösen, ermöglichten aber gerade dadurch die Freiheit. Sie selbst hatten zwar diese Freiheit noch nicht, aber ein Teil der Engelswesenheiten, die auf dem alten Mond ihre Menschheitsstufe, d.h. ihre Ich-Entwicklung absolvierten, konnte sich durch den hemmenden Einfluss der Dynameis aus dem Willen der Gottheit befreien und eigene Ziele verfolgen. Sie wurden dadurch zu luziferischen Geistern.
„So sehen wir, daß in einer gewissen Beziehung erst dadurch, daß die Mächte abkommandiert wurden, dem Menschen die Möglichkeit gegeben wurde, aus sich selbst heraus das Ziel zu erreichen, das selbst die höchsten Seraphim nicht aus sich selbst erreichen können. Das ist das Wesentliche. Sie können gar nicht anders handeln, die Seraphim, Cherubim, Throne, als unmittelbar den Impulsen folgen, die die Gottheit gibt. Die Herrschaften, die ganze zweite Hierarchie kann auch nicht anders handeln. Von den Mächten war eine Anzahl abkommandiert; also auch diese Mächte, die sozusagen sich in den Weg der Entwickelung warfen, konnten nicht anders als den Befehlen der Gottheit folgen. Auch in dem, was man nennen könnte, den Ursprung des Bösen, auch da vollziehen sie nur den Willen der Gottheit; indem sie sich zu Dienern des Bösen machen, vollziehen sie nur den Willen der Gottheit, die durch den Umweg des Bösen das starke Gute entwickeln will. Und steigen wir jetzt herunter zu denjenigen Wesenheiten, die wir die Gewalten nennen: Durch sich selbst hätten sie das nicht erreichen können.
Auch sie hätten nicht böse werden können durch sich selbst; auch nicht die Geister der Persönlichkeit, auch nicht die Feuergeister. Denn als diese auf der Sonne Menschen waren, da waren ja die Mächte noch nicht abkommandiert, da war überhaupt noch keine Möglichkeit vorhanden, böse zu werden. Die ersten, die die Möglichkeit hatten, böse zu werden, waren die Engel, denn diese Möglichkeit war erst von der Mondentwicklung aus vorhanden. Da, von der Sonne zum Mond, hat der Streit am Himmel stattgefunden. Ein Teil der Engel hat nun diese Möglichkeit ausgeschlagen, hat sozusagen sich nicht verführen lassen durch die Kräfte, die in die Hemmnisse hineinführen sollten; die blieben bei der alten Natur. So daß wir bis zu den Engeln herab und noch in einem Teil der Engel solche Wesenheiten der geistigen Hierarchien vor uns haben, die unbedingt nicht anders können, als dem göttlichen Willen folgen, bei denen es keine Möglichkeit gibt, dem göttlichen Willen nicht zu folgen. Das ist das Wesentliche.
Und nun kommen wir zu zwei Kategorien von Wesenheiten: Erstens denjenigen Engeln, die sich hineingestürzt haben in das, was die Mächte während des Streites am Himmel angerichtet haben. Das waren solche Wesenheiten, die wir eben wegen ihrer weiteren Taten die luziferischen Wesenheiten nennen. Diese Wesenheiten haben sich dann herangemacht an den menschlichen Astralleib während der Erdenentwickelung und dem Menschen die Möglichkeit des Bösen gegeben, aber damit auch die Möglichkeit, aus eigener freier Kraft sich zu entwickeln. So daß wir innerhalb der ganzen Stufenfolge der Hierarchien nur bei einem Teil der Engel und beim Menschen die Möglichkeit der Freiheit haben. Sozusagen mitten in der Reihe der Engel beginnt die Möglichkeit der Freiheit; im Menschen ist sie aber doch erst in der richtigen Weise ausgebildet.
Als der Mensch die Erde betrat, hat er allerdings zunächst verfallen müssen der großen Gewalt der luziferischen Geister. Sie durchdrangen den Astralleib des Menschen mit ihren Kräften, und das Ich wurde dadurch einbezogen in diese Kräfte; so daß wir während der lemurischen und atlantischen Entwickelung, und auch nachher noch, das Ich wie in einer Wolke haben, wie in eine Wolke gehüllt, die herbeigeführt worden ist durch die Einflüsse Luzifers. Der Mensch ist nur dadurch bewahrt worden vor der Überwältigung durch die ihn herabziehenden Kräfte, daß frühere Wesenheiten ihn überschattet haben, daß die Engel, die oben geblieben waren, und die Erzengel oben, in besonderen Individuen sich verkörpert und ihn geführt haben. Und das geschah bis in jene Zeit hinein, wo etwas ganz Besonderes eintrat, wo eine Wesenheit, welche bis dahin nur verbunden war mit dem Sonnendasein, so weit gekommen war, daß sie jetzt nicht nur, wie frühere Wesenheiten der höheren Welten, in den physischen Leib, Ätherleib und Astralleib des Menschen hineintreten konnte, sondern daß sie eindringen konnte in den Menschen bis in das Ich.“ (Lit.: GA 110, S. 166f)
Christus und das Mysterium von Golgatha
Die luziferischen Geister ermöglichten es dem Menschen, während der Erdentwicklung die Freiheit zu erlangen, nämlich die Freiheit, sich aus dem Willen der Gottheit zu befreien. Das ist aber nur die eine, die negative Seite der Freiheit. Der Mensch wäre dadurch allerdings den luziferischen Mächten verfallen, die in seinem Astralleib wirkten. Das konnte nur dadurch verhindert werden, dass sich der Christus selbst auf Erden inkarnierte. Der Christus wirkt unmittelbar durch das Ich des Menschen, aber er entäußert sich dabei jeglichen Machtanspruchs und ermöglicht es dadurch dem Menschen, sich aus freiem Entschluss zum Geistigen zu erheben. Erst dadurch wird die volle Freiheit verwirklicht.
„… diese Tat ist eine solche, daß sie auf keinen Menschen anders wirkt, als wenn er sich selbst dazu entschließt, sie auf sich wirken zu lassen, das heißt, wenn sie mit dem absolut freien Charakter seines individuellen Ich vereinbar ist. Denn nicht genügt es, daß der Christus anwesend wird im menschlichen Astralleib, sondern der Christus muß, wenn er wirklich verstanden werden soll, im menschlichen Ich anwesend werden. Und das Ich muß sich frei entschließen, den Christus aufzunehmen. Das ist es, worauf es ankommt. Aber gerade dadurch nimmt dieses menschliche Ich, wenn es sich mit dem Christus verbindet, eine Realität in sich auf, eine göttliche Kraft, nicht bloß eine Lehre. Daher kann hundertmal bewiesen werden, daß alle Lehren des Christentums schon zu finden sind da oder dort; aber darauf kommt es nicht an, sondern darauf, daß das Wesentliche im Christentum die Tat ist, die nur durch eine freiwillige Erhebung in die höheren Welten zum eigenen Besitz werden kann. Dadurch also nimmt der Mensch die Christus-Kraft auf, daß er sie freiwillig aufnimmt, und keiner kann sie aufnehmen, der sie nicht freiwillig aufnimmt. Dies ist aber dem Menschen nur dadurch möglich geworden, daß der Christus auf der Erde Mensch geworden ist, daß er berufen war, auf der Erde Mensch zu werden.“ (Lit.: GA 110, S. 170)
„Das ist der große Unterschied beim Christentum gegenüber den alten Götterlehren. Wenn der Mensch den Christus finden will, dann muß er ihn in Freiheit finden. Er muß sich frei zu dem Mysterium von Golgatha bekennen. Der Inhalt der Kosmogonien drängte sich dem Menschen auf. Das Mysterium von Golgatha drängt sich dem Menschen nicht auf. Er muß in einer gewissen Auferstehung seines Wesens in Freiheit an das Mysterium von Golgatha herankommen.“ (Lit.: GA 207, S. 180)
„Hätte der Gott, der mit dem Namen des Vatergottes bezeichnet wird, es einst nicht zugelassen, daß die luziferischen Einflüsse an den Menschen herankommen konnten, so hätte der Mensch nicht die freie Ich-Anlage entwickelt. Mit dem luziferischen Einfluß wurde die Anlage zum freien Ich entwickelt. Das mußte zugelassen werden vom Vatergott. Nachdem aber das Ich — um der Freiheit willen — in die Materie verstrickt werden mußte, mußte nun, um von dem Verstrickt Sein in die Materie wieder befreit zu werden, die ganze Liebe des Sohnes zu der Tat von Golgatha führen. Dadurch allein ist Freiheit des Menschen, vollständige menschliche Würde erst möglich geworden. Daß wir freie Wesen sein können, das verdanken wir einer göttlichen Liebestat. So dürfen wir uns als Menschen fühlen wie freie Wesen, dürfen aber nie vergessen, daß wir diese Freiheit verdanken der Liebestat des Gottes. Wenn wir so denken, wird schon der Gedanke in die Mitte unseres Fühlens rücken: Du kannst zur menschlichen Würde kommen; nur eines darfst du nicht vergessen, daß du das, was du bist, dem verdankst, der dir wieder zurückgebracht hat dein menschliches Urbild durch die Erlösung auf Golgatha!

Den Freiheitsgedanken sollten die Menschen nicht ergreifen können ohne den Erlösungsgedanken des Christus. Dann allein ist der Freiheitsgedanke ein berechtigter. Wenn wir frei sein wollen, müssen wir das Opfer bringen, unsere Freiheit dem Christus zu verdanken! Dann erst können wir sie wirklich wahrnehmen.“ (Lit.: GA 131, S. 228f)
„Zweimal ist in der Menschheitsentwickelung dasselbe Wort gebraucht worden: Einmal bei der Paradieses Versuchung, als Luzifer zu dem Menschen sagte: «Ihr werdet sein wie die Götter, eure Augen werden geöffnet werden.» Das ist der bildliche Ausdruck für den luziferischen Impuls. Luzifer hat damit die Geistigkeit in die niedere Natur des Menschen gegossen und dafür den Menschen die Möglichkeit gegeben, zur inneren Freiheit durch sittliche Motive zu kommen. Und ein zweites Mal wurde gesagt, jetzt von dem Christus: Seid ihr nicht Götter? (Joh 10,34 LUT) – Dasselbe Wort! Daraus sieht man, daß es nicht nur ankommt auf den Inhalt eines Wortes, sondern auf das Wesen, das ein Wort ausspricht, auf die Art und Weise, wie ein Wort gesprochen wird. Da sieht man den notwendigen Zusammenhang zwischen der Luzifertat und der Tat des Christus auch in bildlicher Weise ausgedrückt, wie die religiösen Urkunden das zu tun pflegen. Luzifer ist der Bringer der persönlichen Freiheit des einzelnen Menschen, Christus ist der Träger der Freiheit des ganzen Menschengeschlechtes, des ganzen Menschentums auf Erden. Das ist das Bedeutsame der Anthroposophie, daß sie uns lehrt, daß die Anerkennung des Christus-Wesens in solcher Weise geschehen wird, daß es dem Menschen freisteht, den Christus anzuerkennen oder nicht, wie es dem Menschen freisteht, nicht moralisch zu sein. Eine freie Wahrheit soll der Christus für die Menschenseele sein.“ (Lit.: GA 150, S. 99)
„Und indem so dieses Himmlische, die Intellektualität und die Freiheit, in das irdische Leben eingezogen ist, ist für die Menschheit ein anderes Aufblicken zur Göttlichkeit notwendig geworden, als das früher der Fall war. Und dieses andere Aufblicken zur Göttlichkeit ist für die Menschheit möglich geworden durch das Mysterium von Golgatha. Indem der Christus eingezogen ist in das irdische Leben, kann er heiligen dasjenige, was aus übersinnlichen Welten eingezogen ist und was sonst den Menschen zur Hoffart und zu allem möglichen verführen würde. In einer Zeit leben wir, wo wir einsehen müssen: Von dem Christus-Impuls muß durchdrungen werden dasjenige, was unser Heiligstes in diesem Zeitalter ist: die Fähigkeit, reine Begriffe zu fassen, und die Fähigkeit der Freiheit.“ (Lit.: GA 257, S. 45)
Entwicklung zur Freiheit.
Freiheit ist dem Menschen nicht von Anfang an gegeben, sondern er muss sie selbsttätig entwickeln, indem er sich zum reinen sinnlichkeitsfreien Denken erhebt und in diesem die moralische Intuition erlebt.
„Man fragt: Ist der Mensch frei oder ist er nicht frei? Ist der Mensch ein freies Wesen, das mit wirklicher Verantwortung aus seiner Seele heraus die Entschlüsse fassen kann, oder ist er eingespannt in eine natürliche oder geistige Notwendigkeit wie ein Naturwesen? So hat man gefragt, ich möchte sagen, durch Jahrtausende, und so fragt man noch. Diese Frage schon ist der große Irrtum.
Man kann so nicht fragen, sondern die Frage nach der Freiheit ist eine Frage der menschlichen Entwicklung, einer solchen menschlichen Entwicklung, daß der Mensch im Laufe seines Jugendlebens oder vielleicht seines späteren Lebens Kräfte in sich entwickelt, die er nicht einfach von Natur aus hat. Man kann gar nicht fragen: Ist der Mensch frei ? Von Natur aus ist er es nicht, aber er kann sich immer mehr und mehr frei machen, indem er Kräfte erweckt, die in ihm schlummern und die die Natur nicht erweckt. Der Mensch kann immer freier und freier werden. Man kann nicht fragen: Ist der Mensch frei oder unfrei, sondern nur: Gibt es für den Menschen einen Weg zur Erringung der Freiheit? Und diesen Weg gibt es. Wie zuvor erwähnt, vor dreißig Jahren versuchte ich zu zeigen: Wenn der Mensch dazu aufrückt, ein inneres Leben in sich zu entwickeln, so daß er die sittlichen Impulse für seine Handlungen in reinen Gedanken erfaßt, kann er wirklich Gedankenimpulse, nicht bloß instinktive Emotionen seinen Handlungen zugrunde legen, – Gedanken, die in die äußere Wirklichkeit so untertauchen wie der Liebende in das geliebte Wesen.
Dann nähert sich der Mensch seiner Freiheit. Die Freiheit ist ebenso ein Kind des Gedankens, der in geistiger Hellsichtigkeit erfaßt wird – nicht unter einem äußeren Zwang -, wie sie ein Kind der wahren hingebungsvollen Liebe ist, der Liebe zum Objekt des Handelns. Wonach das deutsche Geistesleben in Schiller strebte, als er sich Kant gegenüberstellte und etwas ahnte von einem solchen Freiheitsbegriff, das ziemt uns, in der Gegenwart weiter auszubilden. Da aber stellte sich mir heraus, daß man nur sprechen kann von demjenigen, was den sittlichen Handlungen zugrunde liegt – wenn es auch bei den Menschen unbewußt bleibt, vorhanden ist es doch – ; und daß man das nennen muß Intuition. Und so sprach ich in meiner «Philosophie der Freiheit» von einer moralischen Intuition. Damit aber war auch der Ausgangspunkt gegeben für alles, was ich später auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft zu leisten versuchte.
Glauben Sie nicht, daß ich heute über diese Dinge in einer unbescheidenen Weise denke. Ich weiß sehr gut, daß diese «Philosophie der Freiheit », die ich vor mehr als dreißig Jahren als junger Mensch konzipiert habe, gewissermaßen alle Kinderkrankheiten desjenigen Gedankenlebens hat, das im Laufe des 19. Jahrhunderts heraufgezogen ist. Aber ich weiß auch, daß aus diesem Geistesleben heraus das entsprossen ist, was eine Hinaufleitung des Gedankenlebens in das wirklich Geistige ist. So daß ich mir sagen kann: Wenn sich der Mensch zu den sittlichen Impulsen in moralischer Intuition erhebt und ein wirklich freies Wesen darstellt, dann ist er bereits, wenn ich das verpönte Wort gebrauchen darf, mit Bezug auf seine sittlichen Intuitionen «hellsehend». In dem, was über alles Sinnliche hinausliegt, liegen die Antriebe alles Sittlichen. Genau genommen sind die wirklich sittlichen Gebote Ergebnisse menschlichen Hellsehens. Daher war ein gerader Weg von jener «Philosophie der Freiheit» zu dem, was ich heute als Geisteswissenschaft meine. Freiheit entsprießt im Menschen nur, wenn der Mensch sich entwickelt. Er kann sich aber weiter entwickeln, so daß er dasjenige, was schon der Freiheit zugrunde liegt, auch dazu treibt, daß er unabhängig wird von allem Sinnlichen und sich frei in die Gebiete des Geistes erhebt. So hängt Freiheit mit der Entwicklung des menschlichen Denkens zusammen. Freiheit ist genau genommen immer Gedankenfreiheit …“ (Lit.: GA 333, S. 107ff)
Freiheit und Karma.
Im Leben zwischen Tod und neuer Geburt legt der Mensch seinen Schicksalskern, sein Karma, in der Mondsphäre ab, über die er durch die Nachwirkung des Christus-Impulses hinausschreitet und sich aus der Sternensphäre die nötigen Kräfte holt, um sich beim Herabstieg zu einem neuen Erdenleben durch eine freie Geistestat diesen Schicksalskern so wieder einzuverleiben, dass er dadurch in selbständiger Weise sein Schicksal mit seiner geistig fortschreitenden Wesenheit in Zusammenhang bringt. Diese Möglichkeit besteht allerdings erst seit dem Mysterium von Golgatha. Das irdische Nachbild dieser im kosmischen Dasein vollbrachten freien Tat ist das Freiheitsgefühl während des Erdendlebens.
„Die Initiierten, welche Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha waren, oder die in den darauffolgenden Jahrhunderten bis zum 3. und 4. Jahrhundert lebten, konnten zu ihren Bekennern sagen: Die Form, die der menschliche physische Organismus im Erdenleben annimmt, die bildet immer mehr und mehr das Ich aus. Aber der Mensch verliert die Kraft, in jene Region einzutreten, in der das hohe Sonnenwesen oben sein Führer sein könnte in den geistigen Sternenregionen. Daher ist Christus heruntergestiegen auf die Erde, hat das Mysterium von Golgatha vollbracht. Und die Kraft, welche der Menschenseele dadurch wird, daß sie eine Gefühlsverbindung mit dem Mysterium von Golgatha hat, diese Kraft wirkt nach dem Tode nach und entreißt die Seele dem Schicksals-Wesenskern und der Mondsphäre, und unter der Nachwirkung des Christus bildet die Seele ihren künftigen physischen Organismus mit den anderen Wesen der Sternenwelt aus und findet dann wiederum den Schicksalskern, in den die Tendenz hineingelegt wird zur Schicksalsbildung der kommenden Erdenleben.
Was die Menschenseele als Kraft aus dem Christus-Impuls aufgenommen hat, das befähigt sie wiederum, in der richtigen Weise durch das Geisterland durchzugehen und den Schicksalskern in der richtigen Weise aufzunehmen. Derjenige, der heute aus der Initiationswissenschaft heraus redet, muß dazu noch das folgende sagen: Ja, es ist der Christus-Impuls, der über den Tod hinaus nachwirkt, unter dessen Einfluß der Mensch sich der Mondsphäre entringt, in die Sternen-Sonnensphäre eindringt und dort aus den Impulsen, die ihm die Wesen der Sternenwelt geben, arbeiten kann an der Herausgestaltung des physischen Organismus seines nächsten Erdenlebens. Aber er entringt sich der Mondsphäre durch die Kräfte, die er in seinem Ich aufgespeichert hat durch die Hinneigung zu dem Christus-Wesen und zu dem Mysterium von Golgatha. Er entringt sich der Mondsphäre in einer solchen Art, daß er nun auch in der Sternensphäre so arbeiten kann, daß er, wenn er wieder zur Mondsphäre zurückkehrt und ihm sein Schicksalskern begegnet, in einer freien Weise als eine freie Geistestat sich diesen Schicksalskern eingliedert, weil er sich sagen muß: Die Weltentwickelung kann nur in der richtigen Weise verfließen, wenn der Mensch sich diesen seinen Schicksalskern eingliedert und dasjenige, was er als sein Schicksal zubereitet hat, auch in ausgleichenden künftigen Erdenleben wiederum zurechtbringt.
Das ist das Wesentliche im Neu-Erleben des nachtodlichen Mondensphären- Erlebens, daß es da im kosmischen Dasein einen Augenblick gibt, wo der Mensch in selbständiger Weise sein Schicksal, sein Karma, mit seiner fortschreitenden Wesenheit in Zusammenhang bringt. Und das irdische Abbild dieser im Überirdischen vollbrachten Tat im nachherigen irdischen Leben ist die menschliche Freiheit, das Freiheitsgefühl während des Erdendaseins. Das richtige Verstehen der Schicksalsidee und ihr Verfolgen bis in die geistigen Welten hinauf begründet nicht eine Determinationsphilosophie, sondern eine wirkliche Philosophie der Freiheit, wie ich sie in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in meinem Buche «Philosophie der Freiheit» zugegeben hatte.“ (Lit.: GA 215, S. 177f)
„Im Aufnehmen der Kraft, welche für die Seele aus dem anschauenden und tätigen Gefühls-Miterleben des irdischen Christuslebens und des Mysteriums von Golgatha erwächst, erringt der Mensch schon auf der Erde, nicht erst durch das Sonnenwesen nach dem Tode, die Fähigkeit, sich in einem bestimmten Zeitpunkte des nachirdischen Daseins dem Mondeinfluß zu entziehen und in die reine Sternensphäre einzutreten. Diese Fähigkeit ist das geistige, nach dem Tode erlebte Gegenbild der durch das Ich-Bewußtsein im Erdenleben herbeigeführten Freiheit. Der Mensch übernimmt dann in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sein in der Mondsphäre zurückgelassenes moralisch-geistiges Wertwesen als den Bildner seines Schicksals, das er dadurch während des folgenden Erdendaseins in Freiheit erleben kann.“ (Lit.: GA 25, S. 87)
Taten, die aus der vollen Freiheit des Menschen gesetzt werden, sind nicht durch das Karma bedingt:
„Nur solche Handlungen sind frei, bei denen der Mensch gar nicht auf Grund der Vergangenheit arbeiten würde, sondern bei denen er nur dem gegenübersteht, was durch die kombinierende und produktive Tätigkeit seiner Vernunft an Handlungen in die Welt hineinkommen kann. Solche Handlungen nennt man im Okkultismus: Aus dem Nichts heraus schaffen. Alle anderen Handlungen sind aus dem Karma heraus geschaffen.“ (Lit.: GA 93a, S. 123). Was der Mensch in voller Freiheit tut, schafft auch kein neues Karma. Im Okkultismus wird das auch als das Handeln aus dem Nirvana bezeichnet. Solange allerdings der Mensch das Karma aus seinen früheren Inkarnationen nicht vollständig ausgeglichen hat, kann er nicht in vollkommener Freiheit leben – ein Teil seiner Taten wird notwendig durch die Vergangenheit (Bedingungen sowie Nebenwirkungen) – neues Karma begründend – bestimmt sein, d. h. allmählich freies Handeln zu realisieren ist heutzutage und in der Zukunft ein großes, ideales Ziel der menschlichen Evolution.
„Frei wird der Mensch in dem einen physischen Erdenleben, wo er den Gedanken als solchen entwickelt, wo der Gedanke seine plastizierende Kraft verliert, die er noch in dem Ätherleib hat, und wo er als reiner Gedanke in dem im Leben befindlichen Bewußtsein entwickelt ist. Ich war daher genötigt, etwas sehr Gewagtes in dieser «Philosophie der Freiheit» dazumal im Beginn der Neunzigerjahre darzustellen. Ich hatte die moralischen Impulse als sittliche Ideale darzustellen und mußte sagen: die kommen dem Menschen nicht aus der physischen Welt, die kommen dem Menschen nicht aus der Natur, die kommen dem Menschen durch eine Intuition. Und ich sprach dazumal von «moralischer Phantasie». Und warum das? Ich sagte dazumal in meiner «Philosophie der Freiheit»: Aus der Geisteswelt heraus strömen in den Menschen, aber zunächst nur als Bilder, diese sittlichen Motive ein. Er empfängt sie als Intuition aus der geistigen Welt.
Auf diese kann jeder zu dem anderen Pol gelangen, was man hier in der physischen Welt erlebt. Sieht man mit gesundem Menschenverstand und mit wissenschaftlicher Schulung in die natürliche Daseinswelt hinaus, dann entdeckt man überall Notwendigkeit. Sieht man hinein in die Welt der moralischen Impulse, dann entdeckt man die Freiheit, aber die Freiheit zunächst im bloßen Gedanken, im reinen Denken, in denkerischer Intuition. Und man weiß zunächst nicht, wie sich Kräfte hineinbegeben in den Willen, denn man sieht diese sittlichen Intuitionen unbewußt. Man hat auf der einen Seite die Natur, der man angehört, indem man handelt, und man hat auf der anderen Seite sein sittliches Erleben, und es entschwindet einem für diese sittlichen Intuitionen, wenn man nichts anderes hat zunächst als die Naturwissenschaft, die Möglichkeit, diesen sittlichen Intuitionen Realität zuzuschreiben, weltschöpferische Kräfte zuzuschreiben. Man erlebt gewissermaßen die Natur in ihrer ganzen derben Dichtigkeit, in ihrer Notwendigkeit. Man erlebt die Freiheit, aber man erlebt sie in den fein gewobenen, bis zur Bildhaftigkeit herabgetriebenen Gedankenimpulsen, von denen man weiß, weil sie eben der Natur nicht angehören können, weil sie sich in freier Tätigkeit erleben, und das habe ich in meiner «Philosophie der Freiheit» angedeutet, daß sie aus der geistigen Welt kommen.
Aber es muß sich nun etwas einschieben zwischen diese Intuitionen, die durchaus bildhaft, unreal sind, die nur durch das sittliche Leben real werden, und dem, was man als gegenständliches Erkennen für die Naturordnung hat. Und da schieben sich ein die Imagination und die Inspiration, die auf die Weise entstehen, wie ich das geschildert habe. Und dann wird die Intuition auch etwas anderes. Dann verdichtet sich gewissermaßen das, was einem zuerst nur im reinen Denken entgegengetreten ist, zu einer geistigen Realität. Man lernt in dieser nach der Imagination und Inspiration neu errungenen Intuition jetzt nicht sein gegenwärtiges Ich erkennen, sondern dasjenige Ich, das durch wiederholte Erdenleben hindurchgeht, und das unser Schicksal durch diese wiederholten Erdenleben in der Weise hindurchträgt, wie ich es dargestellt habe. Wir sind unfrei, indem wir die wiederholten Erdenleben durchleben und ein Schicksal dadurch gestaltet haben. Aber wir können stets in dieses Schicksalsgewebe die freien Handlungen einverweben in den einzelnen Erdenleben.
Gerade dadurch, daß wir in bildhaften Intuitionen die sittlichen Impulse erleben – nicht als Realitäten, sondern als etwas, zu dem wir uns frei bekennen können -, können wir die Freiheit im Einzelnen Erdenleben in das Schicksalsgewebe einverweben. Und so werden wir dadurch, daß wir durch das Schicksal von Erdenleben zu Erdenleben getragen werden, nicht unfreier, als wir etwa werden, wenn wir uns durch ein Schiff von Europa nach Amerika tragen lassen. Da sind wir durch den Entschluß, den wir hier in Europa fassen, allerdings in unserer Zukunft bestimmt. Aber wir sind jederzeit in gewissen Grenzen freie Wesen, und solange wir drüben in Amerika sind, können wir uns frei bewegen. So tragen wir das Schicksal von Erdenleben zu Erdenleben. Aber in die Tatsachenwelt, die wir so in wiederholten Erdenleben erfahren, kann hineingestellt werden, was aus der Freiheit im Einzelnen Erdenleben quillt.
Und so sieht man gerade, daß derjenige, der mit dem Freiheitsproblem ringt, der das Problem der Freiheit gelöst sieht durch das Anschauen der zunächst nur in moralischer Phantasie erfaßbaren, aber aus der geistigen Welt in die physische Welt des Menschen hereinstrebenden sittlichen Ideen, daß, wer in dieser Weise sich ein Verständnis für die Freiheit erwirbt, gerade dadurch sich vorbereitet hat zum Verständnis für das Schicksalsgemäße, das wie eine Art von Notwendigkeit in das menschliche Leben eingreift.“ (Lit.: GA 79, S. 129ff)
Freiheit und Determinismus.
Für das Verhältnis des Menschen in seiner Freiheit zum Karma gilt die Beachtung der beiden Doppelströme der Zeit, die Lebenssituationen sind dann entweder durch altes Karma, durch Freiheit, oder durch neues (künftiges) Karma bestimmt. Es sind im Hinblick auf den naturwissenschaftlichen Determinismus klare Positionen von seiten der herrschenden Wissenschaft bezogen worden: Diese angebliche Freiheit des Menschen wäre nur eine Illusion, es gäbe sie nicht wirklich (herrschende Auffassung, es gibt auch Gegenauffassungen).
Zu beachten ist auch der Gegenstrom der Zeit in der Evolution. In der Argumentation, das fällt unter die Philosophie des Geistes, spielt eine wichtige Rolle, daß eine Willensregung physiologisch zeitlich schon früher gemessen werden kann, als sie dann im Bewußtsein als ein „Ich will“ relevant wird. Diese durchaus plausible Begründung berücksichtigt freilich nicht, daß ja der menschliche Wille etwas anderes sei, als das Bewußtsein von einem menschlichen Willen, insbesondere freiem Willen. Allerdings kann dieser Wille, wenn er als ein freier soll gelten, nur ein bewußter freier Wille sein. Bewußtsein, das nach der physiologischen Gehirnforschung später kommt, als die motorische Handlungsabsicht. Nur die Befragung des zeitlichen Charakters von Wollen, und der physiologischen Manifestation des Wollens kann da auf eine Lösung hinweisen.
„Sehen Sie sich die gebräuchlichen Lehrbücher durch, so werden Sie finden: Dahin kommen diese Leute, den Denkapparat aufzuzeigen und alles Denken und Vorstellen in Verbindung zu bringen mit den mechanischen Vorgängen im Gehirn und Nervensystem; aber sie müssen ableugnen Gefühl und Wille. Gefühl und Wille können noch nicht erklärt werden durch körperliche Vorgänge. Daher wird dies einfach ausgeschaltet. Und Sie können heute, wenn Sie die Bücher aufschlagen, überall finden: Die Menschen haben zwar aus ihren Vorurteilen auch einen Willen angenommen und ein Gefühl angenommen, aber das ist eigentlich ein Nichts, das ist gar nicht vorhanden. Also macht der Naturforscher gerade halt vor Gefühl und Wille. Indem wir nun wissen, daß sich die Gedanken mit unserem Ätherleib von uns absondern, erklärt sich uns, daß dieses Abgesonderte, das mit unserem Ätherleib aus uns herausgeht, auch hier auf der Erde an unserem Äußeren arbeitet, den Denkapparat sich erst herrichtet, und wenn der Denkapparat geformt ist, dann kommt das Denken mit Hilfe des vom Denken selbst geformten Denkapparates. Gefühl und Wille bleiben uns im Astralleib und im Ich.
Die tragen wir in die geistige Welt. Nicht eine Wissenschaft zwingt zum Materialismus, im Gegenteil, die wirkliche heutige Wissenschaft rechtfertigt überall unsere Geisteswissenschaft. Der heutige Materialismus ist durchaus abhängig davon, daß die Leute keinen Trieb haben zu dem geistigen Leben, daß sie keinen Sinn haben wollen für geistiges Leben. Auch das Verständnis brauchte nicht zu fehlen. Denn wirklich, wenn man sich einläßt auf das, was der Geistesforscher aus der geistigen Welt heraus zu geben vermag selbst für solche Kapitel, wie wir sie heute vor unsere Seele haben treten lassen für das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt: verstanden werden kann es schon, man braucht nur ein feineres, subtileres Verständnis, als das grobe Verständnis ist, das der heutige Mensch für die äußere Welt vielfach anwenden will. Aber wir leben auch in einer Zeit, in der eben der Materialismus zu seiner Hochflut gekommen ist.“ (Lit.: GA 168, S. 56). Der unsterbliche Teil des Menschen ist sein Willens-Gefühlswesen, daher entstammt alle nichtdeterminierte Freiheit, dem Höheren Ich, insoweit es sich durch Wille und Gefühl in Entschluß- und Gedankenform realisieren kann.
Freiheit erfordert das Gleichgewicht von Geist und Natur
Von entscheidender Bedeutung für den freien Willen ist das rechte Gleichgewicht zwischen Geist und Natur:
„Sie wissen ja, meine lieben Freunde, wie sauer es wird einem Menschen, eine Idee zu begreifen, die eigentlich für den unbefangenen Menschen selbstverständlich ist und welche geleugnet wird, weil der Intellekt von den Philosophen nicht heran kann: die Idee des freien Willens. Ich sagte über die Sinnesempfindungen: die Dinge, die in den Physiologien und in den Psychologien stehen, nehmen sich dem gegenüber, der die Dinge durchschaut, kindisch aus. Aber was über die Idee des freien Willens geschwätzt wird, erst recht. Denn Sie müssen bedenken, daß der freie Willensentschluß in jedem Augenblick ein Effekt der ganzen menschlichen Wesenheit ist; der ganzen menschlichen Wesenheit, wie sie sich gesund oder krank oder halbkrank oder übergesund lebt, in dem freien Willensimpuls. Im freien Willensimpuls liegt der ganze Mensch darinnen, aber mit alledem, was man am ganzen Menschen durchschauen kann, mit allen Komplikationen liegt er darinnen. Die menschliche Natur lernt man erst kennen, wenn man sie in dieser Komplikation erkennen lernt. Und sehen Sie, das, was bei abnormen Persönlichkeiten nach der einen oder anderen Seite hin eine abnorme Schattierung annimmt, ist aufgehoben, zur Harmonie vereinigt in jedem Menschen. Es ist ein trivialer Ausspruch, aber er ist wahr: so wie der Mensch zugänglich ist für den Cherubim, so ist er auch zugänglich für den Teufel. Und auch diese Prozesse, wo der Mensch zugänglich ist für den Teufel – wir werden sie noch studieren. Aber das alles ist auch im gewöhnlichen Menschen, nur daß die entgegengesetzten Tätigkeiten sich aufheben, weil sie sich nach den verschiedensten Richtungen gleich stark entwickeln. Wenn in jedem ein Engel ist, so ist auch in jedem ein Teufel. Aber wenn der Engel und Teufel gleich stark sind für irgend etwas, dann heben sie sich auf.

Nun betrachten Sie diese Waage (siehe Zeichnung). Es gibt einen Punkt, es ist dieser. Sie können hier Gewichte auflegen, das kann alles in Bewegung geraten. Das bleibt immer in Ruhe, das Hypomochlion, es wird nicht berührt von dem, was Sie links, von dem, was Sie rechts auflegen. Aber es muß die Einrichtung getroffen werden, daß es nicht berührt zu werden braucht. Ein ähnliches geistiges Hypomochlion wird im Menschen bewirkt von den entgegengesetzten Kräften. Sie können daher studieren des Menschen Natur. Sie werden nirgends eine Veranlassung haben, den Menschen als freies Wesen zu statuieren, denn in der Natur des Menschen ist alles kausal bedingt. Studieren Sie mit materialistischer Gesinnung die Natur des Menschen: Sie kommen nicht zur Freiheitsidee, Sie kommen zur kausalen Bedingung. Sie können aber auch den Menschen geistig studieren. Sie kommen zur Determination des Willens durch die Gottheit oder die geistigen Wesenheiten, aber Sie kommen nicht zur Freiheit des Willens. Sie können ein grobklotziger Materialist sein und die Freiheit leugnen und die Naturkausalität des Willens studieren, Sie können ein feinsinniger Kopf sein wie Leibniz und auf das Geistige sehen: Sie kommen zum Determinismus. Natürlich, solange Sie die Waagschale mit dem Waagbalken hier studieren, kommen Sie nur zur Bewegung; solange Sie die Waagschale mit dem Waagbalken hier studieren, kommen Sie auch nur zur Bewegung. So ist es, wenn Sie den Menschen studieren nach der Natur, so ist es, wenn Sie den Menschen studieren nach dem Geist. Sie kommen nicht zur Freiheit. Sie liegt mitten drinnen im Gleichgewichtspunkt zwischen beiden.
Das ist die Theorie. Aber die Praxis ist so, daß Sie zu entscheiden haben bei einem Menschen, der vor Ihnen steht in einer schwierigen Lebenslage, ob Sie ihn verantwortlich machen können für seine Tat. Da wird die Frage praktisch, ob er seinen freien Willen handhaben kann oder nicht. Woran können Sie das entscheiden? Dadurch, daß Sie zu beurteilen vermögen, ob seine geistige und physische Konstitution sich das Gleichgewicht halten. In beide Fälle kann sowohl der Arzt wie der Priester kommen. Daher muß zur Schulung des Arztes wie des Priesters gehören ein Durchschauen jenes Zustandes, in dem der Mensch entweder im Gleichgewicht zwischen Geist und Natur ist, oder in dem dieses Gleichgewicht verschoben ist. Niemals kann über das Verantwortungsgefühl einer menschlichen Persönlichkeit anders entschieden werden als nach einer tiefen Erkenntnis der menschlichen Wesenheit. Die Freiheitsfrage in Verbindung mit der Verantwortungsfrage ist eben eine denkbar tiefste.“ (Lit.:GA 318, S. 45ff)
Freiheit und Liebe
Dass Freiheit und Liebe untrennbar miteinander verbunden sind, hat Rudolf Steiner schon in seinen Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (GA 1, 1884-1897) ganz entschieden betont:
„Wir wissen daß die Ideenwelt die unendliche Vollkommenheit selbst ist; wir wissen, daß mit ihr die Antriebe unseres Handelns in uns liegen; und wir müssen demzufolge nur ein solches Handeln als ethisch gelten lassen, bei dem die Tat nur aus der in uns liegenden Idee derselben fließt. Der Mensch vollbringt von diesem Gesichtspunkte aus nur deshalb eine Handlung, weil deren Wirklichkeit für ihn Bedürfnis ist. Er handelt, weil ein innerer (eigener) Drang, nicht eine äußere Macht, ihn treibt. Das Objekt seines Handelns, sobald er sich einen Begriff davon macht, erfüllt ihn so, daß er es zu verwirklichen strebt. In dem Bedürfnis nach Verwirklichung einer Idee, in dem Drange nach der Ausgestaltung einer Absicht soll auch der einzige Antrieb unseres Handelns sein. In der Idee soll sich alles ausleben, was uns zum Tun drängt.
Wir handeln dann nicht aus Pflicht, wir handeln nicht einem Triebe folgend, wir handeln aus Liebe zu dem Objekt, auf das unsere Handlung sich erstrecken soll. Das Objekt, indem wir es vorstellen, ruft in uns den Drang nach einer ihm angemessenen Handlung hervor. Ein solches Handeln ist allein ein freies. Denn müßte zu dem Interesse, das wir an dem Objekt nehmen, noch ein zweiter anderweitiger Anlaß kommen, dann wollten wir nicht dieses Objekt um seiner selbst willen, wir wollten ein anderes und vollbrächten dieses, was wir nicht wollen; wir vollführten eine Handlung gegen unseren Willen. Das wäre etwa beim Handeln aus Egoismus der Fall.
Da nehmen wir an der Handlung selbst kein Interesse; sie ist uns nicht Bedürfnis, wohl aber der Nutzen, den sie uns bringt. Dann aber empfinden wir es auch zugleich als Zwang, daß wir jene Handlung, nur dieses Zweckes willen, vollbringen müssen. Sie selbst ist uns nicht Bedürfnis; denn wir unterließen sie, wenn sie den Nutzen nicht im Gefolge hätte. Eine Handlung aber, die wir nicht um ihrer selbst willen vollbringen, ist eine unfreie. Der Egoismus handelt unfrei. Unfrei handelt überhaupt jeder Mensch, der eine Handlung aus einem Anlaß vollbringt, der nicht aus dem objektiven Inhalt der Handlung selbst folgt. Eine Handlung um ihrer selbst willen ausführen, heißt aus Liebe handeln. Nur derjenige, den die Liebe zum Tun, die Hingabe an die Objektivität leitet, handelt wahrhaft frei. Wer dieser selbstlosen Hingabe nicht fähig ist, wird seine Tätigkeit nie als eine freie ansehen können.“ (Lit.: GA 1, S. 202f)
Solange wir uns mit unserem Denken an die Außenwelt hingegeben, müssen wir deren Gesetzmäßigkeiten folgen und sind daher, insofern wir uns dadurch in unseren Handlungen leiten lassen, unfrei. Frei werden wir, wenn wir, völlig losgelöst von der Außenwelt, Gedanken im rein inneren geistigen Erleben fassen und mit unserem Willen durchstrahlen. Das reine, d.h. sinnlichkeitsfreie Denken ist zugleich als reiner schöpferischer Wille tätig.
„Wenn wir Gedanken von der äußeren physisch-sinnlichen Welt aufnehmen – und wir können ja nur solche aufnehmen zwischen Geburt und Tod – , dann werden wir dadurch, wie Sie leicht einsehen können, unfrei, denn wir werden hingegeben an die Zusammenhänge der äußeren Welt; wir müssen dann so denken, wie es uns die äußere Welt vorschreibt, insofern wir nur den Gedankeninhalt ins Auge fassen; erst in der inneren Verarbeitung werden wir frei. Nun gibt es eine Möglichkeit, ganz freizuwerden, freizuwerden in seinem inneren Leben, wenn man den Gedankeninhalt, insofern er von außen kommt, möglichst ausschließt, immer mehr und mehr ausschließt, und das Willenselement, das im Urteilen, im Schlüsseziehen unsere Gedanken durchstrahlt, in besondere Regsamkeit versetzt.
Dadurch aber wird unser Denken in denjenigen Zustand versetzt, den ich in meiner «Philosophie der Freiheit» genannt habe das reine Denken. Wir denken, aber im Denken lebt nur Wille. Ich habe das besonders scharf betont in der Neuauflage der «Philosophie der Freiheit » 1918. Dasjenige, was da in uns lebt, lebt in der Sphäre des Denkens. Aber wenn es reines Denken geworden ist, ist es eigentlich ebenso gut als reiner Wille anzusprechen. So daß wir aufsteigen dazu, uns vom Denken zum Willen zu erheben, wenn wir innerlich frei werden, daß wir gewissermaßen unser Denken so reif machen, daß es ganz und gar durchstrahlt wird vom Willen, nicht mehr von außen aufnimmt, sondern eben im Willen lebt. Gerade dadurch aber, daß wir immer mehr und mehr den Willen im Denken stärken, bereiten wir uns vor für das, was ich in der «Philosophie der Freiheit» die moralische Phantasie genannt habe, was aber aufsteigt zu den moralischen Intuitionen, die dann unseren gedankegewordenen Willen oder willegewordenen Gedanken durchstrahlen, durchsetzen.
Auf diese Weise heben wir uns heraus aus der physisch-sinnlichen Notwendigkeit, durchstrahlen uns mit dem, was uns eigen ist und bereiten uns vor für die moralische Intuition. Und auf solchen moralischen Intuitionen beruht doch alles das, was den Menschen von der geistigen Welt aus zunächst erfüllen kann. Es lebt also auf dasjenige, was Freiheit ist, dann, wenn wir gerade in unserem Denken immer mächtiger und mächtiger werden lassen den Willen.“ (Lit.: GA 202, S. 201f). Damit wird aber zugleich der Wille mit den in voller Freiheit bewusst aus dem Geist geschöpften Gedanken durchstrahlt. Was so aus dem Geist geschöpft wird, fließt in voller Hingabe durch unsere Handlungen in die Außenwelt, denn es liegt notwendig im Wesen des Geistes, sich zu verschenken – das ist aber nichts anderes als reine Liebe. Geist ist Liebe in ihrer vollkommensten Form.
„Sie sehen, wir werden immer innerlicher und innerlicher, indem wir unsere Eigenkraft als Wille in das Denken hineinschicken, das Denken gewissermaßen ganz vom Willen durchstrahlen lassen. Wir bringen den Willen in das Denken hinein und gelangen dadurch zur Freiheit. Wir gelangen dazu, indem wir immer mehr und mehr unser Handeln ausbilden, in dieses Handeln die Gedanken hineinzutragen. Wir durchstrahlen unser Handeln, das ja aus unserem Willen hervorgeht, mit unseren Gedanken. Auf der einen Seite, nach innen, leben wir ein Gedankenleben: das durchstrahlen wir mit dem Willen und finden so die Freiheit. Auf der anderen Seite, nach außen, fließen unsere Handlungen von uns aus dem Willen heraus; wir durchsetzen sie mit unseren Gedanken.

Aber wodurch werden denn unsere Handlungen immer ausgebildeter? Wodurch, wenn wir den allerdings anzufechtenden Ausdruck gebrauchen wollen, kommen wir denn zu einem immer vollkommeneren Handeln? – Wir kommen zu einem immer vollkommeneren Handeln eigentlich dadurch, daß wir diejenige Kraft in uns ausbilden, die man nicht anders nennen kann als Hingabe an die Außenwelt. Je mehr unsere Hingabe an die Außenwelt wächst, desto mehr regt uns diese Außenwelt an zum Handeln. Dadurch aber gerade, daß wir den Weg finden, um hingegeben zu sein an die Außenwelt, gelangen wir dazu, dasjenige, was in unserem Handeln liegt, mit Gedanken zu durchdringen. Was ist Hingabe an die Außenwelt? Hingabe an die Außenwelt, die uns durchdringt, die unser Handeln mit den Gedanken durchdringt, ist nichts anderes als Liebe.
Geradeso wie wir zur Freiheit kommen durch die Durchstrahlung des Gedankenlebens mit dem Willen, so kommen wir zur Liebe durch die Durchsetzung des Willenslebens mit Gedanken. Wir entwickeln in unserem Handeln Liebe dadurch, daß wir die Gedanken hineinstrahlen lassen in das Willensgemäße; wir entwickeln in unserem Denken Freiheit dadurch, daß wir das Willensgemäße hineinstrahlen lassen in die Gedanken. Und da wir als Mensch eine Ganzheit, eine Totalität sind, so wird, wenn wir dazu kommen, in dem Gedankenleben die Freiheit und in dem Willensleben die Liebe zu finden, in unserem Handeln die Freiheit, in unserem Denken die Liebe mitwirken. Sie durchstrahlen einander, und wir vollziehen ein Handeln, ein gedankenvolles Handeln in Liebe, ein willen durchsetztes Denken, aus dem wiederum das Handlungsgemäße in Freiheit entspringt.“ (Lit.: GA 202, S. 203ff) – Schiller sagt zu dem Thema: „Lieben heißt in Freiheit setzen.“
„Im Spannungsfeld zwischen Geist und Materie und im Bewußtsein der Grenzen seiner Existenz ist der Mensch verkörperte Freiheitsfähigkeit. Der Lebensstrom aus der Vergangenheit verwandelt sich in ihm in das Licht der Erkenntnis, der Gestaltungsstrom aus der Zukunft in die Liebe der hingebungsvollen Tat. – Eine in diesem Sinne aufgefasste Liebe kann nur aus Freiheit erwachsen.“ (Lit.: Christoph J. Hueck, S. 211). Wahre Liebe ist nur aus Freiheit möglich. Der Auftrag Christi: Liebet einander, ist ein Gebot, aber ein Gebot an den „Freien Menschen“, zu dem sich die allgemeine Menschheit erst noch hinentwickeln muß. Dieses Wechselverhältnis von Freiheit und Liebe wurde thematisiert, im Rahmen der Diskussion über die Prädestinationslehre etc.. Was Schiller sagte, gilt wohl auch umgekehrt: Frei sein ist, bedingungslosen Lieben können.
Freiheit und Liebe als Weg zu Michael und Christus,
„Indem sich der Mensch als freies Wesen in Michaels Nähe fühlt, ist er auf dem Wege, die Kraft der Intellektualität in seinen «ganzen Menschen» zu tragen; er denkt zwar mit dem Kopfe, aber das Herz fühlt des Denkens Hell oder Dunkel; der Wille strahlt des Menschen Wesen aus, indem er die Gedanken als Absichten in sich Strömen hat. Der Mensch wird immer mehr Mensch, indem er Ausdruck der Welt wird; er findet sich, indem er sich nicht sucht, sondern in Liebe sich wollend der Welt verbindet. Indem der Mensch seine Freiheit entfaltend in Ahrimans Verlockungen fällt, wird er in die Intellektualität hineingezogen, wie in einen geistigen Automatismus, in dem er ein Glied ist, nicht mehr er selbst. All sein Denken wird Erlebnis des Kopfes; allein dieser sondert es vom Eigenherzerleben und eigenem Willensleben ab und löscht das Eigensein aus. Der Mensch verliert immer mehr von seinem innerlich wesenhaft-menschlichen Ausdruck, indem er Ausdruck seines Eigenseins wird; er verliert sich, indem er sich sucht; er entzieht sich der Welt, der er die Liebe verweigert; aber der Mensch erlebt sich nur wahrhaft, wenn er die Welt liebt.
Es ist aus dem Geschilderten wohl anschaulich, wie Michael der Führer zu Christus ist. Michael geht mit allem Ernste seines Wesens, seiner Haltung, seines Handelns in Liebe durch die Welt. Wer sich an ihn hält, der pflegt im Verhältnis zur Außenwelt der Liebe. Und Liebe muß im Verhältnis zur Außenwelt sich zunächst entfalten, sonst wird sie Selbstliebe. Ist dann diese Liebe in der Michael-Gesinnung da, dann wird Liebe zum andern auch zurückstrahlen können ins eigene Selbst. Dieses wird lieben können, ohne sich selbst zu lieben. Und auf den Wegen solcher Liebe ist Christus durch die Menschenseele zu finden.“ (Lit.: GA 26, S. 117f).
Freiheit und Wählen.
Unter bestimmten Gesichtspunkten ist auch die Freiheit der Wahl zu erörtern. Ist dies nur ein besonderer Aspekt von Freiheit, oder wäre Freiheit wesentlich Wahlfreiheit? Wenn der Mensch sich vor die Alternative gestellt sieht: „Friß oder stirb Vogel“, wie es ein Sprichwort sagt: Wo ist da die Freiheit? Denen, die sich nicht dem Willen Gottes einfügen, wird Vernichtung angedroht, und sogar ewiges Höllenfeuer. Wo ist da Freiheit? Ein Mensch, der sich nicht dem Willen Gottes fügt, wird in Zukunft vernichtet (resp. gebraten auf ewig im Höllenfeuer) werden, so die kolportierte Aussage, an deren Wahrheit wohl Zweifel erlaubt sein mögen, denn die Aussage widerspricht sowohl der Freiheit als auch der Liebe – aus Gottes Wollen.
„So heißt es im ‚Katechismus der Katholischen Kirche’, dass für bestimmte Vergehen die Todsünde gelte, während für andere Sünden die Entsühnung durch die Beichte möglich sei. Nehmen wir also einmal an, es sei so, dass eine Todsünde existiere, das jemand daran schuldig geworden sei und sein Weg nun unweigerlich in die ewige Hölle und Verdammnis führe müsse. Nehmen wir an dies sei ein Mörder, der nun im Gefängnis sitzt. Die Göttliche Gnade ist für ihn verwirkt, sie ist ihm mithin nicht mehr erreichbar. Mit welcher Perspektive soll dieser Mensch aber seiner Entlassung entgegenschreiten. Soll er sich sagen es nutzt ohnehin nichts, also will ich mich auch nicht bessern und weitermorden, sobald mir wieder Gelegenheit dazu gegeben wird. Dieser Ansatz ist auch aus der Gefängnisseelsorge heraus völlig verfehlt: Todsünden kann und darf es nicht geben, solange der Mensch noch lern- und besserungsfähig ist.
Die Erklärung einer Tat als Todsünde stellt eine deterministische Prognose dar. Eine deterministische Prognose ist nichts weiter, als ein Glauben an die zukünftige Wirklichkeitsangemessenheit der jeweils vorangestellten Hypothese. Durch die streng deterministische Prognose wird aber jeder Freiheit für alle Zukunft der Boden entzogen, es wird ein Konstanzprinzip menschlichen Handelns aufgestellt, welches aber im Ergebnis bedeutete nicht mehr (neu) lernen zu können. Künftige Lernfähigkeit lässt sich aber für keinen Menschen ausschließen. „Damit ist auf dem Wege eines argumentum a contrario bewiesen, dass das Konstanzprinzip im Rahmen menschlichen Handelns nicht gelten kann: Würde es gelten, so bedeutete dies, das man nicht lernen kann – dass man lernen könne, dass man nicht lernen kann, kann man aber nicht behaupten, ohne sich selbst schon widersprochen zu haben.“]
Wurde nicht auch Faust durch unglückliche Umstände zum Schuldigen und wird ihm am Sterbebett, da Faust bereut, nicht dennoch alle Schuld erlassen? Man sieht ganz klar auch Goethes Attacke auf allzu simplizistische kirchliche Moralvorstellungen: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erretten“ . Unterstrichen wird so bei Goethe das alles überragende Freiheitsmoment des Menschen selbst noch im letzten Augenblick vor dem Tod. Analoge Stellen gibt es auch im Neuen Testament: Lukas 23,43 und Johannes 8,11. Es wird klar: ohne eine völlige Handlungsfreiheit zu Gut und Böse (siehe auch die Paradiesmythe) bestünde keine echte (Wahl-)Freiheit zwischen gut und böse. Dies, also ist das Gute des Bösen, dass es menschliche Wahlfreiheit durch sein (Negativ-)Angebot erst ermöglicht.“ (Lit.: Michael Heinen-Anders, Dem Teufel auf der Spur, S. 12 – 13).
Verschiedene begriffliche Unterscheidungen
Wahlfreiheit und Gestaltungsfreiheit
Von der Wahlfreiheit kann man die Gestaltungsfreiheit unterscheiden. Die Gestaltungsfreiheit geht über das Wählen (Wahl des Paris) zwischen Alternativen hinaus, insofern es keine bestimmten, vorgegebenen Alternativen gibt, sondern diese erst aus dem Wollen hervorgehen. Wenn der Künstler den Meißel an den Gipsblock ansetzt, ist zwar jeder Hieb gewählt, aber aus einer Unendlichkeit von Alternativen, die lediglich durch die Idee des zu Schaffenden bestimmt sind, und den Eigentümlichkeiten des Materials. Der Normalmensch unterscheidet sich vom Künstler da nur durch die geringere Vollkommenheit in der Klarheit der auszuführenden Idee und der Materialkenntnis, der Beherrschung der Werkzeuge usw.
Selbstgestaltung.
Im Unterschied zur Wahlfreiheit gibt es die Freiheit, man selbst zu sein (Autonomie). Diese ist schon den Tieren eigen. Ein Tier ist frei, wenn es sich in seinem Wesen, wie es ist, frei ausleben kann, in einer entsprechenden Umgebung. (Dies findet z.B. bei der artgerechten Tierhaltung Berücksichtigung.) Beim Menschen kommt die Freiheit hinzu, selbst sein Wesen zu bestimmen, er hat die Freiheit, sich zu gestalten. Es ist dies analog zum künstlerischen Schaffen zu denken. Die Weltgegensätze wie die zwischen Begriff und Wahrnehmung, Geist und Materie, sowie auch Gut und Böse (insofern der Mensch ein sittliches Wesen ist), sind insofern nur die Voraussetzungen für diese Freiheit des Menschen, sich selbst in seiner Gestalt zu bestimmen, – welche aber in der Zukunft letztlich doch völlig in das Gute integriert sein muß. Man sieht heute eine solche Vielfalt von möglichen Gestalten in der Flora und Fauna.
Abbauprozesse und freies Handeln.
Rudolf Steiner hat wiederholt gezeigt, dass wir uns der an das Sinnliche gebundenen Gedanken nur dadurch bewusst werden, dass sich das Denken am Nervensystem spiegelt. Die sinnlichen Gedanken sind daher reine Spiegelbilder ohne eigenständige Wirklichkeit und folglich auch ohne kausale Wirkmächtigkeit. Dadurch, weil sie als bloße Spiegelbilder nicht der Naturnotwendigkeit unterliegen, bilden sie die Voraussetzung der Freiheit. Dazu kommen von der anderen Seite die aus der moralischen Phantasie im sinnlichkeitsfreien reinen Denken gefassten Tatgedanken. Sie haben keinen Vorstellungscharakter, sondern sind willenshafter Natur. Sie spiegeln sich nicht am Nervensystem, bewirken daher auch keine Abbauprozesse und verblassen nicht zu Spiegelbildern, sondern wirken viel mehr als reale lebendige Aufbaukräfte. Indem diese auf die Abbauprozesse einwirken, entsteht die freie Handlung.
„Bedenken Sie, daß ich schon in öffentlichen Vorträgen und auch hier wiederum in den verschiedensten Zusammenhängen mit einer gewissen Intensität immer wieder und wieder hervorgehoben habe, daß wir das, was wir Vorstellungen nennen, nur dann richtig begreifen können, wenn wir sie so in Beziehung bringen zu unserm leiblichen Organismus, daß wir den Vorstellungen im Leibe nicht etwas Wachsendes, Gedeihendes zugrunde liegend sehen, sondern gerade umgekehrt, etwas Absterbendes, etwas partiell im Leibe Absterbendes. Ich habe das so ausgesprochen in einem öffentlichen Vortrage, daß ich gesagt habe: Der Mensch stirbt eigentlich immer in sein Nervensystem hinein ab. – Der Nervenprozeß ist ein solcher, daß er sich auf das Nervensystem beschränken muß. Denn würde er sich ausdehnen über den ganzen Organismus, würde dasselbe vorgehen im ganzen Organismus, was in den Nerven vorgeht, so würde dies den Tod des Menschen in jedem Augenblick bedeuten. Man kann sagen: Vorstellungen entstehen da, wo der Organismus sich selber abbaut, wir sterben in unser Nervensystem fortwährend hinein. – Dadurch ist Geisteswissenschaft in die Notwendigkeit versetzt, nicht nur diejenigen Prozesse zu verfolgen, welche die heutige Naturwissenschaft als die einzig maßgebenden betrachtet: die aufsteigenden Prozesse. Diese aufsteigenden Prozesse, sie sind Wachstumsprozesse, sie gipfeln noch im Unbewußten. Erst wenn der Organismus mit den absteigenden Prozessen beginnt, tritt im Organismus jene Tätigkeit der Seele auf, die man als Vorstellungs-, ja auch als sinnliche Wahrnehmungstätigkeit bezeichnen kann. Dieser Abbauprozeß, dieser Ersterbeprozeß, der muß da sein, wenn überhaupt vorgestellt werden soll.
Nun habe ich gezeigt, daß das freie Handeln des Menschen geradezu darauf beruht, daß der Mensch in die Lage kommt, aus reinen Gedanken heraus die Impulse für sein Handeln zu suchen. Diese reinen Gedanken werden am meisten von Einfluß sein auf die Abbauprozesse im menschlichen Organismus. Was geschieht denn eigentlich, wenn der Mensch so recht eine freie Handlung vollzieht? Machen wir uns das einmal klar, was da beim gewöhnlichen physischen Menschen geschieht, wenn der Mensch aus moralischer Phantasie heraus – Sie wissen jetzt, was ich damit meine —, aus moralischer Phantasie heraus, das heißt aus einem Denken, das von sinnlichen Impulsen, sinnlichen Trieben und Affekten nicht beherrscht ist, handelt, was geschieht da mit dem Menschen eigentlich? Dann geschieht das, daß er sich reinen Gedanken hingibt; die bilden seine Impulse. Sie können ihn nicht impulsieren durch sich selbst; er muß sich impulsieren, denn sie sind bloße Spiegelbilder, das haben wir ja betont. Sie gehören der Maja an. Spiegelbilder können nicht zwingen, der Mensch muß sich selber zwingen unter dem Einfluß der reinen Vorstellungen. Worauf wirken reine Vorstellungen? Am stärksten wirken sie auf den Abbauprozeß im menschlichen Organismus. Auf der einen Seite kommt aus dem Organismus heraus der Abbauprozeß, und auf der anderen Seite kommt aus dem geistigen Leben diesem Abbauprozeß entgegen der reine Tatgedanke. Ich meine damit den Gedanken, welcher der Tat zugrunde liegt. Durch die Vereinigung von beiden, durch das Aufeinanderwirken des Abbauprozesses und des Tatgedankens entsteht die freie Handlung.
Ich sagte, der Abbauprozeß wird nicht durch das reine Denken bewirkt; der ist ohnehin da, er ist also eigentlich immer da. Wenn der Mensch diesem Abbauprozeß, gerade den bedeutsamsten Abbauprozessen in ihm, nichts aus dem reinen Denken heraus entgegenstellt, dann bleibt er Abbauprozeß, dann wird der Abbauprozeß nicht umgewandelt in einen Aufbauprozeß, dann bleibt ein ersterbender Teil im Menschen. Denken Sie das einmal durch, dann ersehen Sie daraus, daß die Möglichkeit besteht, daß der Mensch gerade durch Unterlassung von freien Handlungen einen Todesprozeß in sich nicht aufhebt. Darin liegt einer der subtilsten Gedanken, die der Mensch nötig hat, in sich aufzunehmen. Wer diesen Gedanken versteht, kann im Leben nicht mehr zweifeln an dem Vorhandensein der menschlichen Freiheit. Denn eine Handlung, die aus Freiheit geschieht, geschieht nicht durch etwas, was im Organismus verursacht wird, sondern wo die Ursachen aufhören, nämlich aus einem Abbauprozeß heraus. Dem Organismus muß etwas zugrunde liegen, wo die Ursachen aufhören, dann kann überhaupt erst die reine Vorstellung als Motiv des Handelns eingreifen. Aber solche Abbauprozesse sind immer da, sie bleiben nur gewissermaßen ungenützt, wenn der Mensch nicht freie Handlungen vollführt.
Was hier zugrunde liegt, bezeugt aber auch, wie es mit einem Zeitalter aussehen muß, welches sich nicht darauf einlassen will, die Idee der Freiheit im vollsten Umfange zu verstehen. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, das 20. Jahrhundert bis in unsere Zeit, diese Epoche hat es sich geradezu zur Aufgabe gesetzt, auf allen Gebieten des Lebens die Idee der Freiheit immer mehr und mehr für die Erkenntnis zu trüben, für das praktische Leben in Wirklichkeit auszuschalten. Freiheit wollte man nicht verstehen, Freiheit wollte man nicht haben. Die Philosophen haben sich bemüht, zu beweisen, daß alles mit einer gewissen Notwendigkeit aus der menschlichen Natur hervorgeht. Gewiß, der menschlichen Natur liegt eine Notwendigkeit zugrunde, aber diese Notwendigkeit hört auf, in dem Abbauprozesse beginnen, in welchen der Zusammenhang der Ursachen sein Ende findet. Wenn Freiheit da eingegriffen hat, wo die Notwendigkeit im Organismus aufhört, dann kann man nicht sagen, daß die Handlungen der Menschen aus der inneren Notwendigkeit hervorgehen; sie gehen dann erst aus ihm hervor, wenn diese Notwendigkeit aufhört. Der ganze Fehler bestand darinnen, daß man sich nicht eingelassen hat darauf, im menschlichen Organismus nicht nur die aufbauenden Prozesse, sondern auch zu verstehen die abbauenden Prozesse.“ (Lit.:GA 179, S. 122ff)
Siehe auch:
- Freiheit – Artikel in der deutschen Wikipedia
- Willensfreiheit – eine Übersicht über allgemeine philosophische und wissenschaftliche Positionen zu diesem Thema
- Sittliche Autonomie
- Autonomie
Absicht:
Eine Absicht oder Intention (lat.) ist gegeben, wenn das Ziel einer Handlung bewusst und willentlich angestrebt wird und darum auch – als das eigentliche und unmittelbare Motiv dieser Handlung – in der vollen Verantwortung des Menschen liegt. Darauf gründet sich die Freiheit des Menschen. „Wenn ich eine Wirkung wahrnehme und dazu die Ursache suche, so genügen diese zwei Wahrnehmungen keineswegs meinem Erklärungsbedürfnisse. Ich muss zu den Gesetzen zurückgehen, nach denen diese Ursache diese Wirkung hervorbringt. Beim menschlichen Handeln ist das anders. Da tritt die eine Erscheinung bedingende Gesetzlichkeit selbst in Aktion; was ein Produkt konstituiert, tritt selbst auf den Schauplatz des Wirkens. Wir haben es mit einem erscheinenden Dasein zu tun, bei dem wir stehen bleiben können, bei dem wir nicht nach den tiefer liegenden Bedingungen zu fragen brauchen. Ein Kunstwerk haben wir begriffen, wenn wir die Idee kennen, die in demselben verkörpert ist; wir brauchen nach keinem weiteren gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Idee (Ursache) und Werk (Wirkung) zu fragen.
Das Handeln eines Staatsmannes begreifen wir, wenn wir seine Intentionen (Ideen) kennen; wir brauchen nicht weiter über das, was in die Erscheinung tritt, hinauszugehen. Dadurch also unterscheiden sich Prozesse der Natur von Handlungen des Menschen, dass bei jenen das Gesetz als der bedingende Hintergrund des erscheinenden Daseins zu betrachten ist, während bei diesen das Dasein selbst Gesetz ist und von nichts als von sich selbst bedingt erscheint. Dadurch legt sich jeder Naturprozess in ein Bedingendes und ein Bedingtes auseinander, und das letztere folgt mit Notwendigkeit aus dem ersten, während das menschliche Handeln nur sich selbst bedingt. Das aber ist das Wirken mit Freiheit. Indem die Intentionen der Natur, die hinter den Erscheinungen stehen und sie bedingen, in den Menschen einziehen, werden sie selbst zur Erscheinung; aber sie sind jetzt gleichsam rückenfrei. Wenn alle Naturprozesse nur Manifestationen der Idee sind, so ist das menschliche Tun die agierende Idee selbst.“ (Lit.:GA 1, S. 198ff)
Die Absicht ist zunächst Gedanke, Vorstellung. Indem sie als Willensentschluss in den Organismus strömt, entsteht im Stoffwechselsystem ein innerer Verbrennungsprozess. „Wenn wir die Absicht haben, irgendeinen Willensentschluß auszuführen, dann ist das zunächst ein Gedanke, eine Vorstellung. In dem Momente, wo diese Absicht in den Organismus hineinströmt, entsteht im Organismus dasjenige, was man einen inneren Verbrennungsprozeß nennen kann. Jedes Mal wird im Organismus ein Verbrennungsprozeß entstehen längs des ganzen Weges, den der Willensentschluß macht. Durch das Verbrennen von Stoffwechselprodukten, die Sie in sich haben, wird alles das bewirkt, was den Arm bewegt, um einen Willensentschluß auszuführen, so daß eigentlich ein wollender Mensch im physischen Sinne in einem verbrennungsartigen Verzehren seiner Stoffwechselprodukte sich befindet. Eigentlich müssen wir immer deshalb die Stoffwechselprodukte erneuern, weil durch den Willen diese Stoffwechselprodukte fortwährend verzehrt, verbrannt werden.“ (Lit.:GA 226, S. 61)
Bestimmung.
Die Bestimmung des Menschen, d.h. die Art und Weise, nach der er sein Leben zu führen bestrebt, ist diesem, wie Rudolf Steiner schon in seinen frühen Schriften wiederholt betont hat, nicht, insoweit er ein freies Wesen ist, von außen durch eine weltliche oder überweltliche Macht gegeben, sondern er gibt sie sich selbst, indem er die leitenden Ideen seines Daseins gemäß seiner Individualität aus der allgemeinen und einigen Ideenwelt in völliger Freiheit schöpft. Er folgt keinem äüßeren Zweck, der ihm aufgedrängt wird. Nur dann ist er auch ein wirklich selbstverantwortliches Wesen, das sich in seinem Denken und Handeln nicht von äußeren moralischen Regeln leiten läßt, sondern diese selbst und unmittelbar in der gegebenen Situation durch moralische Intuition schafft.
„Deshalb hat das Menschenleben nur den Zweck und die Bestimmung, die der Mensch ihm gibt. Auf die Frage: was hat der Mensch für eine Aufgabe im Leben? kann der Monismus nur antworten: die, die er sich selbst setzt. Meine Sendung in der Welt ist keine vorherbestimmte, sondern sie ist jeweils die, die ich mir erwähle. Ich trete nicht mit gebundener Marschroute meinen Lebensweg an.“ (Lit.:GA 4, S. 186)
„Der freie Geist handelt nach seinen Impulsen, das sind Intuitionen, die aus dem Ganzen seiner Ideenwelt durch das Denken ausgewählt sind. Für den unfreien Geist liegt der Grund, warum er aus seiner Ideenwelt eine bestimmte Intuition aussondert, um sie einer Handlung zugrunde zu legen, in der ihm gegebenen Wahrnehmungswelt, das heißt in seinen bisherigen Erlebnissen. Er erinnert sich, bevor er zu einem Entschluß kommt, daran, was jemand in einem dem seinigen analogen Falle getan oder zu tun für gutgeheißen hat, oder was Gott für diesen Fall befohlen hat und so weiter, und danach handelt er. Dem freien Geist sind diese Vorbedingungen nicht einzige Antriebe des Handelns. Er faßt einen schlechthin ersten Entschluß. Es kümmert ihn — dabei ebensowenig, was andere in diesem Falle getan, noch was sie dafür befohlen haben. Er hat rein ideelle Gründe, die ihn bewegen, aus der Summe seiner Begriffe gerade einen bestimmten herauszuheben und ihn in Handlung umzusetzen. Seine Handlung wird aber der wahrnehmbaren Wirklichkeit angehören.
Was er vollbringt, wird also mit einem ganz bestimmten Wahrnehmungsinhalte identisch sein. Der Begriff wird sich in einem konkreten Einzelgeschehnis zu verwirklichen haben. Er wird als Begriff diesen Einzelfall nicht enthalten können. Er wird sich darauf nur in der Art beziehen können, wie überhaupt ein Begriff sich auf eine Wahrnehmung bezieht, zum Beispiel wie der Begriff des Löwen auf einen einzelnen Löwen. Das Mittelglied zwischen Begriff und Wahrnehmung ist die Vorstellung (vgl. S. 107 f.). Dem unfreien Geist ist dieses Mittelglied von vornherein gegeben. Die Motive sind von vornherein als Vorstellungen in seinem Bewußtsein vorhanden. Wenn er etwas ausführen will, so macht er das so, wie er es gesehen hat, oder wie es ihm für den einzelnen Fall befohlen wird. Die Autorität wirkt daher am besten durch Beispiele, das heißt durch Überlieferung ganz bestimmter Einzelhandlungen an das Bewußtsein des unfreien Geistes.
Der Christ handelt weniger nach den Lehren als nach dem Vorbilde des Erlösers. Regeln haben für das positive Handeln weniger Wert als für das Unterlassen bestimmter Handlungen. Gesetze treten nur dann in die allgemeine Begriffsform, wenn sie Handlungen verbieten, nicht aber wenn sie sie zu tun gebieten. Gesetze über das, was er tun soll, müssen dem unfreien Geiste in ganz konkreter Form gegeben werden: Reinige die Straße vor deinem Haustore! Zahle deine Steuern in dieser bestimmten Höhe bei dem Steuerbeamte X! und so weiter. Begriffsform haben die Gesetze zur Verhinderung von Handlungen: Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht ehebrechen! Diese Gesetze wirken auf den unfreien Geist aber auch nur durch den Hinweis auf eine konkrete Vorstellung, zum Beispiel die der entsprechenden zeitlichen Strafen, oder der Gewissensqual, oder der ewigen Verdammnis, und so weiter.
Sobald der Antrieb zu einer Handlung in der allgemein-begrifflichen Form vorhanden ist (zum Beispiel: du sollst deinen Mitmenschen Gutes tun! du sollst so leben, daß du dein Wohlsein am besten beförderst!), dann muß in jedem einzelnen Fall die konkrete Vorstellung des Handelns (die Beziehung des Begriffes auf einen Wahrnehmungsinhalt) erst gefunden werden. Bei dem freien Geiste, den kein Vorbild und keine Furcht vor Strafe usw. treibt, ist diese Umsetzung des Begriffes in die Vorstellung immer notwendig. Konkrete Vorstellungen aus der Summe seiner Ideen heraus produziert der Mensch zunächst durch die Phantasie. Was der freie Geist nötig hat, um seine Ideen zu verwirklichen, um sich durchzusetzen, ist also die moralische Phantasie. Sie ist die Quelle für das Handeln des freien Geistes. Deshalb sind auch nur Menschen mit moralischer Phantasie eigentlich sittlich produktiv. Die bloßen Moralprediger, das ist: die Leute, die sittliche Regeln ausspinnen, ohne sie zu konkreten Vorstellungen verdichten zu können, sind moralisch unproduktiv. Sie gleichen den Kritikern, die verständig auseinanderzusetzen wissen, wie ein Kunstwerk beschaffen sein soll, selbst aber auch nicht das geringste zustande bringen können.
Die moralische Phantasie muß, um ihre Vorstellung zu verwirklichen, in ein bestimmtes Gebiet von Wahrnehmungen eingreifen. Die Handlung des Menschen schafft keine Wahrnehmungen, sondern prägt die Wahrnehmungen, die bereits vorhanden sind, um, erteilt ihnen eine neue Gestalt. Um ein bestimmtes Wahrnehmungsobjekt oder eine Summe von solchen, einer moralischen Vorstellung gemäß, umbilden zu können, muß man den gesetzmäßigen Inhalt (die bisherige Wirkungsweise, die man neu gestalten oder der man eine neue Richtung geben will) dieses Wahrnehmungsbildes begriffen haben. Man muß ferner den Modus finden, nach dem sich diese Gesetzmäßigkeit in eine neue verwandeln läßt. Dieser Teil der moralischen Wirksamkeit beruht auf Kenntnis der Erscheinungswelt, mit der man es zu tun hat. Er ist also zu suchen in einem Zweige der wissenschaftlichen Erkenntnis überhaupt.
Das moralische Handeln setzt also voraus neben dem moralischen Ideenvermögen und der moralischen Phantasie die Fähigkeit, die Welt der Wahrnehmungen umzuformen, ohne ihren naturgesetzlichen Zusammenhang zu durchbrechen. Diese Fähigkeit ist moralische Technik. Sie ist in dem Sinne lernbar, wie Wissenschaft überhaupt lernbar ist. Im Allgemeinen sind Menschen nämlich geeigneter, die Begriffe für die schon fertige Welt zu finden, als produktiv aus der Phantasie die noch nicht vorhandenen zukünftigen Handlungen zu bestimmen. Deshalb ist es sehr wohl möglich, daß Menschen ohne moralische Phantasie die moralischen Vorstellungen von andern empfangen und diese geschickt der Wirklichkeit einprägen. Auch der umgekehrte Fall kann vorkommen, daß Menschen mit moralischer Phantasie ohne die technische Geschicklichkeit sind und sich dann anderer Menschen zur Verwirklichung ihrer Vorstellungen bedienen müssen.
Insofern zum moralischen Handeln die Kenntnis der Objekte unseres Handelnsgebietes notwendig ist, beruht unser Handeln auf dieser Kenntnis. Was hier in Betracht kommt, sind Naturgesetze. Wir haben es mit Naturwissenschaft zu tun, nicht mit Ethik. Die moralische Phantasie und das moralische Ideenvermögen können erst Gegenstand des Wissens werden, nachdem sie vom Individuum produziert sind. Dann aber regeln sie nicht mehr das Leben, sondern haben es bereits geregelt. Sie sind als wirkende Ursachen wie alle andern aufzufassen (Zwecke sind sie bloß für das Subjekt). Wir beschäftigen uns mit ihnen als mit einer Naturlehre der moralischen Vorstellungen. Eine Ethik als Normwissenschaft kann es daneben nicht geben.“ (S. 191ff).
Pflicht.
Aus Pflicht (eigtl. Sorge, Dienst, Pflege vom ahd. phlegan) zu handeln heißt, seine Handlung nach von außen anerkannten Normen zu richten. „Der Mensch handelt, wenn er die Antriebe zu seinem Handeln in Geboten sucht, nach Gesetzen, deren Begründung nicht von ihm abhängt; er denkt sich eine Norm, die von außen seinem Handeln vorgeschrieben ist. Er handelt aus Pflicht. Von Pflicht zu reden, hat nur bei dieser Auffassung Sinn. Wir müssen den Antrieb von außen empfinden und die Notwendigkeit anerkennen, ihm zu folgen, dann handeln wir aus Pflicht. Unsere Erkenntnistheorie kann ein solches Handeln, da wo der Mensch in seiner sittlichen Vollendung auftritt, nicht gelten lassen. Wir wissen daß die Ideenwelt die unendliche Vollkommenheit selbst ist; wir wissen, daß mit ihr die Antriebe unseres Handelns in uns liegen; und wir müssen demzufolge nur ein solches Handeln als ethisch gelten lassen, bei dem die Tat nur aus der in uns liegenden Idee derselben fließt.“ (Lit.: GA 1, S. 201f.). In seinen ethischen Untersuchung rückte Immanuel Kant den Pflichtbegriff, besonders in den Vordergrund:
„Kant sprach einstmals von der zwingenden Pflicht, von dem, ich möchte sagen, den Menschen bändigenden kategorischen Imperativ, der nichts gestattet von Einmischung irgendeiner Sympathie. Was man tut aus sittlicher Pflicht, tut man, weil man es muß. Kant sagt deshalb: Pflicht, du erhabener, großer Name, der du nichts bei dir führest, was Einschmeichelung oder dergleichen bedeutet, sondern nur strengste Unterwerfung.“ (Lit.: GA 334, S. 69). „Schiller fand dieses sklavische Unterwerfen unter die Pflicht nicht menschenwürdig“ (Lit.: GA 334, S. 69) und setzt Kant deshalb das entgegen, was er in seinen «Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen» ausdrückt. Goethe setzt ihm entgegen, dass ein Handlungsimpuls aus einem selbst kommen soll und aus Liebe geschehen soll. „Das aber, was das Menschenleben erst menschenwert machen kann, das ist, wenn erfüllt wird, was Goethe in ein paar Worten ganz monumental sagt:Pflicht, wo man liebt, was man sich selbst befiehlt.
Aber die Stimmung, zu lieben, was man sich selbst befiehlt, sie kann nur angefeuert werden aus jener Verfassung der menschlichen Seele, die im Erwerben der Geisteswissenschaft zustande kommt.“ (Lit.: GA 334, S. 70). Der bloß auf äußere Pflichten gegründeten Moral setzte Rudolf Steiner bereits in seiner Philosophie der Freiheit den auf die menschliche Freiheit gegründeten ethischen Individualismus entgegen: „Der bloße Pflichtbegriff schließt die Freiheit aus, weil er das Individuelle nicht anerkennen will, sondern Unterwerfung des letzteren unter eine allgemeine Norm fordert. Die Freiheit des Handelns ist nur denkbar vom Standpunkte des ethischen Individualismus aus.“ (Lit.: GA 4, S. 165).
In einem Brief an Karl Julius Schröer schreibt Rudolf Steiner:
„Wahrhaft unsere Handlungen sind ja doch nur diejenigen, wo wir, den Pflichtbegriff vollkommen beiseite setzend, rein unsere Individualität walten lassen.“ (Lit.: GA 38, S. 143).
Und dem oben angeführten Ausspruch Kants erwidert Steiner:
„Freiheit! du freundlicher, menschlicher Name, der du alles sittlich Beliebte, was mein Menschentum am meisten würdigt, in dir fassest, und mich zu niemandes Diener machst, der du nicht bloß ein Gesetz aufstellst, sondern abwartest, was meine sittliche Liebe selbst als Gesetz erkennen wird, weil sie jedem nur auf erzwungenen Gesetze gegenüber sich unfrei fühlt.“ (Lit.: GA 4, S. 170f).
Die Pflicht zwischen Ahriman und Luzifer.
„Wenn der Mensch nach der Pflicht hinblickt mit seiner Seele, so blickt er eigentlich aus sich hinaus. – Kant hat das ja so grandios zum Ausdruck gebracht, indem er die Pflicht hingestellt hat wie eine hehre Göttin, zu der der Mensch aufschaut: «Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst…» – Der Mensch sieht die Pflicht gleichsam herabstrahlen aus Regionen der geistigen Welt. Religiös empfindet er die Pflicht als einen von den Wesenheiten der höheren Hierarchien auferlegten Impuls. Und indem der Mensch sich der Pflicht unterwirft, geht er in dem Pflichtgefühl aus sich heraus. Und dieses In-dem-Pflichtgefühl- aus-sich-Herausgehen ist schon etwas, was den Menschen aus seinem gewöhnlichen Selbst herausbringt.
Aber alles derartige Herausgehen aus dem gewöhnlichen Selbst, solches Streben nach Vergeistigung würde den Menschen in eine Lage bringen, in der er gleichsam den Boden unter den Füßen verlöre, wenn er nur dieser einen Tendenz sich hingeben würde, des Strebens aus sich heraus. Der Mensch würde gleichsam die Schwere verlieren, wenn er nur immer aus sich heraus wollte. Daher muß der Mensch, wenn er der Pflicht sich unterwirft, versuchen, in sich selbst eine Hilfe zu finden, die ihm gleichsam Schwere gibt, wenn er sich der Pflicht unterwirft. Schön hat das Schiller ausgedrückt, welcher das Wort gesprochen hat, daß der Mensch das schönste Verhältnis zur Pflicht habe, wenn er die Pflicht zugleich lieben lernt.
Mit diesem Gedanken ist eigentlich viel gesagt. Wenn der Mensch davon spricht, daß er die Pflicht lieben lernt, da unterwirft er sich nicht mehr bloß der Pflicht, da steigt er heraus aus sich und nimmt die Liebe mit, mit der er sonst nur sich selber liebt. Die Liebe, die in seinem Leibe lebt und Egoismus war, nimmt er heraus und liebt die Pflicht. Solange sie Selbstliebe ist, so lange ist sie luziferische Kraft. Wenn der Mensch aber diese Selbstliebe aus sich herausnimmt und die Pflicht liebt, wie er sonst nur sich selbst liebt, so erlöst er Luzifer, nimmt ihn hinaus in das Gebiet der Pflicht und macht sozusagen Luzifer zu einem berechtigten Wesen im Wirken, im Impulsfühlen der Pflicht. Dagegen, wenn der Mensch das nicht kann, wenn er nicht die Liebe aus sich herausholen und sie der Pflicht darbringen kann, so fährt er fort, nur sich zu lieben. Kann er nicht die Pflicht lieben, dann kann er sich nur der Pflicht unterwerfen, dann wird er der Sklave der Pflicht, dann vertrocknet er, dann verhärtet er als Pflichtenmensch, wird kalt und nüchtern, obwohl er der Pflicht hingegeben ist. Er verhärtet ahrimanische, trotzdem er der Pflicht folgt.

Sie sehen, wie die Pflicht gleichsam mitten darinnen steht. Unterwerfen wir uns ihr, so vernichtet sie unsere Freiheit. Wir werden Sklaven der Pflicht, weil Ahriman von der einen Seite sich mit seinen Impulsen der Pflicht nähert. Bringen wir, aber uns selbst, bringen wir der Pflicht die Kraft der Selbstliebe als Opfer dar, bringen wir die luziferische Wärme als Liebe der Pflicht entgegen, dann ist die Folge davon, daß wir durch den Gleichgewichtszustand zwischen Luzifer und Ahriman zu der Pflicht ein entsprechendes Verhältnis finden.“ (Lit.: GA 158, S. 143ff).