Über die Würde des Menschen gemäß Giovanni Pico della Mirandola.
Die echte Gewinn- und Profit-Steigerung: Menschen-Würde!
Die Menschenwürde ist nach moderner Auffassung zum einen der Wert, der allen Menschen gleichermaßen und unabhängig von ihren Unterscheidungsmerkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung oder Status zugeschrieben wird, und zum anderen der Wert, mit dem sich der Mensch als Art über alle anderen Lebewesen und Dinge stellt. Als Rechtsbegriff umfasst die Menschenwürde in der deutschsprachigen Rechtsphilosophie und Rechtstheorie bestimmte Grundrechte und Rechtsansprüche der Menschen und ist von der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffes Würde zu unterscheiden.
Die Menschenwürde ist nach Auffassung von Christian Starck und anderer Staatsrechtler verwurzelt in einer christlichen Tradition sowie der antiken Philosophie und beinhalte damit eine bestimmte Sicht auf Menschenrechte (siehe auch: Krone der Schöpfung); der Philosoph Herbert Schnädelbach führt den Begriff auf die jüdische Religion sowie die Stoa zurück. Auf rechtsphilosophischer Ebene sind Menschenrechte u. a. durch Menschenwürde im deutschen Grundgesetz verankert. Auf rechtstheoretischer Ebene erhebt sich damit die Frage, inwiefern die Weiterentwicklung von Gesetzen, die die Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Recht auf Selbstbestimmung, Schutz vor Folter und Hinrichtung, Recht auf Teilhabe oder Gesundheit einschränken, auf der Grundlage der Menschenwürde stattfinden kann. Innerhalb der deutschen Rechtstheorie wird die Vorstellung, dass die Menschenwürde als ein ethisches Grundprinzip zeitlos sei und als Maßstab über jeder Staatsform stehe, nicht uneingeschränkt vertreten, wiewohl die unantastbare Würde eines jeden Menschen gemäß Artikel 1 in Verbindung mit der Ewigkeitsklausel des deutschen Grundgesetzes im rechtlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes uneingeschränkt gegeben ist.
Auf weltanschaulich-religiöser Ebene wird diskutiert, was unter Menschenwürde bei den rechtsethischen Fragen des Lebensbeginns und des Lebensendes verstanden wird. Aus psychologischer Sicht wurde der Begriff der Menschenwürde von dem schweizerisch-amerikanischen Psychiater Léon Wurmser konkretisiert. Er versteht die Scham als Hüterin der menschlichen Würde.
Andere Rechtstraditionen berufen sich oft nicht auf ein Prinzip der Menschenwürde, um Menschenrechte herzuleiten. Sie sehen Menschenrechte an sich als primäres unveräußerliches Gut oder Naturrecht an, oder leiten sie aus anderen Prinzipien her (z. B. Utilitarismus, Vertragstheorie).
Geschichte:
Westlich-abendländische Tradition:
Die Idee der Menschenwürde hat historisch tief reichende Wurzeln. Vorläufer dessen, was heute unter „Menschenwürde“ verstanden wird, finden sich partiell bereits in der römischen Antike, im frühen Judentum und im Christentum. Zu letzteren zählen primär der Gedanke der Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,27 EU) und die daraus folgende fundamentale Gleichheit der Menschen. Der Gleichheitsgedanke manifestierte sich zunächst als „Gleichheit aller Gläubigen vor Gott“. Bei Paulus kommt diese Vorstellung radikal zum Ausdruck: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus.“ (Gal 3,28f EU).
Antike:
Die griechische Antike (Vorsokratiker, Platon, Aristoteles) kennt den Begriff der Menschenwürde nicht. Geht man davon aus, dass im humanum ein Ansatz zu suchen sei, dann sieht etwa Aristoteles dies in der Vernunft (Logos). Menschenwürde nach dem Verständnis des Grundgesetzes ist jedoch ein Rechtsanspruch. Aus der Tatsache, dass der Mensch ein rationales Wesen ist, folgt für Aristoteles nicht, dass er bestimmte Ansprüche an Andere oder die Gesellschaft hat.
Auch aus der Nikomachischen Ethik lässt sich außer in der Erörterung der zwei Typen der Gerechtigkeit nur schwer ein Begriff der Menschenwürde herauslesen. Im Begriff der distributiven Gerechtigkeit etwa soll dem Einzelnen nach dem Prinzip der Würdigkeit und des Verdienstes zugeteilt werden. Die Würdigkeit bemisst sich danach, was jener für die Gemeinschaft geleistet hat. Anders sieht dies die römische Antike. Zwei Begriffe spielen dabei eine Rolle.
- Die siebzehn Bücher des Hermes Trismegistos.
- die humanitas.
- die dignitas.
Grundlegend für den Begriff der humanitas ist das Werk Ciceros. Dort wird jedoch der Begriff als Unterscheidungskriterium zum Tier, nicht aber als personale Eigenschaft verstanden. Erst mit dem Konzept der dignitas ‚Würde‘, ‚Würdigkeit‘ können erste Ansätze zum Begriff der Menschenwürde gesehen werden. Einschlägig hierfür sind Ciceros Werke De re publica ‚Über den Staat‘ und De officiis ‚Vom pflichtgemäßen Handeln, Von den Pflichten‘.
1) Cicero betrachtet dignitas als gesellschaftliches Konzept in De re publica und De officiis
- als abstufbar. Im Rahmen seiner Verfassungsdiskussion (Königtum oder regnum, Aristokratie oder Demokratie) kritisiert er die Herrschaft des Volkes aus dem Grund, weil dann die Würde unbilliger Weise gleichmäßig verteilt sei:
„[…] und wenn alles von einem noch so gerechten und maßvollen Volk geleitet, so ist doch eben die Gleichmäßigkeit unbillig dadurch, dass sie keine Stufen der Würde kennt.“
- als abgeleiteten Begriff. Würde ist für Cicero kein abgeleiteter Begriff, sondern er lässt sich zurückführen auf andere Begriffe wie laus ‚Lob‘, honor ‚Ehre‘ oder auch gloria ‚Ruhm‘. So gibt es für ihn viele Arten von „Würden“ (dignitates) (vgl. Cic.rep. I,53).
- als eine unter vielen gleichberechtigten menschlichen Eigenschaften.
- als eine soziale Relation zwischen Individuum und Gemeinwesen. Diese Dimension bezeichnet die Nützlichkeit (utilitas) der Taten für die Gemeinschaft. Demnach sind nicht alle Taten nützlich für ein Gemeinwesen und steigern damit auch nicht die Würde des einzelnen. Auch muss die Nützlichkeit dem Urteil der Gemeinschaft überlassen werden.
- als eine persönlich zu erwerbende Eigenschaft. Würde muss verdient werden.
Hieraus wird deutlich, dass Cicero durchaus in der aristotelischen Tradition steht, wonach Würde und Würdigkeit immer bezogen sind auf die persönliche Leistung eines einzelnen für sein Gemeinwesen. Würde muss man sich verdienen und man kann sie verlieren. Für Cicero, der die Leistungen Cäsars anerkannte, war Cäsar sowohl praktisch-politisch als auch theoretisch ein Problem. Man kann sogar so weit gehen und sagen, dass Cicero seine Ideen an Cäsar geschärft hat. So erkennt er zwar die Leistungen Cäsars für das Gemeinwesen an, nicht jedoch den Schritt Cäsars, als er diese einfordert. Dignitas ist demnach kein unbedingter Anspruch, den man aus Leistungen unmittelbar ableiten kann. Cicero weist darauf hin, dass das Gemeinwesen die letzte Urteilsinstanz dafür bleibt und nicht der einzelne. Cäsar hatte mit dem Überschreiten des Rubicon (und der Vertreibung des Senats) etwas eingefordert, was man nicht einfordern kann.
2) Ciceros Konzept einer angeborenen Würde des Menschen in De officiis
Dem gesellschaftlichen Konzept von Würde setzt Cicero ein Konzept von menschlicher Würde entgegen. Diese Würde, so scheint es, kann nicht aberkannt werden. Dort, wo Cicero vom Menschen im Gegensatz zum Tier redet, billigt er allen Menschen eine Würde zu.
- Frage: Marcus, wodurch oder weshalb erhält ein Mensch seine Würde? Cicero: Weil wir alle an der Vernunft teilnehmen, an dieser Vorzüglichkeit, mit der wir die Tiere übertreffen. (Cic.off. I,106)
- Frage: Und was muss man tun, um sich diese Würde, die uns als Menschen zuteilwird, zu bewahren? Cicero: Die Lust ist der Vorzüglichkeit des Menschen nicht würdig genug, so dass es nötig ist, sie zu verachten und zurückzuweisen. (Cic.off. I,106)
Würde erhält der Mensch demnach, weil er im Gegensatz zum Tier vernünftig ist, und zwar zunächst unabhängig von seinen Leistungen. Er muss sich diese Würde durch ein entsprechendes Verhalten (kein Luxus, keine Prunksucht) aber bewahren. Wie ist das zu verstehen und wie passt das mit Ciceros gesellschaftlichem Konzept von Würde zusammen? Gängige Interpretationen gehen davon aus, dass der Mensch zunächst eine natürliche und mit der Geburt gelieferte (nicht jedoch angeborene, die man ja nicht verlieren kann!) Würde besitzt. Allerdings kann er diese Würde erhalten, vergrößern oder ganz oder teilweise verlieren. Dies hängt ganz von seinen Leistungen ab, wie sie unter 1.) beschrieben wurden. Man könnte dies vergleichen mit einem Glas, das bei der Geburt mit einer bestimmten Menge Flüssigkeit (= Würde) gefüllt ist. Im Laufe des Lebens kann die Flüssigkeit zu- oder abnehmen.
Fasst man die antike Auffassung von Menschenwürde nochmals zusammen, so lässt sie sich auf zwei Eigenschaften reduzieren. Würde ist
- abstufbar, weil abhängig von den Taten, dem Charakter und der Gesinnung des einzelnen in Bezug auf seine Nützlichkeit für die Gemeinschaft, und
- veräußerlich, da man seiner Würde verlustig gehen kann, wenn man inhonestum (Unsittliches) und indecorum (Ungebührliches) tut.
Damit wird aber auch deutlich, dass in der Antike dort, wo vom Menschen als Gattungswesen der Begriff einer unveräußerlichen Würde/Würdigkeit fehlt, und dort, wo von Würde die Rede ist, diese nicht als universeller Anspruch, sondern als persönlicher formuliert ist.
Im frühen Christentum spielt die Menschenwürde eine Rolle, wird aber unterschiedlich verstanden.
Renaissance.
Giovanni Pico della Mirandola gab 1486 mit seinem Traktat „Oratio de hominis dignitate“ („Rede über die Würde des Menschen“) einen wesentlichen Impuls für die Diskussion um die Würde des Menschen, der unter anderem von Thomas Morus, Erasmus von Rotterdam, Johannes Reuchlin, Juan Luis Vives, Huldrych Zwingli und Philipp Melanchton rezipiert und weitergetragen wurde. Wie auch in den siebzehn Bücher des Hermes Trismegistos zu finden:
„Ehrwürdige Väter,
ich habe in den Schriften der Araber gelesen, daß Abdallah, der Sarazener,
auf die Frage, was ihm auf der Weltenbühne am bewundernswertesten erscheine,
geantwortet habe: Nichts erscheine ihm wunderbarer als der Mensch.
Damit stimmt er mit dem berühmten Satz des Hermes überein:
„Ein großes Wunder, o Asklepios, ist der Mensch”.
Auf der Suche nach dem Sinne dieser Worte
genügten mir die zahlreichen Argumente nicht,
die von so vielen Seiten über die menschliche Natur vorgebracht worden sind:
Daß der Mensch der vermittelnde Bote unter den Geschöpfen sei,
der Vertraute höherer Wesen, der Beherrscher der Niederen.
Durch die Schärfe seiner Sinne, die Erforschung durch den Verstand und das Licht
seiner Intelligenz ist er der Deuter der Natur.
Er ist die Atempause zwischen dem Ewigen und dem Strom der Zeit,
das verbindende, ja das hochzeitliche Glied der Welt – wie die Perser sagen –
und laut dem Zeugnis Davids von beinahe engelhafter Natur.
Das sind zweifellos große Dinge, aber nicht die wichtigsten, das heißt nicht solche,
die es ihm gestatten würden, das Vorrecht höchster Bewunderung für sich in Anspruch zu
nehmen. Sind nicht die Engel oder die seligen Himmelschöre der Bewunderung
mehr wert als der Mensch?
Endlich glaube ich verstanden zu haben, warum der Mensch das glücklichste aller Lebewesen sei
und weshalb so bewunderungswürdig und welche Stellung ihm in der Weltenordnung beschieden sei.
Um diese Stellung beneiden ihn nicht nur die Tiere, sondern auch die Sterne und die überweltlichen
Geister! Unglaublich und wunderbar! Die Würde des Menschen alles lesen.
Aufklärung.
Zu einem umfassenden philosophischen Konzept ausformuliert wurde der Begriff der Menschenwürde aber erst im Zuge der europäischen Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert.
Samuel von Pufendorf (1632–1694) erklärt:
„Der Mensch ist von höchster Würde, weil er eine Seele hat, die ausgezeichnet ist durch das Licht des Verstandes, durch die Fähigkeit, die Dinge zu beurteilen und sich frei zu entscheiden, und die sich in vielen Künsten auskennt.“
Damit verbindet Pufendorf die Idee der Menschenwürde mit der Idee der Seele, mit der Idee der Vernunft und mit der Idee der (Entscheidungs-)Freiheit.
Islam.
Laut der Präambel der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam wird dem Menschen Würde zuteil. Hergeleitet wird dies – wie die gesamte Erklärung – „aus dem edlen Koran und der reinen Sunna des Propheten.“ Als eine Belegstelle wird Sure 17 Vers 70 angesehen: „Nun haben wir fürwahr den Kindern Adams (Menschen-)Würde verliehen […] und sie weiter über alle Dinge unserer Schöpfung begünstigt.“
Buddhismus und Konfuzianismus.
Auch außereuropäische Religionen und Philosophien wie der Buddhismus und der Konfuzianismus kennen die Anerkennung des Werts und der Würde des einzelnen Menschenlebens. Diese findet Gregor Paul beim chinesischen Philosophen Menzius (ca. 370–290 v. Chr.).
Mit Peng-chun Chang war ein Chinese maßgeblich an der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beteiligt, die in der Präambel und in Art. 1 auf die Menschenwürde Bezug nimmt.