Gemüt bezeichnet die durch die Gesamtheit der Gefühls– und Wille­nserregungen erworbene Einheit und Bestimmtheit der Psyche. Das Gemüt wird dabei – vergleichbar den E-Motionen oder der Sinnlichkeit – als Gegenpol zur Intelligenz und dem Verstand gesehen – siehe auch Kognition.

Pömander sprach zu Hermes:

18. Das Licht, sprach er, bin ich, das Gemüt, dein Gott, welcher aus der feuchten Natur ist, welche aus der Finsternis erschien.
19. Das aus dem Gemüt leuchtende Wort, der Sohn Gottes – Quelle.

DREI-GLEICH-KLANG  oder – KONFLIKT

Gefühle – Gedanken – Psyche.

Außen-Welt – Außen-Leben – Projektion  versus  Innen-Welt – Innen-Leben – Reflektion.


Glaubenssätze – Gefühle – Denken –  Verstand – Psyche – Seelenleben.
Erleben – Eindruck – Empfindung – Befindlichkeit – Empfindlichkeit.
Disziplin – Ordnung – Balance – Gelassenheit – Souveränität – Würde – Weisheit.

 


Ein frohes, heiteres Gemüt ist die Quelle allen Edlen und  Guten –
das Größte und Schönste, was je geschah, floß aus einer solchen Quelle.

Friedrich Schiller.
Theorien seit der Aufklärung:

Immanuel Kant (1724–1804) gebraucht Gemüt noch wechselweise mit Seele. Der Begriff „Gemüt“ wird von Kant bereits in seiner Kritik der reinen Vernunft verwendet. Kants zuerst von Christoph Wilhelm Hufeland veröffentlichte Schrift „Von der Macht des Gemüths durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu seyn.“ (Jena 1798) geht auf eine Anregung von Hufeland selbst zurück, der „das Physische im Menschen moralisch behandeln“ wollte, vgl. moralische Behandlung. Diese Schrift erschien im selben Jahr 1798 ebenfalls im Dritten Abschnitt des „Streits der Fakultäten“. Der Begriff der Gemütskrankheiten geht auf diese Zeit zurück.

Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) hält das Gemüt für die ungeteilte, rein gegensatzlose Mitte unserer Persönlichkeit.

Georg W. F. Hegel (1770–1831) bezieht die Einheit des Gefühls auf das Selbstbewusstsein.

Friedrich W. J. Schelling (1775–1854) betrachtet das Gemüt als das bewusstlose, naturverfallene Prinzip des Geistes. Es erscheint ihm dreigeteilt.
a) als Sehnsucht, Sympathie, Schwermut;
b) als Sucht, Lust, Begierde, Irritabilität und
c) als Gefühl und Sensibilität, das Höchste, das sich im Gemüt findet.

Hans Walter Gruhle vermerkt bei Schelling die Betonung der Innerlichkeit. Gerade dies hält Klaus Dörner als Ausdruck des zu jener Zeit, also um 1810 als notwendige Reaktion auf den typisch deutschen Mangel an bürgerlichen Freiheiten im anhaltenden Zeitalter des Absolutismus. Schelling bezeichnet diese Freiheiten sogar als vom Fluch gezeichnet. Die Beurteilung trifft mehr oder weniger auch auf die Haltung der Psychiker insgesamt zu und auf ihre Einstellung zur Frage der Freiheit bzw. der Zwangsbehandlung.

Carl von Clausewitz (1780–1831) hat sich in seinem Werk Vom Kriege ausführlich mit der Natur des Gemüts befasst und die Selbstbeherrschung als Frage des Gemüts und nicht der verstandesmäßigen Intelligenz herausgearbeitet. Ein starkes Gemüt ist nach Clausewitz ein solches, welches auch bei den heftigsten Regungen nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Clausewitz hat die Menschen ferner in folgende Typen bezogen auf ihr Gemüt eingeteilt:

  1. solche, die sehr wenig Regsamkeit besitzen, und die als phlegmatisch oder indolent gelten.
  2. sehr Regsame, deren Gefühle aber nie eine gewisse Stärke überschreiten, und die als gefühlvolle, aber ruhige Menschen gelten.
  3. sehr Reizbare, „deren Gefühle sich schnell und heftig wie Pulver entzünden, aber nicht dauernd sind“;
  4. solche, „die durch kleine Veranlassungen nicht in Bewegung zu bringen sind und die überhaupt nicht schnell, sondern allmählich in Bewegung kommen, deren Gefühle aber eine große Gewalt annehmen und viel dauernder sind. Dies sind die Menschen mit energischen, tief und versteckt liegenden Leidenschaften.“ (Maniac). Diese Einteilung entspricht fast exakt den vier Böden in Jesus’ Gleichnis vom vierfachen Ackerfeldsiehe auch.

Karl W. Ideler (1795–1860) war ein Vertreter von Theorien, in denen Elemente der Psychoanalyse sich abzuzeichnen beginnen. Er vertrat die Auffassung, dass Leidenschaften und Triebe zum Antrieb des Willens werden, indem sie »alle ihnen widerstrebenden Begriffe aus dem Bewusstsein verdrängen«. Im Zwiespalt zwischen Denken und Wollen sei die relative Einheit im Gemüt zu beachten, denn Sittlichkeit sei die »oberste Angelegenheit des Gemüts«. Klaus Dörner meint, dass Ideler damit sowohl ethische als auch empirische Gesichtspunkte vertrat.

Im Gegensatz zu der während der Aufklärung betonten Verstandesbildung spielte während der Romantik die Gemütsbildung in der deutschen Pädagogik eine wechselnde, aber stets beachtete Rolle. Vertreter dieser romantischen Richtung waren Novalis, Ludwig Tieck, Clemens Brentano und die Brüder Grimm.

Wilhelm Griesinger (1817–1868) hat als einer der ersten Somatiker und damit als Vertreter einer eher naturwissenschaftlich ausgerichteten Medizin das Gemüt als den mehr „rezeptiven Anteil“ des Gehirns angesehen, vgl. auch den Begriff der Körperfühlsphäre. Seine Vorstellungen zielten dabei auf das Modell des Reflexbogens mit einem durch Empfindungen bestimmten rezeptorischen (zentripetalen) und einem durch den Willen oder die Emotionalität bestimmten effektorischen (zentrifugalen) Anteil, vgl. Kap. Antike und die ggf. veränderte effektorische Verhaltensbereitschaft.

Im deutsch-völkischen Kontext wurde von diesem Begriff gern Gebrauch gemacht. Die Tageszeitung Tübinger Chronik brachte die dort beliebten Plattitüden am 28. Juni 1906 wie folgt auf den Punkt: „Gemüt ist eine geistige Eigenschaft, welche eigentlich nur wir Germanen besitzen“.

Reflexbogen:

Als Reflexbogen wird in der Physiologie die kürzeste Verbindung zwischen Rezeptor und Effektor über die Nervenzellen eines bestimmten neuronalen Erregungskreises bezeichnet. Die Verschaltung vom afferenten auf das efferente Neuron erfolgt im einfachsten Fall auf spinaler Ebene über eine Synapse im Vorderhorn des Rückenmarks. Man spricht daher bei dieser Form eines Reflexes auch genauer von einem einfachen monosynaptischen Reflexbogen. Die Bezeichnung Reflexbogen und die damit verbundene physiologische Neuronentheorie ist angelehnt an das Konzept des technischen Regelkreises und an entsprechende Input/Output-Systeme. Im Gegensatz zum rein physiologischen Begriff des Reflexes wird mit dem Begriff des Reflexbogens das biologische Organisationsprinzip in topologischer Hinsicht betont. Die genaue Kenntnis topographischer Gegebenheiten ermöglicht eine exakte topische Diagnostik. Sie wird dadurch erleichtert, dass der gesamte monosynaptische Reflexbogen im gleichen Rückenmarksniveau liegt, dessen genaue Kenntnis demnach auch klinisch wichtig ist. Die Prüfung der Reflexe gehört zur neurologischen Standarduntersuchung.

Die Problematik einer topischen Diagnostik und der damit verbundenen Lokalisationslehre klingt auch mit dem Begriff der Proprioception bzw. mit dem Prinzip der Selbststeuerung oder Selbstregulation an. Auch wenn nur ein kleiner Teil der Impulse der Propriozeption zum Bewusstsein, und damit zur Hirnrinde gelangt, so darf das Konzept des Reflexbogens nicht ausschließlich im Sinne eines simplen mechanischen Automatismus verstanden werden. Dies wäre eine unzulässige Vereinfachung, die dem Wesen des lebenden Organismus nicht gerecht wird. Eine einzelne Nervenzelle empfängt nicht nur Erregungen von ein oder zwei Neuronen, sondern von zahlreichen, ja bis zu Tausenden Neuronen. Dies gilt auch für die motorische Vorderhornzelle im Rückenmark, vgl. den folgenden Abschnitt Elemente des Reflexbogens. So erhält z. B. der Reflexbogen fördernde oder hemmende zentrale Einflüsse durch die Pyramidenbahnen, die sich am peripheren motorischen Neuron in den Reflexbogen einschalten. Sie wirken physiologischerweise beim Eigenreflex hemmend auf eine Reflexantwort, bei Schädigung des Pyramidenbahnsystems dagegen fördernd, vgl. Pyramidenbahnzeichen.

Entsprechend genanntem Prinzip eines Regelkreises wird unterschieden:
  • auf der Seite der Eingabe (Bild „Regelkreis“, Symbol w) der afferente Schenkel des Bogens (blau in Bild „Querschnitt“); Ursprung = Sensor oder Fühler in der Technik = Rezeptor (Muskelspindel) in der Biologie; Weiterleitung des Reizes durch unipolare Nervenzelle im Spinalganglion.
  • auf der Seite der Ausgabe (Bild „Regelkreis“, Symbol y) der efferente Schenkel des Bogens (rot in Bild „Querschnitt“); Weiterleitung der Reizantwort durch motorische Vorderhornzelle; Ziel = Aktor bzw. Effektor in der Technik = Effektor (Physiologie) oder Wirkorgan in der Physiologie (Muskel oder Drüse).

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Afferenzen haben bei einfachen (monosynaptischen) Reflexen ihren Ursprung in Sinnesorganen oder sonstigen sensiblen oder sensorischen Rezeptoren in Muskeln (Rezeptor: Muskelspindeln), Sehnen oder in der Haut (Tastsinn). Die Weiterleitung der afferenten Impulse zum Rückenmark erfolgt über sensible Nervenzellen (meist Aα-Fasern nach Erlanger Gasser bzw. Ia-Fasern/Ib und II-Fasern nach Lloyd/Hunt). Es handelt sich hinsichtlich des neuronalen Zelltyps um pseudounipolare Nervenzellen, deren Zellkörper im Spinalganglion (Bild „Querschnitt“, Ziffer 13: Spinalganglion) liegt. Dieses befindet sich innerhalb des Spinalkanals, gehört aber nicht zum zentralen, sondern zum peripheren Nervensystem, siehe die Definition des polysynaptischen Reflexes. Efferenzen haben ihr Ziel in Muskel oder Drüse. Die Weiterleitung der efferenten Impulse vom Rückenmark erfolgt über motorische Nerven (Motoneuronen), deren Zellkörper im Bereich der grauen Substanz des Rückenmarks im motorischen Vorderhorn (Bild „Querschnitt“, Ziffer 1: Vorderhorn) liegt. Das zum Effektor (Muskel) führende Motoaxon gehört hinsichtlich der Leitgeschwindigkeit zu den Aα-Fasern (kurz: α-Motoneuron). Die Muskelspindeln werden motorisch über verschiedene Typen von Aγ-Fasern versorgt (kurz: γ-Motoneurone) – Quelle.