
Ein Paradoxon (sächlich; Plural Paradoxa; auch das Paradox oder die Paradoxie, Plural Paradoxe bzw. Paradoxien; vom altgriechischen Adjektiv παράδοξος parádoxos „wider Erwarten, wider die gewöhnliche Meinung, unerwartet, unglaublich“) ist ein Befund, eine Aussage oder Erscheinung, die dem allgemein Erwarteten, der herrschenden Meinung oder Ähnlichem auf unerwartete Weise zuwiderläuft oder beim üblichen Verständnis der betroffenen Gegenstände bzw. Begriffe zu einem Widerspruch führt. Die Analyse von Paradoxien kann zu einem tieferen Verständnis der betreffenden Gegenstände bzw. Begriffe oder Situationen führen, was den Widerspruch im besten Fall auflöst! Einzelne Paradoxa sind in der Liste von Paradoxa zu finden.
In der Philosophie wurden Paradoxa, ebenso wie Sophismen seit der Antike diskutiert. Teilweise wurden sie eingesetzt, um bestimmte Positionen in der Kosmologie oder der Theologie zu stützen oder zu widerlegen und waren bereits früh Gegenstand logischer Untersuchungen. Bekannt sind die Paradoxien des Zenon von Elea, oder etwa das Allmachtsparadoxon. Bis in die Moderne waren Paradoxien der Selbstreferenz von besonderem Interesse: Dazu zählen das Lügner-Paradoxon, das Paradoxon des Epimenides und das bekannte Barbier-Paradoxon –, schließlich das durch die Russellsche Antinomie hervorgerufene Mengenparadoxon und die Grelling-Nelson-Antinomie. Auch in der modernen Wissenschaftstheorie stellen Paradoxien, einmal formuliert, eine wichtige Herausforderung dar, da sie Anforderungen an Theorien und Paradigma deutlich machen, die bisher nicht erfüllt wurden, so etwa Hempels Paradox oder Goodmans neues Rätsel der Induktion.
Eine Betrachtung von Paradoxien in den verschiedenen Wissenschaften belegt, dass das Erkennen und Lösen von Paradoxien ein bedeutendes Motiv wissenschaftlicher Arbeit sein kann. Der Mathematiker Roger Penrose drückte es so aus: „Paradoxien empfinde ich als ausgesprochen reizvoll. Sie sehen so etwas und versuchen zu verstehen, wie um Himmels Willen könnte das einen Sinn ergeben?! Selbst das ist paradox: Ich habe viel für Paradoxien übrig, und gleichzeitig will ich sie aus der Welt schaffen!“ (Zitat nach Gábor Paál)
Der wissenschafts-ästhetische Reiz von Paradoxien zeigt sich auch daran, dass sich Künstler wie M. C. Escher von den Paradoxien in der Mathematik und Physik inspirieren ließen. So gab es zeitweise einen engen Austausch zwischen ihm und Penrose, der sich als Mathematiker mit geometrisch „unmöglichen“ Formen befasste. Von ihm stammt unter anderem das berühmte Penrose-Dreieck.
Der britische Mathematiker und Physiker Roger Penrose schlug für die Physik die Unterscheidung von Paradoxien von Puzzles vor. Bei Puzzles handele es sich um „verblüffende, aber experimentell unmittelbar belegbare Quantenwahrheiten über die Welt, in der wir leben.“ Dazu gehöre unter anderem das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon, das keinen echten Widerspruch, sondern lediglich eine zwar unanschauliche, aber doch belegbare physikalische Wahrheit sei. Die Paradoxien oder „X-Rätsel“, wie Penrose sie auch nennt, seien zwar quantenphysikalisch ebenso ein „wahrer Bestandteil dieser Welt, erscheinen aber so unplausibel und paradox, dass wir uns sträuben, sie als ‚wirklich‘ wahr hinzunehmen“. Das bekannteste X-Rätsel sei das Paradoxon von Schrödingers Katze. Escher wiederum hat diese in seinen Grafiken (Hände) umgesetzt. Auch für andere Wissenschaftler und Denker wie Bertrand Russell, Gregory Bateson oder Arthur Koestler waren Paradoxien in ihren unterschiedlichen Facetten ein zentrales Thema.

Two women’s hands draw each other.
In der Psychologie werden als Paradoxa starke Widersprüche in den Anforderungen an das individuelle Denken und Verhalten untersucht. Dazu gehört die sogenannte „Sei-spontan-Paradoxie“, wie es häufig in Beziehungen zum Ausdruck kommt: Die Erwartung, dass mein Gegenüber seine Entscheidungen gefälligst frei und selbständig treffen soll – und genau damit seine Unselbständigkeit unter Beweis stellen würde. Der Wunsch „Sag mir doch öfter mal spontan, dass du mich liebst!“ ist, sobald ausgesprochen, nicht mehr erfüllbar. Siehe auch: Teufelskreis und Interpunktion (Kommunikation). In den sogenannten paradoxen Interventionen werden psychische Paradoxien wiederum gezielt eingesetzt, insbesondere dann, wenn das Gegenüber (ein Kind zum Beispiel) ein trotziges Verhalten zeigt und auf Aufforderungen bewusst mit dem Gegenteil reagiert. Entsprechend wird in der paradoxen Intervention eine Erwartung geäußert, deren Gegenteil eigentlich erreicht werden soll.

Ein weiteres Beispiel für psychische Paradoxien sind Double-Bind-Kommunikationsstrukturen.

Die Lücke – aus der der Schneemann entstand?!
Paradoxien folgen eigenen Regeln. Um hinter ihre Kulissen zu schauen, ist es sinnvoll, sie in fünf Kategorien zu fassen. Ein erster Schritt, um diese fordernden Widersprüchlichkeiten für Entwicklungsprozesse klug zu nutzen. Die fünf Kategorien von Paradoxie stehen für die Kernaktivitäten von Organisationen innerhalb oder zwischen (LÜCKE) denen es zu Spannungen (Kreativität) kommen kann: Leistung (Aufgabe und Ziele), Lernen (Wissen, Verstehen und Sein), Zugehörigkeit (Identität/interne Beziehungen, Individualität und Authentizität) Organisation (Toleranz, Ordnung, Abläufe, Prozesse, Mischung und Gelingen) und Versöhnung der Gegensätze durch ein Meta-Ziel – siehe auch Zukunft-Brillen nach Pero Mićić.


