Unternehmer News- und Impuls-Update vom 13. Juni 2021

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

ich habe die letzten 11 Tage – aus meiner Sicht, 8 Artikel für Sie herausgesucht und heute hier präsentiert:

1. Mechanismen einer Machtmaschine – Robin Alexander blickt ins Innere des Systems Merkel.

Premiere in Deutschland: Erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik tritt 2021 kein Kanzler zur Bundestagswahl an. Daher wird der Kampf um die Nachfolge der mächtigsten Frau im wichtigsten Staat Europas in mehreren Runden ausgetragen, deren letzte noch aussteht. Schon die ersten Runden wurden freilich unter Einsatz aller verfügbaren Mittel professioneller Machtpolitik ausgefochten – mehr Informationen weiter unten.

2. Was uns heilig ist – Wege zum Seelenfrieden – zum Artikel.

An welchen Orten begegnet uns das Heilige? Und welche Wege führen uns zur inneren Weisheit? Ob in der Natur der Schweizer Berge, in jahrhundertealten Ritualen Zen-buddhistischer Mönche, in abgeschiedener Isolation eines kanadischen Trappers oder im ekstatischen Sufi-Tanz der Türkei – es gibt viele Wege sich selbst und dem Seelenfrieden näher zu kommen. Eine spirituelle Weltreise mit dem französischen Philosophen und Soziologen Frédéric Lenoir.

3. Sparen – Finanzieren – Kredit – Zinsen – Schulden – zum Artikel.

Der Sparer, das wichtigste „Rädchen“ für Wirtschaftswachstum, weil er den Kredit als Geschäftsmodell ermöglicht.

4. Burkhard Balz – Vorstand der Deutschen Bundesbank – „Bargeld bleibt bestehen“.

Er erzählt im Interview, warum er immer ein paar Münzen in der Tasche hat und welche Vorteile ein digitaler Euro brächte – „Das Wesen des Geldes“ , Reihe: Sprechen wir über Geld in der SZ.

5. Dreihundertneunzig Milliarden Euro neue Schulden – doch die EU verhindert den Eingang der Riesensumme in die nationalen Statistiken.

Durch den Wiederaufbaufonds wird die EU einer der größten Schuldner in Europa. Die Mitgliedsländer garantieren zwar für die Summe, doch einige Verpflichtungen tauchen in den nationalen Statistiken nicht auf – mehr Informationen weiter unten..

6. Facebook, die Stimme von nahezu 3 Milliarden Nutzern: Die Kraft von Netzwerken

Die sozialen Medien zerlegen die alte Welt in ihre Bestandteile und setzen sie neu zusammen. Den Bauplan dafür liefert Facebook. Wie sich aus einer Idee von Studenten ein Paralleluniversum entwickelt hat. Es muss Ende vergangenen Jahres gewesen sein, als Facebook die Weltherrschaft übernahm. Schon davor war das soziale Netzwerk oft mit einer Nation verglichen worden. „Wäre Facebook ein Land“, hieß es 2008, „es wäre das achtgrößte der Welt.“ 2010 wäre Facebook bereits das drittgrößte Land der Erde gewesen, nach China und Indien. Im letzten Quartal 2014 schließlich meldete die Statistik 1,36 Milliarden Einwohner in der Volksrepublik; im Staate Facebook lebten da erst 1,35 Milliarden Nutzer, bis zum Jahresende waren es dann aber doch schon 1,39 Milliarden. Wäre Facebook ein Land, es wäre nun, nach Einwohnern, das größte der Welt – 2016.

Nie haben sich Nachrichten schneller verbreitet. Und nie war es leichter, Lügen zu streuen und Hass zu sähen. Es wird ungemütlich für die Technologie-Riesen in den USA. Am Freitag haben Vertreter beider Parteien insgesamt vier Gesetzesentwürfe vorgelegt, die die Macht von Big Tech reduzieren sollen – zum Artikel.

7. Perfektion – zum OeHu-Wiki-Beitrag.

Interessanterweise stammt eines der beeindruckendsten Zitate zum Thema Perfektion nicht von einem Philosophen oder einem bekannten Psychologen, sondern von einem italienischen Schauspieler. Vittorio Gassman sagte: „Unsere Imperfektionen verhelfen uns zu Angst. Der Versuch, sie zu lösen, verhilft uns zu Mut.”

8. Fehler-Irrtum-Fehlen-Lücke – zum OeHu-Wiki-Beitrag.
Vereinfachte Symbolik:

Du gräbst in einem Schneefeld ein Loch und mit dem Schnee baust du einen Schneemann. Der Schneemann freut sich, dass er in einem fehlerfreien Schneefeld steht. Doch dann sieht er das Loch. Um sich eine perfekte Welt zu schaffen, beginnt er, das Loch zu reparieren. Da der Schneemann selbst das Material ist, das er benötigt, um den Fehler im Schneefeld zu beheben, fängt er an, sich zu zerstören.
Mit dem Drang zur Perfektion kam das Leid in seine Welt! Das Muster der Unendlichkeit: Der reale Fehler im irrealen NICHTS.

Fortsetzung zum Punkt 1 + 5:

1. System Merkel

Die letzte verbliebene Volkspartei in Deutschland fügte sich, so zeigt Robin Alexander in seinem Buch «Machtverfall», am Ende stets in einen Pakt: Für den Besitz der Regierungsmacht akzeptierte die Union Merkels Regierungspraxis, Positionen der politischen Linken zu übernehmen und eigene aufzugeben – Robin Alexander: Machtverfall. Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik. Ein Report. Siedler-Verlag, München, 2021. 384 S., € 22.–..

Premiere in Deutschland: Erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik tritt 2021 kein Kanzler zur Bundestagswahl an. Daher wird der Kampf um die Nachfolge der mächtigsten Frau im wichtigsten Staat Europas in mehreren Runden ausgetragen, deren letzte noch aussteht. Schon die ersten Runden wurden freilich unter Einsatz aller verfügbaren Mittel professioneller Machtpolitik ausgefochten.

Symptomatisch für das Verhältnis zwischen Merkel und der Partei ist das Beziehungsdrama, das sich nach der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur CDU-Vorsitzenden im Dezember 2018 abspielte. Galt Kramp-Karrenbauer damit auch als Merkels Favoritin für die Nachfolge im Kanzleramt, so währte der Honeymoon kaum zwei Monate. Denn um die über der Flüchtlingspolitik von 2015/16 tief gespaltene CDU wieder zusammenzuführen, veranstaltete Kramp-Karrenbauer im Februar 2019 ein «Werkstattgespräch Migration, Sicherheit und Integration», das Merkel als Distanzierung von ihrer Politik interpretierte.

Ostentativ setzte sie sich am Abend der Veranstaltung mit zwei Freundinnen an eine Hotelbar, keine 300 Meter vom Ort des Geschehens entfernt – und nicht ohne dass die «Bild»-Zeitung davon erfuhr. O-Ton Alexander: «Die Redaktion hat wohl einen Tipp bekommen. Alle sollen wissen: Heute ist die Kanzlerin besonders entspannt. Du kannst mir gar nichts, lautet die Botschaft.»

Die Währung der Machtpolitik.

Fortan befand sich Kramp-Karrenbauer in einem Dilemma, dem sie in Alexanders Erzählung nicht entkommen konnte. Als Gerüchte aufkamen und Kramp-Karrenbauer tatsächlich gedrängt wurde, Merkel zu stürzen, machte die Kanzlerin ihr bei einem Abendessen unmissverständlich klar, dass sie zum Machtkampf bereit sei und jeden Putsch niederschlagen werde. Wie so oft hat der Leser den Eindruck, mit am Tisch zu sitzen, und man fragt sich, woher der Autor das alles weiss. In diesem Fall ist es der ehemalige «Stern»-Journalist Hans-Ulrich Jörges, der die Information an die Öffentlichkeit trug. Alexander beteuert, alle zitierten Aussagen nach den Regeln journalistischer Sorgfalt recherchiert zu haben. Im politischen Berlin bleibt offensichtlich kaum etwas geheim, denn jede Information ist eine Münze in der Währung der Machtpolitik. Fehlt nur noch, dass Selbstgespräche an die Presse durchgestochen werden.

Zurück zu Kramp-Karrenbauers Dilemma: Als die Politikerin nach Merkels Kampfansage öffentlich bekundete, bis zum Ende der Legislaturperiode zur Kanzlerin zu stehen, hatte Merkel ihr Ziel erreicht. Gleichzeitig wertete sie diese «Geste der Unterwerfung» als fehlenden Killerinstinkt und verlor endgültig das Vertrauen in Kramp-Karrenbauers Eignung als Kanzlerin. In diesem Moment war AKK, so Alexanders These, stehend k. o. Und so versetzte ihr die Bundeskanzlerin im Februar 2020 nur noch den letzten Stoss, als sie aus Südafrika die erfolglosen Bemühungen der Parteichefin desavouierte, das Desaster des mit CDU- und AfD-Stimmen gewählten Ministerpräsidenten der FDP in Thüringen in den Griff zu bekommen.

«Machtverfall» ist eine Reportage aus dem Inneren des «Systems Merkel», von dem selten die Rede ist. Dabei ist es ein womöglich viel härteres Gehäuse, als es das oft beschriebene «System Kohl» je war. Der Journalist und stellvertretende Chefredaktor der «Welt», Robin Alexander, macht die Mechanismen einer Machtmaschine sichtbar, die im Wesentlichen aus vier Bauteilen besteht: erstens einer kleinen, intern als «Girlscamp» bezeichneten Entourage im Kanzleramt, zweitens der politischen Kommunikation durch uneindeutiges Sprechen, drittens einem engmaschigen Verhältnis zu ausgewählten Medien, denen bestimmte Informationen aus dem innersten Zirkel mit dem gewünschten Spin weitergegeben werden, sowie viertens der CDU. Die letzte verbliebene Volkspartei in Deutschland fügte sich, trotz gelegentlichem Aufbegehren, am Ende stets in einen Pakt: Für den Besitz der Regierungsmacht akzeptierte sie Merkels Regierungspraxis, Positionen der politischen Linken zu übernehmen und eigene aufzugeben.

Kaum hatte Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt angekündigt, veränderte die Pandemie die gesamte politische Szenerie – auch für die Bundeskanzlerin. Statt auf globale Abschiedstour zu gehen, sass sie im Lockdown am Bildschirm mit den Ministerpräsidenten – und gehörte dabei nicht nur zum «Team Vorsicht», sondern sogar «extreme Vorsicht». Auch ganz persönlich, so Alexander: Aus Gründen der Luftströme liess sie sich nicht mehr in der Dienstlimousine fahren, sondern in einem VW-Bus. Auf Statussymbole hatte sie ohnehin nie viel gegeben.

Kenner des politischen Betriebs.

«Machtverfall» macht deutlich, wie sehr die Corona-Politik von Beginn an von der gegensätzlichen Positionierung Armin Laschets und Markus Söders im Kampf um Merkels Nachfolge im Kanzleramt geprägt war – und von funktionalen Opportunismen auf allen Seiten, wie man sie als sachinteressierter Bürger lieber gar nicht wahrhaben möchte. Ob jede Äusserung und jede Aktion ganz so intendiert war und immer so gekonnt über Bande gespielt wurde, wie es bei Robin Alexander klingt, oder ob manches nicht auch Zufall war oder sich erst im Nachhinein zu einer Logik fügte, muss dabei offenbleiben. Jedenfalls versteht Alexander die Mechanismen des politischen Betriebs wie kein Zweiter, vielleicht nicht einmal die Protagonisten selbst.

Der Machtkampf zwischen Söder und Laschet wurde bekanntlich mit verkehrten Fronten geführt. Merkels alter Fahrensmann wurde zu ihrem pandemiepolitischen Gegenspieler (oder wurde zumindest als solcher wahrgenommen). Währenddessen mutierte Söder, der noch 2018 die Fronde der CSU gegen Merkel angeführt hatte, zum ersten Gefolgsmann einer Kanzlerin, der Widerspruch in der Sache schon immer unbequem war. Oder wie sie es schon 1991 im Gespräch mit Günter Gaus formuliert hatte: «Vielleicht habe ich da ein autoritäres Verhalten in mir.»

Der Showdown.

Jedenfalls zählte sie Armin Laschet in einem ihrer Alleinauftritte bei Anne Will – auch dieses TV-Format ist ein Teil des «Systems Merkel» – öffentlich an, und als der Bundesvorstand der CDU am Ende über die Kanzlerkandidatur abstimmte, enthielt sie sich der Stimme. Sie versagte ihrem alten Unterstützer den Rückhalt – und nährte damit den von Alexander vermittelten Eindruck, dass die Union sich einer Politikerin unterworfen hat, der die Partei letztlich nicht viel bedeutete.

Der Zustand der CDU war dann auch der zentrale Gegenstand des grossen Showdowns am 18. April, der Alexanders Politthriller den finalen Höhepunkt verschafft. Wieder sitzt der Leser mit am Tisch, als sieben Männer am späten Sonntagabend im weithin menschenleeren Reichstag ans Eingemachte gehen. Söder verweist auf seine Umfragewerte und die Wahlchancen, seine Gegner aus der CDU auf die gewählten Gremien.

Das Problem ist, dass die Union über kein geregeltes Verfahren für die Bestimmung der Kanzlerkandidatur verfügt – und dass die Stimmung an der Basis und die Logik der Gremien weit auseinanderfallen. Söders populistischen Anspruch zurückzuweisen, ist das eine Argument von Wolfgang Schäuble, der noch einmal zum Königsmacher wird. Die Situation der CDU nach Merkel ist das andere. Laut Schäuble sei die CDU «in einem jammervollen Zustand». Sie müsse sich «erneuern», nicht in der Opposition, sondern an der Macht, was nicht gehe «mit einem Kanzler von der CSU».

Auch diese Äusserung bleibt nicht geheim. Schon vor der letzten Runde des Kampfes um ihre Nachfolge ist klar, dass Merkels Ära einen langen Schatten wirft. Umso erhellender ist Robin Alexanders glänzend geschriebenes Kabinettstück des investigativen Journalismus.


5. Dreihundertneunzig Milliarden Euro neue Schulden – doch die EU verhindert den Eingang der Riesensumme in die nationalen Statistiken.

Man kennt das Phänomen aus der Arbeitslosenanalyse: Wenn die Zahlen zu düster werden, schrauben viele Länder an der Statistik. Dieses unheilvolle Vorgehen hat die Europäische Union (EU) nun für die Staatsschulden der Mitgliedsländer entdeckt. Die für den neuen EU-Wiederaufbaufonds aufzunehmenden Kredite werden teilweise nicht den EU-Mitgliedstaaten zugerechnet, obwohl genau diese für die neuen Schulden garantieren. So eliminiert die EU neue Schulden einfach aus der nationalen Statistik. Das erleichtert es vielen Ländern, die vereinbarten Defizitquoten – die wegen der Corona-Pandemie derzeit jedoch ausgesetzt sind – einzuhalten. Worum geht es genau?

Ausgabe der Anleihen beginnt in Kürze.

Ende Mai hat mit Polen das letzte EU-Land die rechtlichen Grundlagen für den Wiederaufbaufonds geschaffen, der für die Abfederung der Folgen der Corona-Krise initiiert wurde und ein Volumen von rund 800 Mrd. € haben soll. Von den Brüsseler PR-Strategen wird der Fonds als «Next Generation EU» (NGEU) bezeichnet, obwohl voraussichtlich vor allem die nächste Generation unter den hohen Schulden ächzen wird. In Deutschland sind mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an dem Fonds eingegangen, darunter eine Klage von sieben CDU-Bundestagsabgeordneten.

Noch in diesem Monat will die EU mit der Ausgabe von Anleihen beginnen, um den Fonds zu äufnen. Insgesamt möchte die EU im Jahr 2021 Anleihen im Wert von etwa 80 Mrd. € auf den Markt bringen. In den nächsten fünf Jahren sind dann Schuldpapiere von jährlich bis zu 150 Mrd. € geplant. Die EU-Kommission wird dadurch zu einem der grössten Schuldner in Europa. Dabei darf Brüssel erstmals in grossem Stil selbst seine Verschuldung ausweiten. In Ausnahmefällen war das zwar bisher schon möglich, doch mit deutlich geringeren Summen. So ist laut der Deutschen Bundesbank die EU mit gut 50 Mrd. € und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) mit knapp 120 Mrd. € verschuldet.

Das Volumen des neuen Wiederaufbaufonds beträgt 750 Mrd. € in Preisen von 2018, wobei die Hilfen in Form von nicht rückzahlbaren Geschenken (Transfers) über 390 Mrd. und zinsgünstigen Krediten über 360 Mrd. € fliessen sollen. Die 390 Mrd. € gehen nicht in die nationalen Schuldenstatistiken ein. Dies hat das – formell unabhängige – Statistikamt der EU entschieden. Dabei bedeutet die Angabe «in Preisen von 2018», dass sich der Ermächtigungsrahmen für Kredite und Transfers jährlich um eine feste Rate von 2% erhöht. So hat das NGEU-Programm in diesem Jahr einen Umfang von 795 Mrd. €, was in Preisen von 2018 den eingangs genannten 750 Mrd. € entspricht.

Entlastung der nationalen Schuldenstände.

Im Rahmen des Wiederaufbaufonds nimmt die EU-Kommission also Kredite auf und macht daraus Transfers (und Kredite) an die Mitgliedstaaten. Durch die Transfers werden die nationalen Defizite und Schuldenstände entlastet, denn sie gehen nicht in die nationalen Statistiken ein. Dies ist vor allem deshalb erstaunlich, weil die neuen Schulden gleichwohl anteilig von den Mitgliedstaaten garantiert werden und somit aus ihren Steueraufkommen bedient werden müssen. In einigen Jahren lasten die Schulden durch höhere Beiträge zum EU-Haushalt dann doch auf den Mitgliedsstaaten. Zwar würde Brüssel gerne eigene Steuern erheben, um so zu «eigenem» Geld zu kommen. Doch die Zustimmung der Mitgliedsstaaten zu diesem Schritt ist mehr als fraglich. Sollte übrigens dereinst ein Land nicht in der Lage sein, seinen Hilfskredit zu bedienen, werden die verbleibenden Nationen zur Begleichung der Forderungen herangezogen.

Das Vorgehen ist in vielerlei Hinsicht sehr problematisch. Die europäischen Statistiken sollten vollständig, verlässlich und transparent sein. Dieses Prinzip wird durch die neue statistische Behandlung der EU-Schulden ausgehöhlt. Zugleich gibt es Verzerrungen im integrierten System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in der EU. Die Bundesbank hat deshalb bereits im Dezember gefordert, die neuen Schulden nicht aus den nationalen Statistiken herauszurechnen. Aufgrund der neuen Dimension der europäischen Schulden und Defizite seien diese bei Fiskalanalysen zu berücksichtigen.

Wäre dies nicht der Fall, würden bestehende nationale Kennzahlen (etwa die Maastricht-Kriterien eines maximalen jährlichen Defizits von 3% und von 60% für die öffentliche Verschuldung, jeweils gemessen am Bruttoinlandprodukt) nicht mehr sachgerecht abgebildet und zu kurz greifen. Die Bundesbank sieht die Gefahr, dass die hieraus erwachsenden Lasten aus dem Blick geraten und der Anreiz steigen würde, die Schuldenaufnahme noch mehr von der nationalen auf die europäische Ebene zu verschieben. Das könnte in der EU die Verschuldungsneigung noch weiter erhöhen. Laut der Notenbank dürfte Deutschland rund ein Viertel der europäischen Verschuldung zuzuordnen sein. Bis 2026 könnte sich so eine Summe von 280 Mrd. € ergeben, was rund 8% des deutschen Bruttoinlandprodukts (BIP) des Jahres 2019 entsprechen würde.

Gefahr von weiteren Fehlanreizen.

Darüber hinaus wird auch das 2020 beschlossene Hilfsprogramm Sure (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency) mit EU-Schulden finanziert. Dieses Programm erlaubt es der EU, den Mitgliedsstaaten schuldenfinanzierte Kredite bereitzustellen, um Arbeitslosigkeitsrisiken durch Kurzarbeitergeld zu mindern. Schon 19 europäische Länder wollen diese Möglichkeit nutzen, rund 90 Mrd. € sind bereits ausgezahlt worden. Diese Beträge gehen jedoch in die nationalen Statistiken ein. Auch über den Stabilitätsmechanismus ESM könnten EU-Staaten gemeinschaftlich abgesicherte Kredite beziehen. Das ist bisher aber noch nicht geschehen, da dem ESM aus Sicht vieler Mitgliedsländer ein Makel anhaftet, da man früher nur Gelder bei ihm beziehen durfte, wenn man vorgegebene Wirtschaftsreformen erfüllte.

Scharfe Kritik am Vorgehen der EU gibt es in Deutschland auch vom Bundesrechnungshof. Der neue Fonds eröffne den Mitgliedsstaaten einen Weg, sich auf EU-Ebene – theoretisch unbegrenzt – zu verschulden und sich diese Mittel als Zuschüsse zuzuweisen. Auch die Rechnungsprüfer befürchten die endgültige Aushöhlung der Maastricht-Kriterien. Die Bonner Behörde kritisiert zudem, dass zur Absicherung des Wiederaufbaufonds die Eigenmittelobergrenze des EU-Haushalts um 0,6 Prozentpunkte auf 2% des Bruttonationaleinkommens (quasi eine Variante des BIP) der EU erhöht werden soll. Daraus ergebe sich bereits in einem konservativen Szenario bis zum Jahr 2058 ein Garantievolumen von 4000 Mrd. €.

Gemessen am Gesamtvolumen des NGEU-Programms errechnet sich laut Bundesrechnungshof so eine Überdeckung von 430%. Da nur die als Zuschüsse vergebenen Mittel getilgt werden sollten, liege die Überdeckung tatsächlich sogar bei 930%. Die sehr hohe Überdeckung des NGEU-Programms könne ferner dazu verleiten, den Tilgungsbeginn hinauszuzögern. Zum Vergleich zieht die Behörde die Überdeckung des Stabilitätsmechanismus ESM heran, die nur 40% betrage. Dies reiche beim ESM aus, um ihm eine hohe Bonität zu sichern. Um also beim NGEU-Programm in den Jahren 2028 bis 2058 den Transferbetrag von 390 Mrd. € decken zu können, bekomme die EU einen Tilgungsspielraum mit dem zehnfachen Volumen. Ein solcher Umfang ist aus Sicht des Rechnungshofes nicht erforderlich und könnte Begehrlichkeiten wecken, ihn für andere Zwecke einzusetzen. Daher dürfe der Fonds keine Dauereinrichtung werden.


Ihnen einen schönen Sonntag, gute Gedanken, mit Mut und Weisheit zur genauen, richtigen und guten Lücke für Sie und ihre Familie.

Ihr
Jörg Adam Leo Schallehn
Vorstand

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