Advent-Intermezzo – 11. Dez. 2022.

Drei Begriffe, die im Kollektiv gedacht,
den Einzelnen motivieren könnte, über sich hinauszuwachsen.


 

Liebe Leserinnen und lieber Leser,

das „rote Faden-Thema” für die Herbst-Intermezzos ist Evolution – Involution – ReEvolutionZukunft.

Es ist eine Zeit, in der die ganze Welt im Umbruch und Wandel ist und Zuver­sicht, die Kraft unserer inneren Haltung ist, um in der Lage zu sein, die eigene Zukunft zu gestalten.

In diesem Kontext widme ich mich heute dem Thema: GEDULD.
Oder die Geduld ist der lange Atem der Leidenschaft” –  Eberhard Jüngel – Theologe. Viele Dinge erfordern Geduld: z.B. eine Schwangerschaft, ein Gerichtsverfahren, das Angeln, Puzzle, Zauberwürfel u.v.m..

Der Nutzen: Was lange währt oder das Bewußtsein darüber, daß es ein Zusammenspiel und -wirken von Chronos und Kairos gibt oder ALLES hat seine Zeit. Den heutigen Leit-Gedanken hat die ZEIT am 23. Nov. 2022 in einem Essay und vier Geschichten näher beleuchtet.


Geduld: Was lange währt:


Als Angler braucht man Geduld, die unser Autor nicht hat. © Valerie Wagner/​plainpicture
1. ESSAY:

Warten ist uns lästig, die Ungeduld gilt als Tugend. Dabei lehren uns die Adventszeit wie das Leben das Gegenteil: ein Essay und vier Geschichten über die Kraft der Geduld. Von  und .

Das geduldige Abwarten hat ein schlechtes Image. Im Kapitalismus ist es ein regelrechter Frevel. Der Kunde darf nicht warten, die Erfüllung muss sofort her, am besten, bevor ein Wunsch auch nur ausgesprochen ist. Eine ganze Wohlstandsgeneration hat das Warten verlernt. Die Dinge müssen schnell gehen, Online-Shopping, heute bestellt, morgen geliefert, und der begierige Käufer kann dem Paket beim Näherrücken digital auch noch zusehen. Ich habe Hunger – Lieferando ist schon da. Ich will Zuwendung – ab zu Tinder. Ungeduld ist eine Tugend, der Motor des Fortschritts.

Kürzlich konnte man lesen, dass der reichste Mann der Welt, der Tesla-Erfinder, SpaceX-Gründer und Twitter-Chef Elon Musk, nicht einmal mehr eine Wohnung haben soll, geschweige denn ein Haus. Er schläft im Auto oder kommt bei Freunden unter. Er sei homeless, schreibt eine britische Zeitung. Auch Musk hat es immer eilig. Er hat offenbar alles abgelegt, was ihn aufhält auf dem Weg zur Weltherrschaft oder zum Mars oder sonst wohin. Ein schnelles Leben, eine nomadische Existenz. Geduld ist hier keine Option. He wants it all and he wants it now!

Der Advent, der jetzt beginnt, ist das Gegenteil von alledem. Advent bedeutet Warten. Warten können, Warten wollen. Hoffen auf ein Geschenk, auf einen guten Ausgang. Auf die Geburt eines Kindes. Das Entstehen des Menschen im Mutterbauch dauert neun Monate. Daran kann auch der Ungeduldigste nichts ändern. Wer jemals ein Kind erwartet hat, kennt dieses Empfinden des langsamen Reifens und diese freudig gespannte Aufmerksamkeit. Tausend Türen tun sich im Inneren auf: Man sieht sich schon das Kind zur Schule bringen oder malt sich aus, wie es wohl später, als Erwachsener, aussehen wird. Unzählige Möglichkeiten – und alle könnten wahr werden. Bloß eines steht fest: Es ändert sich dann alles.

Die Vorweihnachtszeit ist diesem freudigen Warten gewidmet. Das Wort Advent kommt aus dem Lateinischen (advenire) und bedeutet Ankunft. Ganze Kontinente warten – dem gefährlichen Krieg in der Ukraine, der bedrückenden Energiekrise, der galoppierenden Inflation und der immer drängenderen Klimakrise zum Trotz – in diesen Tagen auf den Trost durch einen Säugling. Am 24. Dezember soll er wieder im Stall zu Bethlehem geboren werden, eskortiert von einem Engelschor, der „Friede auf Erden“ singt. Die Kinder sind gespannt: Türchen werden aufgemacht, jeden Tag eines. Lichter werden angezündet – erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier … Überraschung.

Auch in den Geschichten der Bibel (die Alexej Nawalny übrigens in seiner Zelle studiert) wird unablässig gewartet: Abraham und Sara hoffen fast bis an ihr Lebensende auf einen Sohn; erst als beide sehr alt und eigentlich längst unfruchtbar sind, bekommen sie den kleinen Isaak geschenkt. Das Warten auf ein Kind ist immer das eindrücklichste Symbol für einen Neuanfang, es zieht sich wie ein roter Faden durch das Alte und das Neue Testament – bis hin zur Weihnachtsgeschichte. Auch der von seinen Brüdern verratene Josef wartet: Er harrt im Gefängnis darauf, dass sein Gott ihn befreit, und bringt es später zum stellvertretenden Pharao. Das Volk Israel wartet über Generationen auf den Auszug aus dem unterdrückerischen Ägypten, bis es dem Propheten Mose endlich gelingt, seine Leute durchs geteilte Meer zu führen. Der fromme Hiob wartet auch, obwohl sein Gott ihn mutwillig mit Unglück, Einsamkeit und Krankheiten quält – nur um die Ergebenheit dieses treuesten seiner Diener einmal auszutesten. Doch Hiob hält durch und wird zuletzt noch belohnt.

Geduld und Warten können, werden von der widerständigen Hoffnung getragen, dass die Dinge sich irgendwann zum Guten ändern werden – und die in den Mythen der Bibel gespeicherte uralte Menschheitserfahrung zeigt, dass das tatsächlich auch geschieht. Und dass nicht nur die Dinge sich ändern können, sondern auch die Menschen. Früher fastete man im Advent (und in vielen Gegenden der Welt ist das bis heute so), man ging in sich und fragte sich: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Das jüdisch-christliche Menschenbild, auf dem die westliche Kultur beruht, traut es dem Einzelnen zu, ein anderer zu werden. Und es traut ihm zu, sich selbst zu überraschen.

Geduldig abwarten, bis die Zeit reif ist, und dann handeln, das ist die Wellenbewegung der Klugheit. Und die religiöse Einsicht ist, dass der einzelne Mensch nur das wenigste selbst in der Hand hat und dass ihm die großen Momente vom Schicksal geschenkt werden. Aber auf die muss er vorbereitet sein – sonst erkennt er seine Chance nicht, und der kosmische Moment verstreicht. Ein Protagonist des Wartens ist der von Tom Hanks gespielte philosophenhafte Antiheld Forrest Gump. Der gleichnamige Film erzählt die Geschichte eines heiligen Narren. Der einfältige Gump hat es nie eilig, aber er ist immer zur rechten Zeit am rechten Ort und ergreift – fast schlafwandlerisch – alle ihm zugedachten Gelegenheiten beim Schopfvon Johanna Haberer und Sabine Rückert.


2. Diagnose:

Warten auf den Arzttermin, warten auf die Diagnose: Als Patientin dehnt sich die Zeit. Und das, obwohl plötzlich jede Sekunde kostbar ist. Auf Französisch heißt krank werden tomber malade, krank fallen. Das beschreibt das Gefühl ziemlich genau. Als ich aus der Praxis kam, anderthalb Stunden nachdem ich hineingegangen war, landete ich, als wäre ich hinabgestürzt, in einem Leben, das einige Etagen tiefer stattfand als das bisherige. „Wo gehen Sie jetzt hin?“, hatte die Ärztin mich zum Abschied gefragt. „Zurück zur Arbeit“, antwortete ich.

„Was wollen Sie denn da jetzt?“, fragte sie.

Ich hatte noch nicht begriffen, dass ich soeben den Job gewechselt hatte. In meiner Hand hielt ich, als ich in die Fußgängerzone vor der Praxistür trat, ein Infoheftchen des Hamburgischen Krebsregisters. Ich war jetzt Patientin, und das war das, was ich nun zu tun hatte: gesund werden. Aber wie macht man das? Nun, weitgehend, indem man wartet. Warten auf den Arzttermin, Warten auf die Diagnose, auf den Behandlungsbeginn, auf den OP-Termin. Warten auf die Laborergebnisse. Warten auf die Nebenwirkungen der Therapie (geht schnell), Warten auf die Hauptwirkung (dauert länger). Warten darauf, dass „die Zeit es zeigen wird“. Und zwischendrin allerlei Dinge tun, die das Wohlbefinden steigern sollen und die das vielleicht vor allem deshalb tun, weil sie einem das Gefühl geben, man könne nicht nur warten, sondern selbst etwas bewirken.

Das Wort Patient kommt, was sonst, aus dem Lateinischen. Patiens heißt erduldend, erleidend. Patientia ist die Geduld, auf Französisch la patience. Wie nah diese beiden, die Krankheit und die Geduld, beieinanderliegen, ist mir erst im Nachhinein klar geworden. Der Kranke nimmt die Zeit anders wahr als der Gesunde. Es mag daran liegen, dass mit einem Mal der Wert jeder Minute, jeder Sekunde so sehr steigt, wenn man sich einmal gezwungenermaßen der eigenen Endlichkeit bewusst wird ….

… Wie lange saß ich schon im Wartezimmer? Eine halbe Stunde? Eine Dreiviertelstunde? Eine Stunde? Warum kamen alle anderen dran, bloß ich nicht? In Gedanken war ich jetzt schon geliefert. Schließlich trat der Radiologe ins Wartezimmer, um mich abzuholen. Sprach er sanfter mit mir als mit den anderen? War das Mitleid in seinen Augen? Die Tür des Sprechzimmers fiel ins Schloss, wir setzten uns, am Bildschirm hinter ihm sah ich Bilder von meinen inneren Organen. Ein Schattenreich.

Der Radiologe sagte, fast beiläufig: „Ich kann da keinerlei Anzeichen für irgendetwas entdecken“. Ich war gesund. So plötzlich, dass es dafür keine Worte gibt. Man könnte sagen: Ich war gesund gefallen – Das Leben will gelebt werden. Was soll man da geduldig herumstehen? Von Tanja Stelzer.


3. LIEBE:

Vor 25 Jahren verliebte sie sich in ihn. Seitdem wartet sie darauf, dass er sich endlich zu ihr bekennt. Warum?

Irma*, 68: „Als ich ihm das erste Mal begegnete, trug er ein kariertes Hemd. Das fand ich unmöglich. Viel zu unkonventionell für einen Psychiater. Einen weißen Kittel oder Anzug hatte ich erwartet. Ein Vierteljahrhundert ist das her. Seitdem warte ich auf die Liebe. Ich arbeite in einem Haus für psychisch kranke Menschen. 1997 lernte ich ihn kennen, da war ich 43. Wir brauchten dringend einen neuen Psychiater. Regelmäßig kam er in unser Haus. Nach der Anamnese saßen wir zusammen, zündeten eine Kerze an und redeten stundenlang. Drei Stunden kümmerten wir uns um die Patienten – danach ging es noch einmal drei Stunden weiter. Stunden, in denen wir nur über Privates gesprochen haben.

Geküsst haben wir uns nie. Nur Händchen gehalten. Acht Jahre lang habe ich mich auf diese Stunden gefreut. Wir waren beide verheiratet, ich hatte mit meinem damaligen Mann ein Kind. ‚Ich muss ein anderes Haus betreuen‘, sagte der Psychiater oft. Auch ich wollte meine Ehe nicht beenden. Jedoch konnte ich meinem Ehemann nicht mehr nahe sein. Über Jahre nicht. Und dann habe ich mich lieber getrennt, als dass unser Kind unter unseren Spannungen leidet. Meinen Beruf habe ich weiter ausgeübt, dabei dann aber jeden Kontakt mit dem Arzt vermieden.

Jedes Jahr klingelte an meinem Geburtstag das Telefon: ‚Du denkst bestimmt, ich habe dich vergessen, aber ich habe dich nie vergessen‘, sagte er dann.

Ich kannte seine Frau. Ich hatte sie einmal getroffen, ich mochte sie. Da konnte ich nicht dazwischengrätschen. Vor zwei Jahren starb sie an einer Krankheit. Ein Jahr lang habe ich nichts von ihm gehört. Bis er mir wieder zum Geburtstag gratulierte: ‚Bitte gib mir doch deine Adresse‘, sagte er. Ich habe ein Haus an der Ostsee. Wir haben uns auf der Terrasse in die Schaukelstühle gesetzt, eine Flasche Sekt aufgemacht, irgendwann haben wir uns nur noch an den Händen gehalten. Er sagte: ‚Meine Frau war eine so fragile, von mir abhängige Person. Ich konnte mich nicht trennen.‘

Er ist jetzt 70, ich bin 68 – wir könnten noch einige Jahre als Paar zusammen haben. Er wäre frei gewesen nach ihrem Tod. Aber er hatte bereits wieder eine andere Frau kennengelernt. Vielleicht um nicht allein zu sein. Ich weiß nicht, ob die andere Person weiß, dass wir uns seitdem einmal in der Woche treffen. Das sagt er mir nicht genau. Er ist ein Buch mit sieben Siegeln ….

… Ich akzeptiere also, dass mein Geliebter sich oft in Widersprüchen verstrickt – aber dennoch die Verbindung zu mir halten will. Das zu akzeptieren verlangt eine gewisse Reife. Ich habe mir immer gewünscht, im Alter gelassener zu sein. Und, kaum zu glauben, schlagartig ist es so. Ich genieße Verbundenheit, auch ohne ständige Nähe. Es ist eine mit den Jahren gewachsene, fundierte Beziehung, die mich ruhig und zuversichtlich, getröstet, geliebt und geerdet sein lässt. Vor ein paar Tagen sagte er: ‚Du wirst immer meine Vertraute sein.‘ Wie viele Paare verlieren sich nach all den Jahren. Dann bin ich doch lieber Vertraute. Er sagte nicht Partnerin. Damit kann ich wunderbar leben“ – * Name geändert – aufgezeichnet von: Amonte Schröder-Jürss.


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4. Angler:

Fallen die Fische auf die Attrappe herein? Oder durchschauen sie die Täuschung? Als Angler braucht man Geduld, die unser Autor nicht hat.

Beim Angeln habe ich drei Arten von Geduld zu unterscheiden gelernt. Zunächst ist da die gewöhnliche Geduld – eine Allerweltsgeduld, die erlernbar ist und zu der ich noch imstande bin. Die nächste Stufe erreiche ich schon nicht mehr: die stark strapazierfähige Geduld, die Engelsgeduld. Schließlich der Superlativ: die maximale, mit Glücksgefühlen angereicherte Selbstbeherrschung – ein psychedelischer Ausnahmezustand der Gelassenheit, ohne den das Fischen auf Lachse unmöglich wäre. Wer von sich glaubt, ein extrem geduldiger Mensch zu sein, sollte sich unbedingt dem Lachstest unterziehen. Dabei gilt es, Lachse mit künstlichen Fliegen zu locken, obwohl den Fischen während der Wanderung zu ihren Laichplätzen jeglicher Appetit vergangen ist. Diese Form von Geduld, die mit Tagen (und Nächten) am Fluss ohne die geringsten Anzeichen von Erfolg einhergeht und Menschen wie mich an den Rand des Nervenzusammenbruchs führen kann, ist die international anerkannte Königsdisziplin der Geduld. Sie ist aufgrund ihrer Begleiterscheinungen – Halluzinationen wie das eingebildete Zucken der Angelschnur oder das plötzliche Erkennen von Schatten nicht vorhandener Lachse – in ihrer Wirkungsgewalt unübertroffen ….

… In England sagt man gern: „We call it fishing, not catching.“ Man nennt es Fischen, nicht Fangen. Auch deswegen ist Angeln kein Sport, obwohl sich manche Menschen in Abgrenzung zu Berufsfischern Sportangler nennen. Aber Angeln ist kein Wettkampf, sondern das Bemühen, sich einen Weg in die Natur zu bahnen und dort glücklich zu werden. „In unserer Familie gab es keine klare Trennung zwischen der Religion und dem Fliegenfischen.“ So beginnt die autobiografische Erzählung Aus der Mitte entspringt ein Fluss, die der Literaturprofessor Norman Maclean 1976 veröffentlichte. Nie zuvor und nie danach hat jemand schöner über die metaphysische Seite des Fischens geschrieben.

Wer das Buch liest, der versteht, dass Angeln – zumindest in besinnlichen Momenten – einer quasireligiösen Suche nach Innerlichkeit gleicht. Man ist auf die Gnade der Natur angewiesen, die sich nicht, jedenfalls nicht zuverlässig, durch Fleiß oder technische Hilfsmittel (Motorboote, Echolote und sogenannte Kampfstühle) bestechen lässt. Angeln ist auch eine Rückkehr zu einer fast vergessenen Einfachheit – von Stefan Wilke.


5. Anwalt:

Zwölf Jahre lang kämpfte ein Anwalt gegen den Apparat der Strafjustiz für seinen verurteilten Mandanten – bis dieser freigesprochen wurde.

Geduld ist der lange Atem der Leidenschaft. Dieser Satz stammt von dem Theologen Eberhard Jüngel. Er beschreibt, was einen Verteidiger ausmacht, der einen Justizirrtum durch Wiederaufnahme des Verfahrens korrigieren will: hartnäckige Geduld, die sich aus der Leidenschaft für das Recht speist. Eine solche Leidenschaft bringen nur Juristen auf, die das Strafrecht für mehr halten als einen Werkzeugkasten, der bedrohliche Instrumente bereithält, und die es nicht hinnehmen, dass Gerichte oder Staatsanwaltschaften auch mal fünfe gerade sein lassen. Ihre Leidenschaft entspringt der ernsten, fast metaphysischen Verehrung für das Recht.

Hubert Gorka, Rechtsanwalt in Karlsruhe, ist ein solcher Jurist. Von sich selbst sagt er: „Ich hatte schon immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.“ Doch das Amt eines Richters erschien ihm zu passiv – da werde bloß alles an einen herangetragen. Der Job des Verteidigers hingegen sei aktiv. Denn Verteidigung sei Kampf, das große Hauen und Stechen. Der größte Kampf des Hubert Gorka ging am 15. Dezember 2010 siegreich zu Ende. Sein Mandant, der Bauzeichner Harry Wörz, wurde an diesem Tag nach drei Hauptverhandlungen vor dem Landgericht, einem Zivilprozess und zwei Revisionshauptverhandlungen endlich und endgültig vom Vorwurf des versuchten Totschlags an seiner Frau freigesprochen.

In der Nacht vom 28. auf den 29. April 1997 war die junge Frau Wörz von einem Unbekannten mit einem Schal gewürgt worden, sie erlitt dabei einen schweren Hirnschaden. Sie lebte von ihrem Mann getrennt und hatte einen Geliebten. Harry Wörz geriet deshalb in Verdacht und wurde im Januar 1998 vom Landgericht Karlsruhe zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt …

… 1999 kam der blutjunge Rechtsanwalt Hubert Gorka durch Zufall an den Verurteilten Wörz: Der saß im Gefängnis, und Gorka sollte als Zivilanwalt mit ihm den Schadensersatzprozess durchstehen, den die Eltern der geschädigten Frau gegen ihn angestrengt hatten. Es gelang Gorka, diesen Zivilprozess mit den Mitteln eines Strafprozesses zu gewinnen: Er konnte neue Zeugen benennen und alte Sachverständige, deren Gutachten Harry Wörz belasteten, entkräften. Sogar zum umstrittenen Mittel des Lügendetektors griff der junge Verteidiger.

Im Laufe des Zivilverfahrens wurde für ihn offenbar: Wörz konnte die Tat nicht begangen haben. Aus den gewonnenen Erkenntnissen schmiedete Gorka nun einen Wiederaufnahmeantrag für ein neues Strafverfahren, in dem er zwölf neue Tatsachen und Beweismittel geltend machte. „Ich habe den schönsten Beruf der Welt“, sagt Gorka: „Ich darf anderen Menschen helfen und bekomme auch noch Geld dafür“ …

… 2009 gelang es Gorka, in einer weiteren Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim einen zweiten Freispruch für Harry Wörz zu erstreiten. Diesmal hielt der Bundesgerichtshof das Urteil – das geschah an jenem 15. Dezember 2010, nach fast zwölfjährigem Kampf. Der Vorsitzende bedankte sich in der Hauptverhandlung diesmal sogar bei der Verteidigung. „Wenn man mit größter Mühe und unter heftigster Gegenwehr Menschen heraushaut, dann freuen sich auch die Gerichte“, sagte Gorka nach seinem Sieg – von Sabine Rückert.


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In diesem Sinn, Ihnen einen schönen 3. Advent, bis in 14 Tagen, mit dem aktuellen Intermezzo.

In der Zwischen-Zeit wünschen wir Ihnen gute Gedanken, mit dem Mut und der Weisheit zur genauen, richtigen und guten Lücke für ihre Familie und sich SELBST.

Ihr
Jörg Adam Leo Schallehn
Vorstand

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