Religionen und einige ihrer Symbole.


Religion (religio zu lat. – religāre ‘zurück-, auf-, anbinden, befestigen’, vgl. lat. ligāre ‘binden, an-, festbinden, verbinden, vereinigen’lat: religio, von religere, „immer wieder lesen“, bedeutet allgemein die Verbindung des Menschen mit einem Göttlichen, mit der geistigen Welt.

Religionen sind aus der Natur der Sache heraus verschieden. So ist es Psycho-Logisch klar, dass es am Nordpol eine andere
Art und Weise der Rückverbindung gibt, als in der Wüste oder sonst wo auf der Welt.
Es scheint klar, dass das Klima, Wetter, die regionalen Landschaften, Flora, Fauna und Mentalität, die Religion stark beeinflußt.

So ist Religion wohl eher Kultur bedingt und eher nicht GOTT bedingt.


Pico della Mirandola scheint es ähnlich gesehen zu haben. Denn ihm war wichtige herauszufinden, welche gemeinsamen roten Faden gibt es in allen Welt-Religionen. Da er sich nicht auf Übersetzer verlassen wollte, hat er zunächst alle relevanten Sprachen gelernt, damit er die Urtexte studieren konnte. Sein Projekt, schloß er ab, der war er gerade knapp 23 Jahre alt. Zuvor hatte er 400 Thesen aus den Urtexten aufgestellt. Diesen hat er 500 eigene Thesen diesen gegenübergestellt. Im Kern ging ihm darum, aufzuzeigen, dass es keinen Widerspruch gab. Mit seinem Projekt ging er zum Papst, um die Erlaubnis einzuholen, eine öffentliche Disputation – im Januar 1487 – organisieren zu dürfen.
Papst Innozenz VIII. setzte eine sechzehnköpfige Kommission ein, welche die Rechtgläubigkeit der in den Thesen vertretenen Auffassungen prüfen sollte. Pico war nicht bereit, vor der Kommission zu erscheinen. Nach heftiger Debatte kam die Kommission zu dem Ergebnis, dreizehn der Thesen seien häretisch und sollten daher verurteilt werden. Dies hatte zunächst keine Maßnahmen gegen Pico zur Folge. Als er sich aber in einer Rechtfertigungsschrift, der Apologia, verteidigte, ohne eine Äußerung des Papstes abzuwarten, wurde ihm dies in der Kurie verübelt. In einer Bulle mit dem Datum des 4. August 1487 verurteilte der Papst die Thesen gesamthaft und ordnete die Verbrennung sämtlicher Exemplare an, doch zögerte er die Veröffentlichung der Bulle hinaus. Als er aber erfuhr, dass Pico die Apologia hatte drucken lassen, fasste er deren Verbreitung als offene Rebellion auf, die er Pico nie verzieh – siehe Wikipedia.

Was blieb ist die „Nichtgehaltene Rede“ über die „Würde des Menschen“ und 900 Thesen, sowie einige andere Werke.

OeHu hat den Text zur Grundlage unserer Forschungen gemacht und auf dieser Basis OekoHuman gegründet.
Frieden ist ein zentraler Ausgangspunkt: Wenn der innere Frieden einkehrt, dann folgt der aüßere Frieden – und der Handel blüht.
Gottfried Hutter hat sich vorgenommen Frieden zu schaffen zwischen den drei „Abraham-Religion“ Judentum – Islam – Christentum. Dabei wollen wir ihn mit der „Graswurzelbewegung“ unterstützen.

Es geht bei Religion. um niveauvolle Rückverbindung und den Weg dorthin. Eine Alternative, ist die OekoHuman Partkdolg-Pflicht (Duty) nach G.I. Gurdjieff.

Das Selbst-Studium beinhaltet:

LIEBEVernunftWahrheit FülleOrdnungRelativitätNeugierAuthentizitätGÜTEHolismusAnamnesisPartkdolg-Pflicht (Duty)TUNKAIZENschöpferische ZerstörungFühl-Denk-Handeln-GefängnisseProfi-ProfitumControlling ERPRhythmusDisziplinHermetikHermeneutikLoyalitätHandeln AnstrengungSalutogense – Nahrung-Ernährung – OekoHuman-Grundlagen.

Alternative: Religion braucht neue Mythen – Gottfried HutterErlösung – neue Perspektiven.

‚Erlösung‘ – was soll das sein? 2000 Jahre Christentum haben das Wort mit so vielen Bedeutungen befrachtet, dass wir heute neu überlegen müssen, worum es eigentlich geht. Wovon sollen wir denn erlöst werden und was soll dabei herauskommen?
Dass die Welt für die meisten Menschen kein Paradies ist, zeigt ein Blick in die täglichen Nachrichten. Aber wie soll sich das ändern? Hatte Karl Marx, der Begründer des Kommunismus, nicht recht, als er Religion ‚Opium des Volkes‘ nannte und meinte, zuerst müsste das Opium weg, dann würden die Menschen ihr Schicksal schon selbst in die Hand nehmen?
Das kommunistische Experiment ist gescheitert, aber hatte Marx nicht trotzdem etwas Richtiges gesehen? Und sehen es heute nicht alle mit ihm? Religion hat doch tatsächlich etwas Benebelndes, etwas, das die Leute verrückt macht. Nicht, daß die Menschen heute nicht mehr benebelt werden wollten, aber genau diese Art von Opium wollen sie heute nicht mehr – denn heute haben sie, jedenfalls in unserem Kulturkreis, ein viel besseres Opium: diese unglaubliche Fülle an Konsummöglichkeiten. Statt in Kirchen strömen die Leute daher in die Kaufhäuser und an ferne Strände. Und sie spüren tatsächlich eine Erleichterung – für eine gewisse Zeit, dann hat sie der Alltag wieder mit all seinen Sorgen und Ärgernissen. Und im Hintergrund beginnt langsam eine Ahnung zu dämmern von jener uralten Sehnsucht – nach einem bleibenden Paradies.
Die alten Erlösung-Geschichten waren voll von Wundern, so märchenhaft, dass die realistischen Menschen von heute sie nicht mehr glauben können. Jesus beispielsweise erscheint da wie ein grosser Zauberer, der mit irgendwelchem ausser- oder überirdischen Hokus-Pokus Kranke heilt, Tote auferweckt, übers Wasser geht, Lebensmittel aus dem Nichts hervorzaubert, und zuletzt sogar selbst von den Toten aufersteht. Diese Art von Geschichten kann heute jeder dutzendweise täglich im Fernsehen sehen, aber natürlich nicht in den Nachrichten, sondern in den Fantasy-Filmen. Und so verkommt Jesus zu einem Vorläufer heutiger Comix-Figuren. War das schon alles?
Jesus soll der Erlöser gewesen sein, aber wen hat er wovon erlöst? Auf den Erlöser, den die Kirchengeschichte uns vorgeführt hat, können die Menschen heute gut und gern verzichten. Die Zeit, wo Millionen hingemetzelt wurden für irgendeinen alten Aberglauben möge doch vorbei sein, hoffen heute alle. Also, was soll da noch Religion?
Der uralten Sehnsucht wegen – suchen Sie sich doch aus den folgenden Stichwörtern das heraus, was Sie interessiert!
Es geht mir dabei nicht darum, irgendwelche neuen dogmatischen Behauptungen aufzustellen, sondern nur darum, das allzu Bekannte in einen neuen Blickwinkel zu stellen, damit etwas zu Tode Geglaubtes zu neuem Leben erwachen kann:

Die einzelnen Kapitel:

Gott
Himmel
Der erste Schritt
Der zweite Schritt
Ursache
Erlösung, ’salvation‘ – Heilung für die Seele
Das katholische Manifest
Religion – zwei Stufen
Kirche der Affen – Kirche der Menschen
Josef – Urheber des Christentums
Psychiatrie und Spiritualität
Die Würde des Menschen und die moderne Sklaverei
Auferstehung oder Apokalypse
Befreit durch die Krankheit
Glaube und Erfahrung
Instinkt – Hypnose – Religion
Vergebung
Logos-Therapie
Das Dialogische Prinzip des Universums
Hinter dem Horizont
Niemand kennt die Stunde
Meditation
Wie der Tod kommt
Kapitulation
Der Spalt der Wahrheit
Böse?
Was ist Wahrheit?
Warum ist Religion nicht totzukriegen?
Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Theologie
Ein Christentum ohne magisches Paradigma
Das Reich der Paranoia und wie wir daraus entkommen können
Das Ostergeheimnis
Ist Jesus Gottes einziger Sohn?
Wer berühren kann
Das einzig Unbedingte im Christentum: Der Geist
Der Geist und die Kirche
Gemeinschaft im Geist
Zwanghafte Wut loswerden
Gottes Willen erkennen
Die Sehnsucht und ihr Ziel
Dankbarkeit
Was ist der Teufel?
Heilung
Vorgefertigte Gebete oder unmittelbare Kommunikation?
Bewusstheitsentwicklung
Fühlen – nicht Denken
Der Motor des Universums

Erstaunliche Phänomene („Wunder“) – und was dann kommt
Eine Welt – eine Religion
Leben nach dem Tod
Was ist „Kapitulation“ genau?
Die Zerstörung des World Trade Center in New York
Bisherige Religion und die Religion der Zukunft
Das Missverständnis des Bilderverbots im Islam
The disastrous consequences of misunderstanding the prohibition of images in Islam
Wie sieht das Leben im Reich Gottes heute aus?
Die Transformation der christlichen Religion
Das Erfolgsrezept
Weihnachten 2001
Was ist Religion – was ist Therapie – was sind Übergangsrituale ?

Meine Vision
Der Weg im „Plan“ des Weltgeistes
Ich bin vollkommen in Deiner Hand
Die Meditation
Sekten – Leben mit einem Klotz am Bein
Umkehr
Theologische Inzucht
(Vielleicht zu gewagte) Perspektiven für eine künftige sexuelle Kultur?
Ein Lösungsbild für den Kulturkonflikt zwischen dem Islam und dem Rest der Welt
A Vision of the Solution of the Cultural Conflict between Islam and the Rest of the World
Auferstehung – objektiv und subjektiv
Der Tempelberg: Wie sich Menschen durch ein Bild verändern werden
Jerusalem’s Temple Mount: How People will be Changed by an Image
Das Problem der Jenseitshoffnung
Bild und Realität
Der Totalangriff gegen jede Moral: Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter
Die gegenwärtige Weltlage: Perspektiven und Visionen von Lösungen
Der Faschismus der dritten Welt und seine Überwindung
Eine Vision für Frieden im Nahen Osten
A Vision for Peace in the Middle East
Armageddon
Das islamische Kommunikationssystem
Der Teufelswahn und wie ihm entkommen
Gefolgschaftstreue im Islam
The “real causes” of the conflict in the Middle East
Theodizee
Wichtige politische Ziele für islamische Staaten
Das Konzept der Schuld ist obsolet
Ein neues Paradigma der Schuld
Gebet – und: die Natur der Natur
Der Geist der Samurai
Das einzige Hindernis ist die Angst
Das menschliche Tier
Die Kraft muss wachsen
Dem Geist folgen
Das Gesetz und die Freiheit (Abraham – Jesus – Sensitivität)
Die vier Lebensziele der Hindus
Kommentar zu 1Kor15,28 – „dass Gott alles in allem sei“
Warum lebende Propheten bei Priestern und Gelehrten unbeliebt sind
Natural principles of international law and conduct
Wie Konstellationen wirken
Beziehungskrisen
„Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt …“
Sola fide – Allein durch Glauben?
Was ist verrückt – was ist normal?
Was bedeutet „Wiedergeburt“?
Die Emmausgeschichte


Der Terror, die Blindheit des Westens für seine Ursachen und eine heilende Antwort


Jesus, Maria und Marta
Der Mythos des Gottessohnes im Credo heute
Glaube als Verhängnis und als Chance (Vortrag beim deutschen Psychiaterkongress 2004 in Berlin über Spiritualität und Psychiatrie)
Auferstehung, Wiedergeburt, ewiges Leben
Zeitreise in einer Raumkapsel – Meditationen (zu einem Vortrag in der Psychiatrie Rechts der Isar, März 2005)
Veneration of Saints in a Non-Idolatrous Way
Der Anfang der Bibel ein Beispiel spirituell-therapeutischen Vorgehens
Die Spiritualität des Ausdrucks (Vortrag zur Jahrestagung der DGPA, „Metamorphosen“, 19. November 2005)
Jesus für Leute, die an gar nichts glauben
Warum es nur eine Religion gibt – ein Nachwort mit Biografie
Inschrift am Eingang eines Friedhofs – ein Weckruf für die Besucher
Was die Bibel über die schöpferische Kraft im Menschen sagt, Altes und Neues Testament
Genesis, Kapitel eins, ist kein Schöpfungsbericht, sondern ein therapeutisches Handbuch
Warum musste Jesus sterben? – eine etwas andere Betrachtung
Why did Jesus have to die? – a somewhat different perspective
Was ist “Moral”?
Das Wunder und der Zweifel
Freiheit, Neigung und Glaube
Heilige und heilige Orte – was können sie für einen heutigen Menschen bedeuten?
Warum musste Jesus sterben – Kurzfassung
Was ist Kreativität?
Interreligious Dialogue: How to Deal with Controversial Questions
Interreligiöser Dialog: Wie können kontroverse Fragen geklärt werden?
What happened at the resurrection of Christ and how can we envisage our own resurrection?Was geschah bei der Auferstehung Jesu und wie können wir uns unsere eigene Auferstehung vorstellen?
Resurrection – Before Death. Abstract of the book you will find here in German language
Advent
Verdienst oder innere Wahrheit
Was ist Umkehr? Wie kann es einen Gott geben in dieser heillosen Welt?
Eine längst überfällige kopernikanische Wende in der Theologie
Vom Satanismus zum Mitgefühl
Wozu Gott loben? Braucht Gott unser Lob?
Opfer sein oder Schöpfer werden?
Worum es zu Pfingsten geht – was ist der Heilige Geist?
Shavuot (die Gesetzgebung) : Pfingsten (der Heilige Geist) – Der gemeinsame Grund und die Konsequenzen.

 

Der Schöpfungsbericht aus therapeutischer Sichtweise; Gottfried Hutter – Bibel TV das Gespräch

https://www.youtube.com/watch?v=ZU-7pc1dUUI&feature=youtu.be
  • Der Mensch als Kopie Gottes; Gottfried Hutter – Bibel TV das Gespräch
https://www.youtube.com/watch?v=SUysN64zj5w&feature=youtu.be

„Phoenix aus der Asche“
„Auferstehung – vor dem Tod“ „Resurrection – before Death“
Was die Bibel über den Weg des Erwachens sagt – What the Bible says about the way of awakening
Apokalypse
Die Religionen unterscheiden sich und doch geht es immer um das Wiederfinden der Verbindung zum eigenen Wesen. Das geschieht durch die Apokalypse, die Offenbarung. – The religions are different, but everyone of them exclusively deals with again finding the connection to one’s own true being. That is the meaning of “Apokalypse”.

Ein Projekt für Frieden im Nahen Osten – und weit darüber hinaus
A Project For Peace In The Middle East – And Far Beyond
Frieden kann es nur von einer übergeordneten Perspektive aus geben, so sieht sie aus.
International Initiative for Inter-religious Peace” (I I I Peace)
Internationale Initiative für Frieden zwischen den Religionen (I I I Peace)
Ältere Texte finden Sie unter www.buddha-inc.de
Earlier texts you’ll find at www.buddha-inc.de
Texte meines Lehrers Kishi


Religion im Wikipedia.

Religion (von lateinisch religio ‚gewissenhafte Berücksichtigung, Sorgfalt‘, zu Lateinisch relegere ‚bedenken, achtgeben‘, ursprünglich gemeint ist „die gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorzeichen und Vorschriften“) ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente (überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte ist, sowie häufig auch an heilige Objekte.

Eine ältere Definition für Religion lautet: „Verehrung geistiger, außer und über der sichtbaren Welt stehender persönlicher Wesen, von denen man sich abhängig glaubt und die man irgendwie günstig zu stimmen sucht“.

Das Heilige und Transzendente ist nicht beweisbar im Sinne der Wissenschaftstheorie, sondern beruht auf dem Glauben an Mitteilungen bestimmter Vermittler (ReligionsstifterProphetenSchamanen) über intuitive und individuelle Erfahrungen. Solche spirituellen Mitteilungen werden in vielen Religionen als Offenbarung bezeichnet. Spiritualität und Religiosität sind geistig-geistliche Anschauungen ohne Erklärungsbedarf. Skeptiker und Religionskritiker suchen demgegenüber nach kontrollierbarem Wissen durch rationale Erklärungen.

Religion kann Wertvorstellungen normativ beeinflussen, menschliches Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen prägen, und in diesem Zusammenhang eine Reihe von ökonomischen, politischen und psychologischen Funktionen erfüllen. Diese umfassenden Eigenschaften von Religion bergen in sich das Risiko der Bildung religiöser Ideologien.

Im deutschen Sprachraum wird der Begriff Religion zumeist sowohl für die individuelle Religiosität als auch für die kollektive Religionstradition verwendet. Obwohl beide Bereiche im menschlichen Denken eine enorme Vielfalt aufweisen, lassen sich einige universale Elemente formulieren, die in allen Kulturen der Welt anzutreffen sind. Zusammenfassend sind dies die individuellen Wünsche nach Sinnfindung, moralischer Orientierung und Welterklärung, sowie der kollektive Glaube an übernatürliche Mächte, die in irgendeiner Weise das Leben des Menschen beeinflussen; auch das Streben nach der Wiedervereinigung der diesseitigen Existenz mit seinem jenseitigen Ursprung. Diese Standarderklärungen werden jedoch zum Teil kritisiert.

Die weltweit größten Religionen (auch bekannt als Weltreligionen) sind ChristentumIslamHinduismusBuddhismusDaoismusSikhismusJüdische ReligionBahaitum und Konfuzianismus (siehe auch: Liste von Religionen und Weltanschauungen). Die Anzahl und der Formenreichtum der historischen und gegenwärtigen Religionen übersteigt Anzahl und Formenreichtum der Weltreligionen bei Weitem.

Vormoderne Kulturen hatten ausnahmslos eine Religion. Religiöse Weltanschauungen und Sinngebungssysteme stehen oft in langen Traditionen. Mehrere Religionen weisen verwandte Elemente auf, wie die Kommunikation mit transzendenten Wesen im Rahmen von HeilslehrenSymbolsystemenKulten und Ritualen oder bauen aufeinander auf, wie zum Beispiel Judentum und Christentum. Die Erstellung einer fundierten Systematik der Religionen, die aus den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Religionen und ihrer Entstehungsgeschichte abgeleitet wird, ist eine noch nicht erfüllte Forderung der Religionswissenschaften.

Einige Religionen beruhen auf philosophischen Systemen im weitesten Sinne oder haben solche rezipiert. Andere sind stärker politisch, teils sogar theokratisch orientiert; wieder andere gründen in der Hauptsache auf spirituelle Aspekte. Überschneidungen finden sich in nahezu allen Religionen, und insbesondere bei deren Rezeption und Ausübung durch den einzelnen Menschen. Zahlreiche Religionen sind als Institutionen organisiert; dabei kann in vielen Fällen von einer Religionsgemeinschaft gesprochen werden.

Mit der wissenschaftlichen Erforschung von Religionen und (z. T.) Religiosität befassen sich besonders die ReligionswissenschaftReligionsgeschichteReligionssoziologieReligionsethnologieReligionsphänomenologieReligionspsychologieReligionsphilosophie sowie in vielen Fällen Teilgebiete der jeweiligen Theologie. Konzepte, Institutionen und Erscheinungsformen von Religion werden durch Formen der Religionskritik punktuell oder grundsätzlich in Frage gestellt.

Das Adjektiv „religiös“ muss im jeweiligen Kontext gesehen werden: Es bezeichnet entweder „den Bezug zu (einer bestimmten) Religion“ oder „den Bezug zur Religiosität eines Menschen“.

Inhaltsverzeichnis:

Definitionsversuche.

Es gibt keine eindeutige Definition von Religion, sondern nur verschiedene Versuche der Definition. Grob lassen sich substantialistische und funktionalistische Ansätze unterscheiden. Substantialistische Definitionen versuchen, das Wesen der Religion etwa in ihrem Bezug zum HeiligenTranszendenten oder Absoluten zu bestimmen; nach Rüdiger Vaas und Scott Atran etwa stellt der Bezug zum Transzendenten den zentralen Unterschied zum Nichtreligiösen dar.

Funktionalistische Religionsbegriffe versuchen Religion anhand ihrer gemeinschaftsstiftenden gesellschaftlichen Rolle zu bestimmen. Eine der berühmtesten und oft zitierten Definitionen von (christlicher) Religion stammt von Friedrich Schleiermacher und lautet: Religion ist „das Gefühl der Abhängigkeit von Gott“.

Eine substantialistische Definition etwa nach Gustav Mensching lautet: „Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen.“ Nach dem Religionswissenschaftler Peter Antes werden mit Religion „alle Vorstellungen, Einstellungen und Handlungen gegenüber jener Wirklichkeit [verstanden], die Menschen als Mächte oder Macht, als Geister oder auch Dämonen, als Götter oder Gott, als das Heilige oder Absolute oder schließlich auch nur als Transzendenz annehmen und benennen.“

Michael Bergunder unterteilt den Begriff in Religion 1 und Religion 2. Unter Religion 1 können die religionswissenschaftlichen Versuche einer exakten Definition des Begriffs verstanden werden. Religion 2 hingegen bezeichnet das alltägliche Verständnis von Religion. Jedoch gibt es zwischen diesen beiden Begriffsbestimmungen Wechselwirkungen, sodass nicht trennscharf unterschieden werden kann. Bergunder historisiert den Religionsbegriff und kritisiert ihn daher gleichzeitig. Es gibt also einen Unterschied im Religionsverständnis auf der Meta-Ebene (wahr philosophisch) und in der Erfahrung (anthropologisch).

Clifford Geertz und Gerd Theißen

Gerd Theißen definiert Religion in Anlehnung an Clifford Geertz (1966) als ein kulturelles Zeichensystem:

„Religion ist ein kulturelles Zeichensystem, das Lebensgewinn durch Entsprechung zu einer letzten Wirklichkeit verheißt.“

– Gerd Theißen: Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums.

Theißen (2008) vereinfacht die Definition von Geertz, indem er anstelle von „Symbolsystem“ von Zeichensystem spricht. Nach Geertz (1966) ist eine Religion:

  • ein Symbolsystem, das darauf zielt
  • starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in den Menschen zu schaffen,
  • indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und
  • diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, dass
  • die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen.

Geertz entwickelte die Theorie der interpretativen bzw. symbolischen Anthropologie in seinen Schriften (Dichte Beschreibung), er gilt als Vertreter eines funktionalen Religionsbegriffs, das heißt er behandelte nicht die Frage, was das Wesen oder die Substanz von Religion sei (im Vergleich zu einem substantiellen Religionsbegriffs), sondern was ihre Funktion für das Individuum und die Gesellschaft ist. Für ihn war Religion ein notwendiges Kulturmuster. Geertz sah in der in Religion ein Sinn- und Orientierungssystem und letztlich eine Konfliktlösungsstrategie, weil Religionen eine allgemeine Seinsordnung und ein Ordnungsmuster zur Verfügung stellen und durch sie kein Ereignis unerklärlich bleibt.

Theißen begründet dies damit, dass Symbole im engeren Sinne lediglich eine besonders komplexe Form von Zeichen sind und die Geertzsche Formulierung der Beschreibung der „Entsprechung von Stimmungen und Motivationen zu einer faktisch geglaubten Seinsordnung“ in ebenso differenzierten Weise in der „Entsprechung zu einer letzten Wirklichkeit“ ihren Ausdruck findet. Theißens Definition lässt nun folgende Analyse zu:

  • kulturelles Zeichensystem, sagt etwas über das Wesen der Religion aus;
  • Zeichensystem entspricht einer letztgültigen Wirklichkeit, sagt etwas über Wirkung,
  • Zeichensystem verheißt Lebensgewinn, sagt etwas über die Funktion aus.


Religion als ordnende Kraft Religion als Krisenbewältigung Religion als Krisenprovokation kognitiv Aufbau einer kognitiven Ordnung: Platzanweisung des Menschen im Kosmos Bewältigung kognitiver Krisen: Die Irritation durch Grenzerfahrungen Provokation kognitiver Krisen: Der Einbruch des Ganz-Anderen emotional Aufbau emotionalen Grundvertrauens in eine legitime Ordnung Bewältigung emotionaler Krisen: AngstSchuldVersagen, Trauer Provokation emotionaler Krisen: durch Angst, Schuldbewusstsein usw. pragmatisch Aufbau akzeptierter Lebensformen, ihrer Werte und Normen Bewältigung von Krisen: Umkehr, Sühne, Erneuerung Provokation von Krisen: durch das Pathos des Unbedingten.

Etymologie

Das Wort religio hatte im Lateinischen verschiedene Bedeutungen, die von „Bedenken, Zweifel, Besorgnis, Gewissensskrupel“ über „GewissenhaftigkeitReligiositätGottesfurchtFrömmigkeitGottesdienst“ bis zu „Heiligkeit (z. B. eines Ortes)“ und „Aberglaube“ reichten. Die Etymologie des Begriffs lässt sich nicht mit Sicherheit bis zu seinem Ursprung zurückverfolgen. Religio ist kein Terminus altrömischer Religion. Die frühesten Belege für die Verwendung dieses Ausdrucks finden sich in den Komödien des Plautus (ca. 250–184 v. Chr.) und in den politischen Reden des Cato (234–149 v. Chr.).

Nach Cicero (1. Jh. v. Chr.) geht religio auf relegere zurück, was wörtlich „wieder lesen, auflesen, wieder zusammennehmen“, im übertragenen Sinn „bedenken, beachten“ bedeutet. Cicero dachte dabei an den Tempelkult, den es sorgsam zu beachten galt. Dieser religio (als der gewissenhaften Einhaltung überlieferter Regeln) stellte er die superstitio (nach der ursprünglichen Bedeutung Ekstase) als eine übertriebene Form von Spiritualität mit tagelangem Beten und Opfern gegenüber. Im Sinn einer „berufsmäßigen“ Gottesverehrung wurden entsprechend im Mittelalter Ordensleute als religiosi  bezeichnet. Diese Bedeutung hat der Begriff bis heute im römisch-katholischen Kirchenrecht. Auch bei der Entlehnung ins Deutsche im 16. Jahrhundert wird Religion zunächst in diesem Sinne verwandt, nämlich zur Bezeichnung amtskirchlicher Bibelauslegung und Kultpraxis und ihrer Abgrenzung gegenüber sogenanntem Aberglauben (siehe Superstitio). Bis heute heißt die römische Kongregation für die Ordensleute „Religiosenkongregation“.

Zu Beginn des 4. Jahrhunderts führte der christliche Apologet Lactantius dagegen das Wort religio auf religare „zurück-, an-, festbinden“ zurück, wobei er sich polemisch mit Ciceros Auffassung über den Unterschied von religio und superstitio auseinandersetzte. Er meinte, es handle sich um ein „Band der Frömmigkeit“, das den Gläubigen an Gott binde. Diese Herkunft ist bei Sprachwissenschaftlern jedoch umstritten, da es keine vergleichbaren Wörter gibt, die aus einem Verb der lateinischen a-Konjugation entstammen, bei denen sich das Suffix -are ohne Anzeichen zu -ion entwickelt hat.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren zur Bezeichnung der Gesamtheit des Religiösen die Ausdrücke fides („Glaube“), lex („Gesetz“) und secta (von sequi „folgen“, also „Gefolgschaft, Richtung, Partei“) gebräuchlich. Religio bezeichnete zunächst Lehren, die je nach Auffassung für richtig oder falsch gehalten wurden. Erst nach der Reformation, vor allem im Zeitalter der Aufklärung wurde ein abstrakterer Religionsbegriff geprägt, auf den die gegenwärtigen Definitionsansätze zurückgehen.

In den meisten außereuropäischen Sprachen fanden sich bis zum 19. Jahrhundert keine genauen Übersetzungen des Wortes Religion. Häufig wurde das Phänomen mit mehreren Begriffen umschrieben. Eigene Begriffsprägungen erfolgten relativ spät. Dies trifft beispielsweise auf den Ausdruck Hinduismus zu, dessen Bedeutung zudem einem mehrmaligen Wandel unterlag.

Neuerdings hat der Religions- und Sprachwissenschaftler Axel Bergmann eine andere Etymologie vorgeschlagen. Demnach sei das Wort nicht mit dem Präfix re- („zurück, wieder“) gebildet, es gehe vielmehr auf das altlateinische rem ligere „eine Sache (oder ein Vorhaben) binden“, d. h. „mit (religiösen) Skrupeln betrachten“ und folglich „in Ehrfurcht scheuen“, zurück. Dieser Ausdruck der Alltagssprache wurde laut Bergmann zunächst speziell auf religiöse Skrupel bezogen und später auf den gesamten Bereich des Religiösen ausgedehnt.[29]

Universale Elemente des Religiösen

Der österreichische Ethnologe, Kultur- und Sozialanthropologe Karl R. Wernhart hat die grundlegenden Strukturen des „Religiösen an sich“ (Religious Beliefs per se),[A 5] die in sämtlichen Religionen und Kulturen – unabhängig von ihrem steten Wandel – übereinstimmen, wie folgt klassifiziert:[A 6]

Glaube

  • Existenz von unkörperlichen, übernatürlichen „Kraftfeldern“ (Seelen, Ahnen, Geister, Götter)
    • Manche Religionen gehen von der Existenz eines oder mehrerer persönlicher oder unpersönlicher transzendenter Kräfte aus (z. B. eine oder mehrere Gottheiten), Geister oder Gesetzmäßigkeiten (z. B. DaoDharma) und machen Aussagen über die Herkunft und Bestimmung des Menschen, etwa über das Nirvana oder Jenseits.
  • Verbindung des Menschen mit dem Transzendenten in einer ganzheitlich verflochtenen Beziehungsdimension, die über das normale menschliche Bewusstsein hinausgeht und geheiligt wird
  • Alle Ethik und Moral wurzelt ursächlich in der jeweiligen Glaubenswelt
  • Der Mensch ist mehr als seine rein physische Existenz (hat etwa eine Seele)

Orientierung

Antworten auf die metaphysischen „Kardinalfragen des Lebens“: (Kursiv = Wernhart zitiert die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ des 2. Vatikanischen Konzils von 1962–1965)

  • Woher kommen wir? (Was ist der Mensch? Was ist der Sinn und Zweck des Lebens?)
    • Schöpfungsmythen – die häufig mit Hilfe von Schauspiel, Musik, Riten oder Tänzen transformiert und lebendig erhalten werden – bilden dabei überall ein Vehikel, um historische Ereignisse in einer zeitlosen Dimension festzuhalten. Der Mythos ist die Art und Weise, wie die Welt erklärt, legitimiert und bewertet wird.[30]
  • Wo stehen wir in der Welt? (Was ist das Gute, das Böse, […]? Woher kommt das Leid und welchen Sinn hat es?)
  • Wohin gehen wir? (Was ist der Weg zum wahren Glück?)
  • Welches Endziel haben wir vor Augen? (Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz […]?)

Sicherheitsaspekt

Viele Wissenschaftler (etwa A. Giddens, L. A. Kirkpatrick, A. Newberg und E. d’Aquili) heben in Bezug auf die Orientierung den Aspekt der Sicherheit für den Einzelnen oder seine Nächsten besonders hervor. Nach ihrer Auffassung befriedigen Religionen das Bedürfnis nach Beistand und Stabilität bei existentiellen Ängsten; sie bieten Trost, Schutz und Sinnerklärung angesichts von Leiden, Krankheit, Tod, Armut, Elend und Ungerechtigkeit.[31] Nach der Bindungstheorie von Kirkpatrick sei Gott eine Ersatz-Bezugsperson, wenn menschliche Bezugspersonen (Eltern, Lehrer u. ä.) fehlen oder unzureichend sind. Diese Annahme konnte von R. K. Ullmann empirisch untermauert werden.[32]

Boyer und Atran kritisieren die Funktionen Sicherheit und Orientierung. Sie halten dem entgegen, dass Religionen häufig mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, dass der Erlösungsgedanke häufig nicht vorkommt, dass trotz der offiziellen Religionen häufig der Glaube an böse Geister und Hexen vorkomme und dass selbst viele Konfessionen nicht nur Ängste reduzieren, sondern auch neue schaffen. Die beiden Wissenschaftler reduzieren die Universalien im Gegensatz zu Wernhart auf zwei menschliche Bedürfnisse: Kooperation und Information.[33]

Ausdrucksformen

Jeder Gläubige hat Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchte, die vor dem Hintergrund des Glaubens und der religiösen Orientierung ihren Ausdruck in verschiedenen Praktiken finden:

Systematik der Religionen

→ Hauptartikel: „Klassifizerungsversuche“ im Artikel Ethnische Religion

Seit den Anfängen der Religionswissenschaften wurden viele Versuche unternommen, die postulierten historischen Verwandtschaften zwischen den verschiedenen Glaubenssystemen zu rekonstruieren und daraus eine Typologie und Systematik zu erstellen. Während dies bei den Weltreligionen aufgrund der Schriftzeugnisse recht einfach ist, ist es für die ethnischen Religionen – beziehungsweise für die Gesamtheit aller Religionen – nach heutigen Maßstäben noch nicht überzeugend gelungen.[34]

Religion als historisches Phänomen

→ Hauptartikel: Geschichte der Religion

Älteste Spuren

→ Hauptartikel: Religion im Paläolithikum

Venus von Willendorf

Nachdem ältere Theorien – wie die eines prähistorischen Bärenkultes oder einer einheitlichen „Urreligion“ (siehe etwa: Animistische UrreligionCore Schamanismus nach Harner oder Urmonotheismus nach Wilhelm Schmidt) – heute als widerlegt gelten,[35] andererseits aber die lange bezweifelten Datierungen jungpaläolithischer Höhlenmalereien und Musikinstrumente wesentlich erweitert und bestätigt wurden, hat sich ein wissenschaftlicher Konsens über den Beginn menschlicher Religionsgeschichte herausgebildet. Demnach werden Bestattungen und (später) Grabbeigaben als frühe archäologische Zeichen religiösen Ausdrucks anerkannt, die sich ab etwa 120.000 Jahren v. Chr. im Mittelpaläolithikum sowohl bei Homo sapiens als auch beim Neandertaler nachweisen lassen. Der Homo sapiens entwickelt im späten Mittelpaläolithikum (mittlerer Abschnitt der Altsteinzeit) und beginnendem Mesolithikum (Mittelsteinzeit) komplexere Ausdrucksformen in frühen Kleinkunstwerken, Höhlenmalereien, später mit aufwändigen Grabstätten und zum Beginn des Neolithikums (Jungsteinzeit) im Nahen Osten herausgehobene Bauwerke, wie das als Tempelanlage interpretierte Göbekli Tepe.

Ab ca. 40.000 v. Chr. – mit dem Auftreten künstlerischer Skulpturen, Malereien und Musikinstrumente – werden die Hinweise deutlicher. Welche religiösen Inhalte und Konzepte diesen Artefakten zuzuschreiben sind, ist allerdings unklar bzw. spekulativ.[36]

Historische Religionen

Viele der heute noch praktizierten Religionen haben ihre Wurzeln in vorgeschichtlicher Zeit. Andere frühe Religionen existieren heute nicht mehr und sind in ihren Inhalten oft schwer fassbar, da fehlende oder lückenhafte Überlieferung das Verständnis erschwert und religiöse Konzepte sich in den von der Archäologie gefundenen materiellen Artefakten nur mittelbar abbilden. Das führt zu sehr unterschiedlichen Interpretationen der archäologischen Funde.

Auch dort, wo sehr umfangreiche schriftliche Quellen vorliegen (etwa bei den antiken Religionen der Griechen und Römer) sind die Kenntnisse über Kultpraxis und individuelle Religionsübung dennoch sehr lückenhaft. Häufig hat man Kenntnisse hauptsächlich von der Mythologie, so weiß man einiges über die Mythologie der Kelten und der Germanen, über die Kultpraxis jedoch kaum etwas.

Zu den historischen Religionen zählen (räumlich und zeitlich geordnet):

AfrikaAltägyptische ReligionAlter OrientMesopotamienSumerische ReligionBabylonische ReligionAssyrische ReligionHurritische ReligionIranElamische ReligionAltiranische ReligionKleinasienHattische ReligionHethitische ReligionLuwische ReligionPalaische ReligionUrartäische ReligionSemitische ReligionUrsemitische ReligionAmurritische ReligionUgaritische ReligionPhönizische ReligionKarthagische ReligionAltkanaanäische ReligionAltaramäische ReligionAltarabische ReligionAltsüdarabische ReligionIndienReligion der VedenBrahmanismusChinaWuismusFangshiAntikeMinoische ReligionMykenische ReligionGriechische ReligionEtruskische ReligionRömische ReligionGnosisManichäismusAltes EuropaIndogermanische ReligionKeltische ReligionGermanische ReligionNordgermanische ReligionAngelsächsische ReligionSlawische Religion

Geschichte konkreter Religionen

Die Geschichte verschiedener Religionen wird in den Geschichtsabschnitten ihrer jeweiligen Artikel bzw. in gesonderten geschichtlichen Artikeln dargestellt:

Religion in der Neuzeit

Im Gegensatz zu den mittelalterlichen christlichen Gesellschaften, in denen fast die gesamte Lebenswirklichkeit unter der Autorität der Religion stand, verlor die institutionalisierte Religion in der Neuzeit zunehmend an Machtfülle. Anstelle der Theologie errangen die Natur- und Geisteswissenschaften Autorität, beispielsweise in Fragen zu Evolution oder Ethik/Recht, Bereichen, die zuvor der Religion unterstanden. Die Tendenzen hin zu einer Trennung von Kirche und Staat werden als Säkularisierung bezeichnet. Erklärungsversuche für dieses Phänomen beziehen sich oft auf die Ideen des Humanismus und der Aufklärung, Einflüsse der Industrialisierung, die allmähliche bzw. durch eine Revolution hervorgerufene Überwindung des feudalen Ständestaates und den damit verbundenen ökonomischen, sozialen, kulturellen und rechtlichen Wandel.[37] Der Wandel umfasst alle gesellschaftlichen Felder, so auch das der verfassten Religion, welche sich ebenfalls ausdifferenzierte, einerseits Gewaltpotenzial und Unduldsamkeit zeigte, andererseits pluralistischer auftrat und vielfach mehr Toleranz aufbrachte.

In Europa verlor das Christentum seit dem späten 19. Jahrhundert hinsichtlich seiner Reputation, seines gesellschaftlichen und politischen Einflusses und seiner Verbreitung beschleunigt an Bedeutung. Einige traditionell christliche westliche Länder verzeichneten sinkenden Klerikernachwuchs, Verkleinerung der Klöster und ein Anwachsen von Kirchenaustritten oder andere Formen von Distanzierung.[38]

Besonders in Frankreich, wo durch die Revolution 1789, den Code civil 1804 und Anfang des 20. Jahrhunderts durch das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat ein strikter Laizismus umgesetzt worden ist, ging der gesellschaftliche Einfluss der katholischen Kirche zurück.[39]

Die abnehmende materielle und geistige Macht der großen christlichen Kirchen, die Friedrich Nietzsche Ende des 19. Jahrhunderts mit den Worten „Gott ist tot“ kommentierte, wurde und wird von einigen religiösen Denkern bemängelt. Sie argumentieren, durch das Schwinden des Einflusses der Religion würden ethische Standards reduziert und der Mensch zum Maß aller Dinge gemacht. Unter der Devise „Ohne Gott ist alles erlaubt“, könnten destruktive Handlungen und nihilistisches Denken gefördert werden. Für solche Folgen gibt es allerdings keine eindeutigen Hinweise.

In der Sowjetunion, insbesondere während der Terrorherrschaft Stalins, im nationalsozialistischen Deutschland und weniger ausgeprägt in den Ostblockstaaten nach 1945 konnte eine öffentliche religiöse Betätigung zu gesellschaftlichen Benachteiligungen führen, bis hin zu Todesurteilen und Verschleppung. Daher war der Anteil der sichtlich praktizierenden Mitglieder von Religionsgemeinschaften vergleichsweise gering. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist eine ambivalente Entwicklung festzustellen. Während in den neuen Bundesländern die organisierte Religion weiterhin nur eine marginale Rolle spielt, ist sie beispielsweise in Polen tief verwurzelt.

Gegenwärtige Trends

Zahlreiche Studien belegen rückläufige Besucherzahlen in Kirchen, Synagogen und anderen religiösen Einrichtungen, z. B. in Großbritannien, Deutschland und Frankreich, obwohl die Kirchen hier Umfragen zufolge weiterhin zu den anerkannten öffentlichen Einrichtungen zählen. In den meisten europäischen Staaten waren 2005 jedoch noch mehr als 50 % der Einwohner Mitglieder einer christlichen Kirche. In PolenIrlandSpanien und Italien gilt die katholische Kirche, der jeweils mehr als 80 % der Bewohner angehören, als politisch einflussreich.[40] In vielen europäischen Ländern ist es nach wie vor üblich, zumindest formell, einer Religionsgemeinschaft anzugehören. Seit einigen Jahrzehnten, verstärkt seit dem Ende des letzten Jahrtausends, wenden sich vor allem junge Menschen weltweit häufiger wieder institutionalisierten oder anderen religiösen Ausdrucksformen zu.

Im Gegenzug zur Säkularisierung in Europa gewinnen insbesondere Islam und Christentum, aber auch der Buddhismus, in der übrigen Welt an Bedeutung. In den USA und Lateinamerika etwa stellt die Religion nach wie vor einen wichtigen Faktor dar. Im 20. Jahrhundert ist in Afrika der Einfluss des Christentums und des Islam erheblich gewachsen. In der arabischen Welt ist der Islam zunehmend das prägende Element der Gesellschaft. Auch in Teilen Asiens hat der Islam an Einfluss gewonnen, so in IndonesienPakistanIndien und Bangladesch. In der Volksrepublik China erleben religiöse Gemeinschaften seit der Lockerung entsprechender Verbote wieder einen moderaten Aufschwung. Von den christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften erzielen die sich zum Protestantismus zählenden evangelikalen Missionare weltweit die meisten „Bekehrungserfolge“.[41]

Neuere Forschungen verweisen darauf, dass in zeitgenössischen Gesellschaften statistisch nachweisbar ein Zusammenhang zwischen Demografie und Religion besteht. Die Kinderzahl in religiösen Gemeinschaften ist zum Teil erheblich höher als die in den eher säkular geprägten Gesellschaften. Beispiele hierfür sind die Geburtenraten der türkischstämmigen Familien in Deutschland, die zumeist dem sunnitischen Islam angehören,[42] evangelikaler christlicher Gruppen in den USA und zunehmend auch in Europa und Angehöriger des orthodoxen Judentums in Israel. Dieses Phänomen wird gegenwärtig auf dem Hintergrund der Probleme einer wachsenden Weltbevölkerung nicht nur positiv, sondern auch negativ bewertet.

In den meisten Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen wurde das Recht auf Religionsfreiheit inzwischen gesetzlich verankert, aber nicht unbedingt im Alltagsleben verwirklicht. Allerdings gibt es noch zahlreiche Länder, in denen keinerlei Recht auf freie Wahl der Religion besteht, so z. B. Saudi-Arabien und Nordkorea, oder in denen der Handlungsspielraum religiöser Individuen und Gruppen eingeschränkt ist. Demgegenüber gewähren die USA praktisch jeder Gemeinschaft, die sich selbst als religiös bezeichnet, den Status einer religious community mit entsprechenden Rechten.

Seit der zunehmenden Anerkennung indigener Völker kommt es zum Teil zu einer Revitalisierung ethnischer Religionen (etwa bei den Tuwinern in China und Russland, bei vielen Indianern Nordamerikas[43] oder bei den Samen Skandinaviens[44]). Aufgrund des vielfach bereits verlorenen Wissens, der langjährigen Einflüsse anderer Religionen oder auch der Bezugnahme auf (zum Teil falsche) Interpretationen westlicher Autoren aus Wissenschaft und Esoterik kann man diese Religionsformen in den meisten Fällen jedoch nicht mit den traditionellen Vorläufern gleichsetzen.

Religionen in Zahlen

Die Welt: vorherrschende Religionen nach StaatenSiehe auch: Liste der Länder nach Religion

Die Quellenlage für präzise Aussagen über die Religionszugehörigkeit weltweit ist äußerst fraglich. Nicht nur die Forschungsmethoden unterscheiden sich erheblich, vor allem ist die Ausgangssituation in den Staaten sehr unterschiedlich. Lediglich über Staaten, in denen Religionsfreiheit besteht, können relativ exakte Aussagen gemacht werden. Aber auch dort gibt es eine hohe Varianz, schon hinsichtlich der Datenerhebung. Unterschiedliche Ergebnisse sind beispielsweise zu erwarten, je nachdem ob die Aussagen auf behördlich erfasster Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder auf Befragungen beruhen. Regimes, die keine Religionsfreiheit gewährleisten oder Staaten, die sich offiziell als atheistisch betrachten, machen ein realistisches Bild fast unmöglich. Hinzu kommt, dass auch die Weltreligionen sehr heterogen sind: so unterscheidet sich beispielsweise das Christentum in afrikanischen Ländern von dem in skandinavischen in vielen Merkmalen. Zum Judentum werden zumeist auch nichtreligiöse Juden gerechnet, zum Christentum in Deutschland alle Kirchensteuerzahler, auch wenn sie nicht gläubig sind, zum Islam alle Bürger Saudi-Arabiens. Unschärfen entstehen u. a. auch, weil Kinder und Jugendliche der Religion ihrer Eltern zugerechnet werden, jedoch sich selbst nicht unbedingt dieser Religion angehörig fühlen.[45] Für einzelne Staaten mit ausgewiesenen statistischen Systemen lassen sich genauere Angaben machen, die aber nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar sind.


Religionsangehörige weltweit A (ca. 2006)[46]Religionsangehörige weltweit B (ca. 2006)[47]

Christentum2,1 Milliarden2.199.817.400Islam1,5 Milliarden1.387.454.500Säkulare, Nichtreligiöse1,1 Milliarden776.826.000[48]Hinduismus900 Millionen875.726.000Traditionelle chinesische Religionen394 Millionen385.621.500Buddhismus376 Millionen385.609.000Ethnische Religionen
(266.405.000)Nichtafrikanische ethnische Religionen300 Millionen
Traditionelle afrikanische Religionen100 Millionen
Neue Religiöse Bewegung
106.533.300Sikhismus23 Millionen22.927.500Spiritismus15 Millionen13.508.600Judentum14 Millionen14.956.000Bahaitum7 Millionen7.697.000Konfuzianismus
6.444.300Jainismus4,2 Millionen5.264.500Shintō4 Millionen2.801.400Caodaismus4 Millionen
Zoroastrismus2,6 Millionen180.800Tenrikyō2 Millionen
Neopaganismus1 MillionUniversalismus / Unitarismus
(es gibt sowohl christliche als inzwischen auch nicht-christliche Universalisten/Unitarier)800.000Rastafari600.000
Andere Religionen
1.205.000

„Ich glaube, dass es einen Gott gibt.“ (ein Eurobarometer von 2005)

Zur Verteilung in Deutschland, Österreich und der Schweiz siehe auch Religionen in DeutschlandAnerkannte Religionen in Österreich und Religionen in der Schweiz


Religionsangehörige Deutschland (2014)[49]

Nichtreligiöse26 Millionen (32 %)Römisch-Katholische Kirche24,2 Millionen (30 %)Evangelische Landeskirchen23,4 Millionen (29 %)Islam4 Millionen (5 %)Orthodoxe Kirche1,5 Millionen (1,9 %)Neuapostolische Kirche0,35 MillionenBuddhismus0,3 MillionenJudentum0,2 MillionenJehovas Zeugen0,17 MillionenHinduismus0,1 Millionen

Laut einer repräsentativen Umfrage des Eurobarometers glaubten im Jahr 2005 52 % der Menschen in der damaligen Europäischen Union an Gott, weitere 27 % glaubten etwas vager an eine spirituelle Kraft bzw. höhere Macht. 18 % Prozent der Befragten glaubten weder an einen Gott noch an eine andere spirituelle Kraft, 3 % der Unionsbürger waren unentschlossen.[50][51]

Nach der 15. Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2006 glauben 30 % der befragten deutschen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 24 Jahren an einen persönlichen Gott, weitere 19 % an eine höhere Macht, während 23 % eher agnostische Angaben machten und 28 % weder an einen Gott noch eine höhere Macht glauben.[52]

Wissenschaftliche Ansätze zur Definition und Beschreibung von Religion

→ Hauptartikel: Religionsdefinition

Bereits beim Versuch, einen wissenschaftlichen Zugang zum Begriff „Religion“ zu finden, sehen sich die Wissenschaften vor große Schwierigkeiten gestellt: Wie kann man eine alle Religionen umfassende, über-historische Definition von Religion finden, mit der sich wissenschaftlich arbeiten lässt?[53] Oft sind die Definitionen entweder zu eng, so dass wichtige religiöse Strömungen nicht mit erfasst werden; oder aber der Begriff „Religion“ verliert seine Präzision und wird zu beliebig, als dass sich vergleichbare Untersuchungen noch erlauben würden. Sich wissenschaftlich mit einem Untersuchungsobjekt zu befassen, dessen Definition keine klare Abgrenzung erlaubt, erweist sich als schwierig.

Dennoch ist Religion aber „eine soziale Realität, ein spezifischer Kommunikationsprozess, der Wirklichkeiten schafft und durch soziale Handlungen selbst reale Gestalt gewinnt“ und daher notwendigerweise Gegenstand wissenschaftlicher Neugierde.[54] Die im Folgenden dargestellten Konzepte sollten immer vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten in der Begriffsfindung wahrgenommen werden, die im Kontrast zur wissenschaftlichen Notwendigkeit stehen, sich mit dem realen Phänomen „Religion“ zu beschäftigen.

Philosophische und psychologische Ansätze

Der Vordenker der Aufklärung Jean-Jacques Rousseau kritisierte in seinem 1762 in Paris erschienenen einflussreichen Werk „Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes“ die Religion grundlegend als Quelle von Krieg und Machtmissbrauch, konstatierte aber religiöse Gefühle der Menschen. Er entwickelte das Modell einer Zivilreligion, die den politischen Erfordernissen einer „freien“ aufgeklärten Gesellschaft gerecht werde. Dazu gehörte die Anerkennung der Existenz Gottes, eines Lebens nach dem Tod, die Vergeltung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, die Unantastbarkeit (Heiligkeit) des Gesellschaftsvertrages und der Gesetze und schließlich die Toleranz. Diese neue, für alle Bürger gleichermaßen gültige Zivilreligion sollte zur Stabilität der Gemeinschaft beitragen.

Sein ebenfalls aufgeklärter Gegenspieler Voltaire, welcher die Dogmen und die Machtfülle der katholischen Kirche noch schärfer ablehnte, setzte sich für einen vernunftgeleiteten, toleranten Deismus unabhängig von den bis dahin existierenden Religionen ein und betonte die moralische Nützlichkeit des Glaubens an Gott. Er war von der Gesetzmäßigkeit des Kosmos und der Existenz einer höchsten Intelligenz überzeugt, ging von der Unsterblichkeit der Seele und einem freien menschlichen Willen aus, Positionen, die er jedoch auch in jeder Hinsicht bezweifelte. Den Glauben an heilige Schriften oder an Jesus Christus als Sohn Gottes teilte er nicht.

Immanuel Kant

Immanuel Kant formulierte 1793 in seiner religionsphilosophischen Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ seine Auffassung über eine Vernunftreligion. Er entwickelte eine philosophische Religionslehre, die das Prinzip des Bösen postuliert. Das Böse sei dem menschlichen Wesen innewohnend. Er geht von der Existenz Gottes und von der Unsterblichkeit der Seele aus. Gott lasse sich allerdings nicht beweisen. Laut Kant verfügt lediglich das Christentum im Gegensatz zu anderen, seiner Auffassung nach „veralteten“ und „ritualisierten“ Religionen wie Judentum und Islam, über eine Lehre und Moral, die die Philosophie anerkennen kann. Konsequentes moralisches Handeln ist demnach nicht möglich ohne den Glauben an die Freiheit, die Unsterblichkeit der Seele und Gott. Daher ist die Moral das Ursprüngliche. Die Religion indes erklärt die moralischen Pflichten als göttliche Gebote. Also folge die Religion dem bereits vorhandenen Moralgesetz. Um die eigentlichen menschlichen Pflichten zu finden, müsse man das Richtige aus den verschiedenen Religionslehren herausfiltern. Rituelle Praktiken der Religionen lehnte Kant als „Pfaffentum“ ab. Erkenntnistheoretisch nahm er eine agnostische Haltung ein.

Der Religionskritiker Ludwig Feuerbach erklärte 1841 Religion als „das erste und zwar indirekte Selbstbewusstsein des Menschen. […] der Mensch vergegenständlicht in der Religion sein eignes geheimes Wesen.“[55] Demnach betrachtet der religiöse Mensch alles, was er für wahr, richtig und gut hält, als selbstständige Erscheinungen außerhalb seiner selbst. Diese selbstständigen Erscheinungen kann sich der Mensch als Person in Einzahl oder Mehrzahl mit begrenztem oder unbegrenztem Wirkungsbereich vorstellen und demzufolge seine Begriffe vom Wahren, Richtigen und Guten als Bereichsgötter oder einzigen Gott benennen oder ohne Personifikation als Kräfte, Mächte, Wirkungen, gesetzmäßige Abläufe oder ähnlich bestimmen. Wie er das tut, richtet sich nach regionaler Entwicklung und Überlieferung. Folgerichtig betrachtet Feuerbach Religion nicht mehr als weltdeutendes, menschenverpflichtendes System, sondern als völkerkundliches Forschungsgebiet.

Karl Marx bezeichnete 1844 im Anschluss an Feuerbach in seiner Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie Religion als „das Opium des Volkes“, ein Ausspruch, der zum geflügelten Wort geworden ist. Ein für Marx zentraler Gedanke ist, dass die Geschöpfe ihre Schöpfer beherrschen: „Wie der Mensch in der Religion vom Machwerk seines eigenen Kopfes, so wird er in der kapitalistischen Produktion vom Machwerk seiner eigenen Hand beherrscht.“[56]

Aus Feuerbachs Forderung an den Menschen, die „Illusion über seinen Zustand aufzugeben“ zieht Marx die Konsequenz, „einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf“.[57] Nach Marx wird Religion als ein verkehrtes Weltbewusstsein von Staat und Gesellschaft produziert, weil in bisherigen Gesellschaftsordnungen der Mensch von sich selbst entfremdet war. „Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes“ ist für ihn daher „die Forderung seines wirklichen Glücks“.[58]

Von Friedrich Nietzsche stammt der als Gedanke der Moderne immer wieder zitierte Ausspruch „Gott ist tot!“ Er fährt fort, und dies ist weniger bekannt: „Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“[59] Der Philosoph zählte die wachsende Bedeutung der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft zusammen mit der radikalen Religionskritik zu den Ursachen für den Verfall der (christlichen) Moral.

In der Tradition Feuerbachs und Nietzsches stehend, stellte der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud Religion als Zwangsneurose und infantiles Abwehrverhalten dar. Der Urmensch habe die Naturkräfte personalisiert und zu schützenden Mächten erhoben, damit sie ihn in seiner Hilflosigkeit stützen. Das zugrunde liegende Verhaltensmuster knüpft demnach an die frühkindliche Erfahrung des schützenden, aber auch strafenden Vaters an. Daraus resultiere ein zwiespältiges Verhältnis zum Vater, das im Erwachsenenalter zum „Glauben“ führe. Der Mensch fürchte die Gottheiten und suche gleichzeitig ihren Schutz. Auf die Evolutionstheorie Charles Darwins Bezug nehmend, sah Freud die „Urhorde“ mit einem despotischen „Stammesvater“ als Anführer, der über alle Frauen des Stammes verfügen konnte. Seine Söhne verehrten ihn, fürchteten ihn aber auch. Aus Eifersucht brachten sie gemeinsam den Urvater um. Daraus sei der „Ödipuskomplex“ hervorgegangen. Das Schuldbewusstsein der gesamten Menschheit (Vorstellung von der „Erbsünde“) sei somit der kulturbewahrende Anfang sozialer Organisation, der Religion sowie – damit zusammenhängend – sexueller Einschränkung.[60]

Die argentinische Religionspsychologin Ana-Maria Rizzuto geht – anders als Freud – davon aus, dass die Gottesvorstellung einen notwendigen Teil der Ichbildung darstellt. Demnach entwickeln Kinder aus der breiten Fülle von Fantasien zu Helden und magischen Wesen ihr jeweiliges Gottesbild – im Rahmen des Bezugsystems ihrer Eltern und der Umwelt.

Erich Fromm prägte eine weite, sozialpsychologische Definition. Als Religion betrachtete er jedes von einer Gruppe geteilte System des Denkens und Handelns, das dem Einzelnen einen Rahmen der Orientierung und ein Objekt der Hingabe bietet.[61]

Der zeitgenössische postmoderne deutsche Philosoph Peter Sloterdijk schreibt der Religion die Wirkung eines psychosemantischen Immunsystems zu. Im Zuge der kulturellen Entwicklung sei der Mensch offener, aber auch verletzbarer geworden. Religion befähige den Menschen, „Verletzungen, Invasionen und Kränkungen“ selbst zu heilen. Sloterdijk bezeichnet nicht Gott, sondern „das Wissen um Heilung als Realität, von der biologischen bis zu einer spirituellen Stufe“ als die Perle in der Muschel der Theologie.[62]

Jürgen Habermas, der prominenteste Vertreter der Kritischen Theorie in der Gegenwart, betont seit Ende der 1990er Jahre den positiven Einfluss der (christlichen) Religion auf demokratische Wertsysteme, während Theodor W. Adorno in Marxscher Tradition die Religion als „gesellschaftliche Projektion“ begreift und die Durkheimsche Religionssoziologie pointiert in der Aussage zusammenfasst, dass „in der Religion die Gesellschaft sich selbst anbete“.[63]

Religionsgeschichtliche Theorien

→ Hauptartikel: Religionsgeschichte

Die vorrangige Fragestellung der Religionsgeschichte lautet: „Unterliegt die Religionsentwicklung einer direkten soziokulturellen Evolution oder ist sie nur ein Nebenprodukt anderer kognitiver Entwicklungen?“ Ein evolutionärer Prozess setzt immer selektive Faktoren voraus, so dass die Frage nur beantwortet werden kann, wenn zweifelsfreie Faktoren ermittelt werden können, die gläubigen Menschen irgendwelche Überlebensvorteile verschaffen.[64]

In der Frühzeit der wissenschaftlichen Behandlung von Religion waren evolutionistische Entwürfe vorherrschend, in denen die einzelnen Ereignisse als bloße Etappen vergleichsweise einfacher, globaler, quasi naturgesetzlicher Entwicklungen gesehen wurden, etwa bei James Frazer als eine Entwicklung von der Magie über die Religion zur Wissenschaft. Diese teleologischen Positionen krankten oft an unzureichenden empirischen Grundlagen, enthielten meist explizite oder implizite Wertungen und waren vielfach auf den Einzelfall konkreter religionsgeschichtlicher Ereignisse nicht anwendbar. In der modernen Religionswissenschaft spielen sie nur noch als Materiallieferanten[Anm. 2] und als Teil der Fachgeschichte eine Rolle.[65]

In einer geschichtsphilosophischen Betrachtung machte Karl Jaspers eine von ihm sogenannte Achsenzeit zwischen 800 und 200 v. Chr. aus, in der wesentliche geistesgeschichtliche Innovationen die Philosophie- und Religionsgeschichte ChinasIndiens, des Iran und in Griechenland prägten. Jaspers deutete diese als eine umfassende Epoche der „Vergeistigung“ des Menschen, die sich in Philosophie und Religion, sekundär auch in Recht und Technologie ausgewirkt habe. Mit dieser pluralistischen Interpretation wandte Jaspers sich vor allem gegen eine christlich motivierte Konzeption einer Universalgeschichte.[66] Im Gegensatz zu den Offenbarungsreligionen, die er ablehnte, konzipierte er in seinem religionsphilosophischen Werk Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung[67] eine philosophische Annäherung an eine Transzendenz angesichts menschlicher Allmachtsvorstellungen.

Die religiös-spirituellen Vorstellungen schriftloser Kulturen, häufig als „Naturreligionen“, wissenschaftlich korrekter als ethnische Religionen oder (veraltet) als Animismus bezeichnet, wurden aufgrund ihrer angeblichen „Primitivität“ lange für die ältesten Formen von Religion gehalten. Doch auch sie unterliegen einem historischen Wandel und werden daher heute von einigen Autoren nicht mehr im Sinne unveränderter Traditionen verstanden.[68] Aufgrund der nicht vorhandenen Dogmen und ihrer großen Anpassungsfähigkeit an veränderte Bedingungen sind sie ganz im Gegenteil sämtlich jünger als die bekannten Hochreligionen.[69] Dennoch halten etliche Prähistoriker (etwa Marcel Otte) an der Vorstellung fest, die Religionen der Vorzeit ließen sich aus Vergleichen mit heutigen „primitiven Religionen“ rekonstruieren. Dabei wird außer Acht gelassen, dass auch diese Glaubenssysteme irgendwann einmal einen Anfang gehabt haben müssen, der erheblich einfacher gedacht werden muss als die komplexen Weltbilder heutiger Indigener.[70]

Allgemein wird heute eine direkte Evolution der Religionen in engem Zusammenhang mit dem Wandel der Sozialstrukturen postuliert,[71] weil sie offenbar gewisse Aspekte des Zusammenlebens positiv beeinflusst. Allerdings ist man sich über die konkreten Selektionsvorteile nach wie vor uneinig. Weder die Förderung altruistischen Verhaltens noch ein konkreter Einfluss auf die Reproduktionsrate[72][73] ist zweifelsfrei belegt. Überdies kritisiert die Religionswissenschaftlerin Ina Wunn, dass viele Modelle nach wie vor eine Höherentwicklung voraussetzen, womit sie ethnische oder polytheistische Religionen degradieren. Damit würden Repressalien bestimmter Staaten gegen ihre religiösen Minderheiten im Sinne des Fortschritts gerechtfertigt.[74]

In neuerer Zeit tritt die Religionsgeschichte als Universalgeschichte gegenüber dem Studium der Geschichte einzelner Religionen oder Kulturräume zurück. Jedoch finden religionsgeschichtliche Theoriekonzepte wie Säkularisierung und Pluralisierung wieder verstärkt Beachtung.

Religionssoziologische Ansätze

Religionssoziologische Gedankengänge finden sich bereits in der griechischen Antike, zumal bei Xenophanes (Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus.).

Nach Ferdinand Tönnies (1887), einem der Mitbegründer der Soziologie, ist die Religion in der „Gemeinschaft“ das Äquivalent zur „öffentlichen Meinung“ in der „Gesellschaft“. Diese Abgrenzung versteht Tönnies als normaltypisch. Religion und öffentliche Meinung sind die jeweilige mentale Ausbildung von Gemeinschaft bzw. Gesellschaft (neben der politischen und der wirtschaftlichen). Da sich die Menschen in der Gemeinschaft als „Mittel zum Zweck übergeordneter Kollektive“ verstehen, sind sie zu großen Opfern zugunsten einer angenommenen höheren Instanz fähig – anders als „gesellschaftlich“ verbundene Menschen, die alle Kollektive als Mittel für ihre je individuellen Zwecke ansehen, und die jeweilige Gesellschaft utilitaristisch unterstützen oder bekämpfen. Religion und öffentliche Meinung haben, so Tönnies, starke Gemeinsamkeiten, etwa heftige Unduldsamkeit gegen Abweichler.[75]

Laut Émile Durkheim (1912), einem anderen Mitbegründer der Soziologie, trägt Religion zur Festigung sozialer Strukturen, aber auch zur Stabilisierung des Einzelnen bei. Sein Religionsbegriff ist somit ein funktionalistischer. Gemäß Durkheim ist die Religion ein solidarisches System, das sich auf Überzeugungen und Praktiken bezieht, die als heilig erachtete Dinge umfassen und in einer moralischen Gemeinschaft, wie beispielsweise der Kirche, alle Mitglieder miteinander verbindet. Daraus ergeben sich drei Aspekte von Religion, die Glaubensüberzeugungen (Mythen), die Praktiken (Riten) und die Gemeinschaft, auf die diese Überzeugungen und Praktiken bezogen sind. Durkheim bezeichnet unter anderen Faktoren den Glauben als ein Element der Macht, die die Gesellschaft über ihre Mitglieder ausübt. Zu den bemerkenswerten Aspekten seines Religionsbegriffs gehört die Unterscheidung zwischen dem Sakralen und dem Profanen, die es erlaubt, Religion ohne den Bezug auf Gott, Götter oder übernatürliche Wesenheiten (Gottheiten) zu definieren. Sie wird auch außerhalb der Soziologie verwendet[76] und liegt ebenfalls dem Begriff „säkulare Religion“ (bei Max Weber: „Diesseitigkeitsreligion“) zugrunde, mit dem Weltanschauungen bezeichnet werden, die diesseitige Phänomene wie z. B. den Staat, eine Partei oder einen politischen Führer zum Gegenstand einer religionsähnlichen Verehrung machen.[77]

Max Weber

Max Weber, der sich am Anfang des 20. Jahrhunderts ausführlich mit dem Phänomen „Religion“ aus soziologischer Sicht befasste, unterscheidet zwischen Religion und Magie. Unter „Religion“ versteht er ein dauerhaftes, ethisch fundiertes System mit hauptamtlichen Funktionären, die eine geregelte Lehre vertreten, einer organisierten Gemeinschaft vorstehen und gesellschaftlichen Einfluss anstreben. „Magie“ dagegen ist nach Weber lediglich kurzfristig wirksam, gebunden an einzelne Magier oder Zauberer, die als charismatische Persönlichkeiten vermeintlich Naturgewalten bezwingen und eigene moralische Vorstellungen entwickeln. Diese Abgrenzung versteht Weber als idealtypisch. Reinformen sind selten, Überschneidungen und Übergänge werden konstatiert.[78] Weber erarbeitete umfangreiche theoretische Abhandlungen über die verschiedenen Religionen, insbesondere über die protestantische Ethik und führte empirische Studien zu der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung in protestantischen und katholischen Ländern durch.[79]

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterscheidet Niklas Luhmann in seiner Systemtheorie zwischen „System“ und „Umwelt“. Die Umwelt bietet demnach Möglichkeiten, die vom System durch Ausgrenzung und Auswahl genutzt werden können. Durch diesen Selektionsprozess wird die Umwelt in ihrer Komplexität eingeschränkt. Da jedoch sowohl das System als auch die Umwelt nach wie vor von hoher Komplexität geprägt sind, sind Vereinfachungen notwendig, die der Orientierung dienen. Als ein soziales Funktionssystem moderner Gesellschaften unter anderen kommt der Religion solch eine orientierende Funktion zu. Sie begrenzt ein Übermaß an Möglichkeiten und verhindert die beliebige Veränderung der Auswahl.[80]

Die Theorie der rationalen Entscheidung der Religionen entstand in den 1980er Jahren. Als Hauptvertreter gelten Rodney StarkLaurence R. Iannaccone und Roger Finke. Diese Theorie besagt, dass Akteure ihre Handlungen nutzenorientiert wählen.[81] Annahmen dieser Theorie sind: Der Akteur handelt rational durch Abwägen von Kosten und Nutzen; es gibt stabile Präferenzen, die sich weder von Akteur zu Akteur noch zeitlich stark unterscheiden; soziale Ereignisse sind Ergebnisse von sozialen Interaktionen zwischen den Akteuren.[82] Nicht nur der Akteur in Form des Gläubigen handelt nach dieser Theorie nutzenmaximierend, sondern auch religiöse Organisationen. Sie spezialisieren ihr Angebot von religiösen Gütern, so dass sie möglichst viele Gläubige anziehen. Diese Theorie wird von verschiedenen anderen Religionssoziologen kritisiert, da beispielsweise zentrale Begriffe der Theorie nicht genau definiert seien („Kosten“, „Nutzen“), und es ist strittig, ob kostentheoretisch ausgefeilte Begriffe aus der Betriebswirtschaftslehre auf religiöses Handeln übertragen werden können.[81]

Religionswissenschaftliche Ansätze

Die Religionswissenschaft, die eine Vielzahl von Disziplinen wie ReligionssoziologieReligionsphilosophieReligionsphilologieReligionsgeschichte u. a. umfasst, untersucht auf empirischer und theoretischer Grundlage Religionen als gesellschaftliche Phänomene. Religionswissenschaftliche Theorien müssen unabhängig von Glaubensannahmen nachvollziehbar und falsifizierbar sein. Seit etwa 100 Jahren als eigenständige Disziplin etabliert, geht sie auf Vorläufer sowohl innerhalb Europas wie auch darüber hinaus (religionsvergleichende Studien in China und der islamischen Welt) zurück. In Abgrenzung zur Theologie gehört zur Religionswissenschaft einerseits die Möglichkeit des Dialoges, aber auch die Option der Religionskritik.

Nach Clifford Geertz (1973) ist Religion ein kulturell-geschaffenes Symbolsystem, das versucht, dauerhafte Stimmungen und Motivationen im Menschen zu schaffen, indem es eine allgemeine Seinsordnung formuliert. Diese geschaffenen Vorstellungen werden mit einer überzeugenden Wirkung („Aura von Faktizität“) umgeben, dass diese Stimmungen und Motivationen real erscheinen. Solche „heiligen“ Symbolsysteme haben die Funktion, das Ethos – das heißt das moralische Selbstbewusstsein einer Kultur – mit dem Bild, das diese Kultur von der Realität hat, mit ihren Ordnungsvorstellungen zu verbinden. Die Vorstellung von der Welt wird zum Abbild der tatsächlichen Gegebenheiten einer Lebensform. Die religiösen Symbolsysteme bewirken eine Übereinstimmung zwischen einem bestimmten Lebensstil und einer bestimmten Metaphysik, die einander stützen. Religion stimmt demnach menschliche Handlungen auf eine vorgestellte kosmische Ordnung ab. Die ethischen und ästhetischen Präferenzen der Kultur werden dadurch objektiviert und erscheinen als Notwendigkeit, die von einer bestimmten Struktur der Welt erzeugt wird. Die Glaubensvorstellungen der Religionen bleiben demgemäß nicht auf ihre metaphysischen Zusammenhänge beschränkt, sondern erzeugen Systeme allgemeiner Ideen, mit denen intellektuelle, emotionale oder moralische Erfahrungen sinnvoll ausgedrückt werden können. Da somit eine Übertragbarkeit von Symbolsystem und Kulturprozess vorliegt, bieten Religionen nicht nur Welterklärungsmodelle, sondern gestalten auch soziale und psychologische Prozesse. Durch die unterschiedlichen Religionen wird eine Vielfalt unterschiedlicher Stimmungen und Motivationen erzeugt, so dass es nicht möglich ist, die Bedeutsamkeit von Religion in ethischer oder funktionaler Hinsicht festzulegen.[83]

Nach Rüdiger Vaas bieten Religionen die „ultimative Bezogenheit“: das Gefühl der Verbundenheit, Abhängigkeit, Verpflichtung sowie den Glauben an Sinngebung und Bestimmung.[84]

Jacques Waardenburg bezeichnet die Definition von Religion als ‚Glauben‘ als ein Produkt westlicher Tradition. Dieser Begriff treffe daher nicht auf die Vorstellungen anderer Kulturen zu und sei für die Beschreibung von Religionen eher ungeeignet. Religionen können nach seiner Auffassung als Bedeutungsgefüge mit darunterliegenden Grundintentionen für Menschen angesehen werden.[85]

Ein in der Religionswissenschaft gängiger Umgang mit dem Religionsbegriff ist, Religion als „Offenes Konzept“ zu betrachten, also auf eine Definition des Religionsbegriffes gänzlich zu verzichten. Diese Auffassung wurde besonders von dem Bremer Religionswissenschaftler Hans G. Kippenberg vertreten.[86]

Ein kulturwissenschaftlicher Ansatz stammt von Michael Bergunder.[87] Bergunder betrachtet den historischen Begriffswandel und stellt fest, dass Religion lange Zeit eurozentrisch belegt war. Das „konsensfähige Alltagsverständnis“, auf das sich die Religionswissenschaft bezieht, müsse hingegen heute auf einem globalen Religionsbegriff beruhen.

Andere Religionswissenschaftler entwickelten das Modell der verschiedenen „Dimensionen“ von Religion. Hier sind vor allem Rodney Stark und Charles Glock zu nennen. Sie unterscheiden die ideologische, die ritualisierte, die intellektuelle Dimension sowie die Dimension der Erfahrung und die handlungspraktische Dimension.[86] Einen ähnlichen Ansatz vertrat der irisch-britische Religionswissenschaftler Ninian Smart: auch er entwarf ein multidimensionales Modell von Religion und unterscheidet dabei sieben Dimensionen: 1. die praktische und rituelle, 2. die erfahrungsmäßige und emotionale, 3. die narrative oder mythische, 4. die doktrinale und philosophische, 5. die ethische und rechtliche, 6. die soziale und institutionale und 7. die materielle Dimension (z. B. sakrale Bauwerke).

In jüngster Zeit entwickelt sich ein Dialog zwischen einigen Hirnforschern und Religionswissenschaftlern sowie Theologen, der mitunter als Neurotheologie bezeichnet wird und sich zunehmend auch mit der Suche von Biologen nach einer schlüssigen Theorie zur Evolution der Religionen verschränkt.

Naturwissenschaftliche Ansätze

Verschiedene Hirnforscher suchen seit 1970 nach neurologischen Erklärungen für verschiedene Typen religiöser Erfahrungen. Entsprechende Studien wurden etwa publiziert von David M. Wulff, Eugene d’Aquili, C. Daniel Batson, Patricia Schoenrade, W. Larry Ventis, Michael A. Persinger, K. Dewhurst, A. W. Beard, James J. Austin und Andrew Newberg.

Evolutionsforscher wie der Biologe Richard Dawkins und die Psychologin Susan Blackmore stellten die Theorie der Meme auf, und versuchten damit das Phänomen Religion zu erfassen. Dawkins bezeichnet 1991 eine Religion als Gruppe von Ideen und Denkmustern, die sich gegenseitig bestärken und gemeinsam auf ihre Verbreitung hinwirken (Memplex). Grundlage dieser Einordnung bildet die Beobachtung, dass durch Religionen Handlungen und Überzeugungen erfolgreich verbreitet werden können, die außerhalb ihres religiösen Kontexts sinnlos scheinen oder im Gegensatz zur objektiven Realität stehen. Voraussetzung zur Verbreitung von religiösen Gedanken ist laut Dawkins die Bereitschaft zur wörtlichen Weitergabe von Glaubenssätzen und zur Befolgung der in ihnen codierten Anweisungen. Er vergleicht diese Vorgänge mit den Mechanismen, durch die Viren einen befallenen Organismus zur Weiterverbreitung ihres eigenen Erbguts anregen. In Analogie zu Computerviren spricht er auch von „Viren des Geistes“.

Einige Autoren ziehen aus den in unterschiedlichen Kulturen beobachteten Vorstellungen von übernatürlichen Akteuren auch empirische Rückschlüsse auf zugrunde liegende Verarbeitungsprozesse im menschlichen Gehirn. Nach einer aus völkerkundlichen Untersuchungen abgeleiteten Hypothese postuliert z. B. Pascal Boyer, dass das Gehirn Sinneseindrücke mit Hilfe verschiedener Module verarbeite.[88] Eines dieser Module sei darauf spezialisiert, aus Veränderungen in der Umwelt auf die Anwesenheit von Lebewesen zu schließen. Ein solches „Lebewesenerkennungsmodul“ sollte überempfindlich arbeiten, da es dem Überleben meist dienlicher sei, z. B. einen Windhauch irrtümlich als Raubtier zu interpretieren, als ein tatsächlich vorhandenes zu übersehen.[89] Dadurch könnten im Gehirn aus unklaren Wahrnehmungen leicht Vorstellungen von übernatürlich erscheinenden Akteuren, wie etwa Geistern oder Göttern, entstehen.

Auch die Forschungen zur Willensfreiheit bzw. die Annahme einer absoluten Determination des menschlichen Geistes haben Einfluss auf die Erklärungsversuche hinsichtlich religiöser Vorstellungen und Praktiken.

Speziell die Religionspsychologie bearbeitet die Frage, ob allgemein eine Korrelation zwischen Religion und Gesundheit bzw. Lebensdauer eines Individuums besteht. Forschungen in den USA belegen mehrheitlich diese These, während europäische Studien eine solche Verknüpfung häufig nicht finden.

Die amerikanischen Studien von Newberg und d’Aquili belegen etwa, dass religiöse Menschen gesünder und glücklicher seien, länger lebten und sich schneller von Krankheiten und Operationen erholen würden. Als mögliche Ursache geben sie die sicherheitsstiftende und damit stressmindernde Wirkung der Religion, sowie das Zurechtfinden in einer furchteinflössenden Welt an. B. Clark und R. Lelkes führen zudem eine größere Lebenszufriedenheit an, die durch geringer Aggressionsneigung und höherer Sozialkompetenz entstünde.[90]

Phänomene und religionsspezifische Begrifflichkeit

Verschiedene Kriterien und Begriffe zur Beschreibung religiöser Phänomene liegen vor. Viele von ihnen sind allerdings selbst Produkte religiöser Sichtweisen und damit für das Beschreiben religiöser Phänomene auf wissenschaftlicher Grundlage von umstrittenem Wert. So beschreibt beispielsweise „Synkretismus“ die Vermischung religiöser Ideen, bezeichnet jedoch ursprünglich auch das Übersehen logischer Widersprüche und ist als Kampfbegriff verwendet worden. Dennoch gelten sie (vor allem in der Religionsphänomenologie) als zu vergleichenden Zwecken wertvoll.

Natürliche Religion

Auf die Philosophen der griechischen Antike Platon und Aristoteles gehen Vorstellungen im Zeitalter der Aufklärung über Natürliche Religion (bzw. Natürliche Theologie) zurück, die als Ursprung der geschichtlichen, mit Fehlern behafteten, Religionen gesehen wurde. Dagegen vertrat u. a. Friedrich Schleiermacher die These, dass es sich dabei um Abstraktionen vorhandener Religionen handelt. Diese Auffassung hat sich in der modernen Religionswissenschaft durchgesetzt.

Religion und Glaube

Besonders in der christlich-protestantischen Theologie wird im 20. Jahrhundert nach Karl Barth oft Glaube gegen Religion abgegrenzt. Barth sah Religion als eigenmächtigen Weg des Menschen zu Gott an und betonte, eine Erkenntnis des Willens Gottes gebe es nur im Glauben an Jesus Christus. Das Hören auf das Evangelium sprenge alle menschlichen Begriffe von Gott, alle ethischen Irrwege.

Dietrich Bonhoeffer übernahm die Unterscheidung und radikalisierte sie in seiner Frage nach einem Christentum ohne Religion, grenzte sich jedoch von einem „Offenbarungspositivismus“ Barths ab.[91] Gerhard Ebeling betonte ebenfalls die kritische Kraft des Glaubens gegen religiöse Festlegungen und Sicherheiten, sah aber Religion als Lebensbedingung des Glaubens an.

Theismus und Atheismus

Hinduistische Darstellung des Göttlichen in seiner Form als Ganesha

Die weitgefächerten Bandbreiten des Theismus schließen den Deismus, den Polytheismus, den Pantheismus bzw. Pandeismus und den Panentheismus bzw. Panendeismus mit ein, es werden gleichzeitig Überschneidungen und Abgrenzungen zum Agnostizismus und Atheismus beschrieben.

Religionen, deren Anhänger mehrheitlich an die eigene Verpflichtung, nur einem einzigen höchsten Gott ihre Verehrung zu erweisen, glauben, werden als monotheistisch bezeichnet. Damit ist nicht zwingend eine Annahme der Nichtexistenz anderer Götter verbunden, sondern eventuell auch ein Werturteil, eine Unterscheidung zwischen dem einen wahren Gott und den verschiedenen falschen Göttern (siehe auch: Schirk im Islam).

Solche, die von der Existenz mehrerer Götter ausgehen und ihnen eine Bedeutung für bzw. einen Einfluss auf ihr Leben zugestehen, werden polytheistisch genannt.[92]

Vorstellungen, denen zufolge das Göttliche bzw. Gott mit der Gesamtheit der Welt (dem Universum) identisch (und in der Regel nicht persönlich) ist, werden als pantheistisch bezeichnet.

Für einige Forscher, z. B. Ray Billington, gelten Religionen wie der Buddhismus, deren tradierte Vorstellungen und Riten im Kern nicht auf ein oder mehrere Götter ausgerichtet sind, in gewissem Sinn als atheistisch. Als Beispiele werden der Jainismus und der Buddhismus angeführt.[93] Die meisten lehnen es jedoch ab, diesen Begriff auf Weltanschauungen anzuwenden, in denen die Frage nach Gott keine Rolle spielt.

Kosmologie

Häufig vermitteln Religionen eine Vorstellung, wie die Welt entstanden ist (eine Schöpfungsgeschichte oder Kosmogonie) und ein Bild der letzten Dinge, eine Eschatologie.

Dazu gehören auch Antworten auf die Frage, was mit dem Menschen nach dem Tod geschieht. (Siehe auch: Seele.) Viele Religionen postulieren ein Dasein nach dem Tod und machen Aussagen über die Zukunft der Welt. Themen wie ReinkarnationNirwanaEwigkeitJenseitsHimmel oder Hölle, und was mit der Welt geschehen wird (WeltuntergangApokalypseRagnarökReich Gottes), sind in vielen Religionen zentral.[94]

Religiöse Spezialisten

Die meisten Religionen kennen Personengruppen, die die Religion überliefern, lehren, ihre Rituale ausführen und zwischen Mensch und Gottheit vermitteln. Beispiele sind Seher oder ProphetenPriesterPredigerGeistlicheMöncheNonnenMagierDruidenMedizinmänner oder Schamanen. Manche Religionen sprechen einzelnen dieser Menschen übernatürliche Eigenschaften zu.

Der Status dieser Personen variiert stark. Sie können innerhalb einer formellen Organisation tätig oder unabhängig sein, bezahlt oder unentgeltlich, können auf verschiedene Weise legitimiert sein und unterschiedlichsten Verhaltenskodizes unterliegen.

In einigen Religionen werden die religiösen Rituale vom Familienoberhaupt durchgeführt oder geleitet. Es gibt auch Religionen ohne spezifisch autorisierten Vermittler zwischen dem Übernatürlichen und dem Menschen.[95]

Spiritualität, Frömmigkeit und Rituale

Häufig pflegen Religionen und Konfessionen eine eigene Art von Spiritualität. Spiritualität – ursprünglich ein christlicher Begriff – bezeichnet das geistliche Erleben und den bewussten Bezug zum jeweiligen Glauben[96] im Gegensatz zur Dogmatik, die die festgesetzte Lehre einer Religion darstellt. Im heutigen westlichen Sprachgebrauch wird Spiritualität häufig als seelische Suche nach Gott oder einem anderen transzendenten Bezug betrachtet, ob im Rahmen von spezifischen Religionen oder jenseits davon. Häufig synonym verwendet wird der Begriff der Frömmigkeit, der jedoch heute eher im kirchlichen Kontext verwendet wird und zudem oft eine negative Konnotation im Sinne einer übertrieben bedingungslosen Hinwendung zur Religion hat.[96] In einigen Religionen finden sich Strömungen, deren Anhänger die Begegnung mit der Transzendenz oder dem Göttlichen in mystischen Erfahrungen finden.

Japanischer buddhistischer Mönch

Zu den religiösen Riten im weiteren Sinne gehören unter anderem GebetMeditationGottesdienstreligiöse EkstaseOpferLiturgieProzessionen und Wallfahrten. Darüber hinaus zählen dazu beispielsweise auch im Alltag gelebte Frömmigkeit wie das Geben von AlmosenBarmherzigkeit oder Askese.

Auch einige atheistisch-säkulare Weltanschauungen bedienen sich religiös anmutender Rituale. Beispiele sind die aufwändig inszenierten Aufmärsche und Feiern in sozialistischen oder faschistischen Staaten wie auch die zumindest zeitweilig in ihnen praktizierten (An-)Führerkulte. Die These, dass scheinbar nichtreligiöse Systeme sich religiöser Formen bedienen, wird wissenschaftlich diskutiert (siehe auch: Politische ReligionZivilreligionStaatsreligion bzw. Religio Athletae).[97]

Schismen und Synkretismen

Vielfach ist es in der Geschichte der Religionen zu Schismen (Spaltungen) gekommen. Neue Religionen entstehen in der Regel durch die Abtrennung einer Gruppe aus einer älteren Religionsgemeinschaft.[98]

Der Begriff Synkretismus beschreibt das Vermischen von Praktiken verschiedener Religionen. Es kann sich hierbei um den Versuch handeln, ähnliche Religionen (wieder) zu vereinen oder die Schaffung einer neuen Religion aus unterschiedlichen Vorgängern zu initiieren.[99]

Religion und Religiosität

→ Hauptartikel: Religiosität

Friedrich Schleiermacher

Insbesondere im Deutschen wird zwischen „Religion(en)“ und „Religiosität“ unterschieden. Während eine Religion die religiöse Lehre (→ Dogma) und die zugehörige Institution bezeichnet, bezieht sich Religiosität auf das subjektive religiöse Empfinden (Ehrfurcht vor dem „Großen Ganzen“, transzendente Welterklärung) und Wünschen (Erleuchtung, Religionszugehörigkeit) des Einzelnen.[100] Für Johann Gottfried Herder war Religiosität der Ausdruck für das echte religiöse Gefühl.[A 7] Im christlichen Kontext wir Religiosität häufig mit Glaube gleichgesetzt.[96]

In der deutschen Religionsgeschichte betonten vor allem die Romantik und der Pietismus die innere Haltung des Gläubigen. Der protestantische Theologe Friedrich Schleiermacher etwa schrieb in seiner Schrift Über die Religion[101] (1799): „Religion ist nicht Metaphysik und Moral, sondern Anschauen und Gefühl.“

Die Betonung des Gefühls ist auch für die mehr als 100 Jahre später vorgelegte Religionsauffassung des nordamerikanischen Philosophen und Psychologen William James[102] kennzeichnend: In seinem Werk The varieties of religious experience (1902) vermeidet der Pragmatiker eine allgemeine Definition des Begriffs Religion. Nach James ist religiöse Wahrheit nichts Übergeordnetes, dem Menschen Entzogenes. Sie zeigt sich vielmehr im Erleben des religiösen Menschen und wird durch das religiöse Gefühl erfahren, das sich durch die Verbindung mit einem religiösen Objekt bildet. Aufgrund der unterschiedlichen Gefühle, die von der Gewissheit der transzendentalen Bedeutung von Wörtern und Wahrnehmungen bis hin zum mystischen Gefühl der Verbundenheit mit dem Kosmos reichen, lassen sich verschiedene Formen von Religiosität beschreiben. Das tiefe religiöse Erleben übersteige einfache Moralvorstellungen. Für James sind erkenntnistheoretische Fragen und solche der Methodik sekundär. Er stützt seine Arbeiten allein auf Beschreibungen und Systematisierung religiöser Gefühle.

James’ Werk war bedeutsam für die Entwicklung der frühen Religionswissenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts. Während etwa Ernst Troeltsch versuchte, James‘ Beschreibungen für seine Theorie nutzbar zu machen, wurde James Ansatz von Religionspsychologen wie Wilhelm Wundt und Karl Girgensohn heftig kritisiert.

Der evangelische Theologe und Religionsphilosoph Rudolf Otto geht in seinem 1917 veröffentlichten Hauptwerk Das Heilige[103] davon aus, dass es eine besondere Anlage (sensus numinis) für das religiöse Gefühl gibt. Habe ein Mensch diese Anlage nur schwach ausgeprägt oder gar nicht, sei dieser als Religionskundler kaum geeignet. Das religiöse Gefühl sei von anderen Empfindungen zu unterscheiden, gleichwohl sei es möglich, Parallelen zum Erleben anderer Gefühle zu ziehen (z. B. ästhetische Gefühle). Otto nennt vier Momente, die für das Erleben des religiösen Gefühls typisch sind: Das Tremendum = Das Schauervolle, Das Majestas = Das Übermächtige, Das Energische = Die Kraft, Der Wille, Das Mysterium = Das „Ganz Andere“. Diese Momente ziehen sich durch die gesamte Religionsgeschichte. Ferner geht er davon aus, dass das religiöse Erleben, das zunächst affekthaft („irrational“) erfahren, nie „begriffen“, wohl aber durch kognitive Prozesse („Rationalisierung“) „versittlicht“ wird.

Auch Rudolf Ottos auf Gefühlen beruhendes Konzept des Heiligen hat damals eine lebhafte Diskussion ausgelöst. Während sich der Religionswissenschaftler Gustav Mensching in seiner Toleranzidee der Religionen von Otto anregen ließ, wurde Ottos Theorie von dem Wundt-Schüler Willy Hellpach als parapsychologisch verworfen. Heute spielt Otto in der Religionswissenschaft praktisch keine Rolle mehr. Vorstellungen vom Numinosen werden aber nach wie vor u. a. bedingt durch die tiefenpsychologischen Konzepte von Erik H. Erikson und C. G. Jung in alternativen Richtungen der Psychologie (z. B. transpersonale Psychologie) aufgenommen.

Seit der Aufklärung wird – vor allem im westlichen Kulturkreis – zwischen institutionalisierter Religion und persönlicher Haltung zum Transzendenten unterschieden. Hierdurch wird die individuelle Ausformung der Religiosität des Einzelnen begünstigt.[104] Daneben gibt es zunehmend Formen von Religion, die sich nur wenig auf den Lebensstil der Anhänger auswirken, weil diese nur zu bestimmten Gelegenheiten religiöse ‚Dienstleistungen‘ in Anspruch nehmen. Hierzu gehören auch Ansätze, nach denen Gruppen oder Individuen Ideen, Rituale usw. aus Religionen und anderen Weltanschauungen, u. a. esoterischen, neu zusammenstellen und auf ihre Bedürfnisse zuschneiden. Dieses eklektizistische Vorgehen wird von Vertretern traditioneller Religionen zuweilen „Patchwork-Religion“ oder „Supermarkt der Weltanschauungen“ genannt.[105]

Religion und Ethik

Bibel aus dem 16. Jh. – viele Religionen kennen Heilige Schriften, in welchen ethisches Verhalten festgelegt und über die Schrift weitergegeben wird

Zahlreiche alte Religionen hatten den Anspruch, menschliches Zusammenleben durch Gesetze zu regeln. Die meisten Religionen der Gegenwart haben ein ethisches Wertesystem, dessen Einhaltung sie fordern.

Dieses System von Wertvorstellungen umfasst Ansichten darüber, was richtig und falsch und was gut und böse ist, wie ein Angehöriger der jeweiligen Religion zu handeln und teilweise, wie er zu denken hat. Dem liegt zumeist eine bestimmte Auffassung über die Welt, die Natur und die Stellung des Menschen zugrunde. Obgleich sich diese Anschauungen historisch wandeln, stehen hinter solchen religiösen Pflichten in fast allen Religionen ähnliche ethische Prinzipien. Diese sollen das konfliktarme Miteinander der Mitglieder der Religionsgemeinschaft regeln, die Gesellschaft und zum Teil die Politik im Sinne der Religion beeinflussen und die Menschen individuell dem jeweiligen religiösen Ziel näher bringen. Zudem bieten sie für den Einzelnen einen moralischen Rahmen, der ihn psychisch und physisch stabilisieren kann, zu individueller und kollektiver Hilfsbereitschaft anhalten oder sogar zu gesellschaftlichen Verbesserungen beitragen kann.

Alle Weltreligionen und die meisten kleineren Religionen fordern Barmherzigkeit von ihren Mitgliedern. So ist im Islam z. B. vorgeschrieben, dass jeder einen festen Anteil seines Einkommens für soziale Zwecke spenden soll (Zakat). Im christlich geprägten Mittelalter hat die römisch-katholische Kirche Universitäten und Schulen gegründet, Hospitäler und Waisenhäuser unterhalten und für die Armenspeisung gesorgt. Ein Aspekt von Religion kann der Frieden stiftende sein, der in den meisten Religionen durch besondere Vorschriften über MitgefühlVergebung oder sogar Feindesliebe Ausdruck findet.[106]

In einigen Religionen sollen diese moralischen Gesetze der jeweiligen Überlieferung nach direkt dem Religionsstifter von der entsprechenden Gottheit überbracht worden sein und somit höchste Autorität besitzen. (Offenbarungsreligionen). Nach dieser Vorstellung sollen sich auch weltliche Herrscher den jeweiligen ethischen Anforderungen beugen. Gehorsam wird jeweils unter Androhung von diesseitigen oder jenseitigen Strafen gefordert oder als einziger Weg zum Heil dargestellt.[106] Auch Apostasie kann je nach Auslegung der Religion bestraft werden.

Häufig existieren noch weitere Regeln, die nicht direkt vom Stifter der Religion stammen, sondern aus den heiligen Schriften und anderen Tradierungen der jeweiligen Religion abgeleitet werden (z. B. TalmudSunna). Einige dieser Normen verloren im Laufe der historischen Entwicklung für viele Gläubige ihren Sinn und wurden in einigen Fällen den sehr unterschiedlichen Wertesystemen der entsprechenden Zeit angepasst. (Vgl. Reformjudentum.)[106]

Wie in allen Weltanschauungen gibt es auch in den Religionen einen Widerspruch zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Umsetzung. Während Machtmissbrauch und andere Missstände im Mittelalter und der frühen Neuzeit häufig zu Schismen und religiösen Erneuerungsbewegungen führten, haben sie gegenwärtig vielfach eine Abkehr von der Religion insgesamt zur Folge. Parallel zu Reformbestrebungen kommt es aber auch zu fundamentalistischen religiösen Interpretationen und Praktiken, die bis hin zu terroristischen Aktivitäten mit pseudoreligiöser Begründung reichen.[106]

Die stärkste Form des Versagens ethischer religiöser Normen stellen Religionskriege und andere Gewalttaten dar, die mit religiösen Auffassungen begründet werden. Dies werten Gläubige zumeist als Missbrauch ihrer Religion, während Religionskritiker von einer allen Religionen immanenten Tendenz zu Fanatismus und Grausamkeit ausgehen. Überdies ist umstritten, ob diese Geschehnisse notwendige Folge von Religionen sind.

Die Römisch-Katholische Kirche war für die Inquisition verantwortlich. Verbrechen im Namen der christlichen Religion waren die Kreuzzüge, die Hexenverfolgung, die Judenverfolgung, gewalttätige Formen der Missionierung oder religiös verbrämte, eigentlich politische Gräueltaten, wie die Tötung zahlreicher sogenannter Indios, Angehöriger indigener Völker Südamerikas während der Eroberung und in der Neuzeit teilweise die Unterstützung von Diktaturen und die ambivalente Rolle der Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus. Allerdings fanden sich bei all diesen Ereignissen auch immer wieder Kritiker aus den eigenen Reihen. Der Kirchen- und Religionskritiker Karlheinz Deschner hat in seinem auf zehn Bände angelegten Werk Kriminalgeschichte des Christentums ab 1986 eine Fülle historischen Materials zu diesem Thema ausgewertet und kommentiert.

Auch in jüngerer Zeit sind Gewalttaten partiell mit Religion verbunden: So werden seit der Begründung eines Gottesstaates, der Islamischen Republik Iran, Tausende von Menschen wegen sogenannter „Verbrechen gegen die Religion“ im Rahmen eines Rechtssystems, das auf einer speziellen Interpretation der Scharia beruht, inhaftiert, gefoltert und häufig sogar (medienwirksam öffentlich) hingerichtet. Frauen werden schon wegen einer Nichteinhaltung von Bekleidungsvorschriften bestraft, wegen „moralischer Vergehen“ in seltenen Fällen gesteinigt. Auch die Religionsgemeinschaft der Baha’i (und z. B. Homosexuelle) werden strafrechtlich und von den „Religionswächtern“ verfolgt. In Indien gibt es zunehmend Ausschreitungen von radikalen Hindus, vor allem gegenüber Muslimen.

Ethik der abrahamitischen Religionen

Jerusalem: Schnittpunkt der abrahamitischen Religionen

Die praktizierte Ethik im JudentumChristentum und im Islam unterscheidet sich unter anderem dadurch, ob die jeweilige Religion mit einem weiten individuellen Denk- und Handlungsspielraum, traditionell oder fundamentalistisch ausgelegt wird. Auch innerhalb der einzelnen Religionen gibt es unterschiedliche Schulen, welche die jeweilige Morallehre verschieden interpretieren und anwenden. So gibt es z. B. im Christentum Strömungen, die das Alte Testament aufgrund der darin sehr gewalttätig wirkenden Gottheit gering schätzen.

Die drei bedeutendsten Offenbarungsreligionen verbindet in ihren ethischen Systemen der Gedanke an eine Endzeit, allerdings ist das Judentum weniger jenseitsbezogen als die beiden anderen Religionen. Dieses lineare Verständnis von Zeit bedeutet, dass die Gläubigen im Diesseits nach den von ihrer Gottheit geforderten Regeln leben, um den Lohn dafür in einer späteren Zeit zu erhalten, wobei Gott auch im Diesseits schon wirken kann. Allerdings wird im Protestantismus zumeist die göttliche Gnade für ausschlaggebend gehalten, auch unabhängig von der Befolgung moralischer Postulate. Judentum und Islam haben mehr Rechtscharakter und ein umfassenderes System von rituellen Ge- und Verboten als das Christentum, was sich z. B. im hebräischen Wort für Religion, Tora (Gesetz), widerspiegelt. Ähnlich wie im Hinduismus gibt es genaue Anweisungen, wie die Handlungsweisen in der Gruppe sein sollen. In den christlichen Religionen sind heute, anders als im Römisch-Katholischen Mittelalter, u. a. durch Interpretationen biblischer Überlieferungen von Aussagen ihres Stiftersneuplatonische Einflüsse und Auswirkungen der Aufklärung in vielen Strömungen weniger rituelle Ge- und Verbote vorgegeben.

Jüdische Ethik

→ Hauptartikel: Jüdische Ethik

Thora – darin sind insgesamt 613 Thora-Gebote enthalten

Grundlegend für die jüdische Ethik sind die Thora, der Hauptteil der hebräischen Bibel, der Talmud – besonders die in ihm enthaltenen Pirkej Avot sowie die Halacha, ein seit 1500 Jahren stetig weiterentwickeltes Korpus von rabbinischen Aussagen. Auch heute noch wird die jüdische Ethik durch Äußerungen von Rabbinern der verschiedenen Richtungen des Judentums weiterentwickelt.

Zentral für die jüdische Ethik ist eine Stelle über die Nächstenliebe aus Levitikus (3. Buch Mose) 19, 18, die in deutscher Übersetzung etwa lautet: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du“. Weite Teile des Talmuds und auch vieles in der Tora sind Erläuterungen zur konkreten Umsetzung dieser Nächstenliebe.

Die jüdische Ethik ist ein zentraler Teil der jüdischen Philosophie. Insgesamt lässt sich keine allgemeine „jüdische Auffassung“ zu zeitgebundenen ethischen Fragen erkennen. Sehr unterschiedliche Antworten auf solche Fragen finden sich im Ultraorthodoxen JudentumOrthodoxen JudentumKonservativen JudentumJüdischen Rekonstruktivismus und Liberalen Judentum.

Christliche Ethik

→ Hauptartikel: Christliche Ethik

Die christlichen Hauptrichtungen (OrthodoxeRömisch-katholische und Protestantische Kirche) – wie auch andere christliche Gemeinschaften – fordern, dass der christliche Glaube mit einer moralischen Lebensführung verbunden wird. Dabei ist die Bandbreite dessen, was jeweils darunter zu fassen ist, auch innerhalb einer christlichen Religionsgemeinschaft bzw. Kirche häufig sehr groß. In der Theologie wird zwischen theoretischer Ethik und ihrer Umsetzung unterschieden. Es gibt gewisse Überschneidungen mit der biblischen Ethik, jedoch ist das Feld der christlichen Ethik weiter gefasst.[107]

In der christlichen Ethik existieren vorrangig zwei theoretische Positionen: der christlich teleologische Ansatz und der deontologische, d. h. die Pflichtenlehre, wobei häufig beide mit unterschiedlicher Gewichtung miteinander verbunden werden. Die Teleologie erörtert die Frage nach dem Sinn und Zweck, z. B. nach dem „Guten“, „Wahren“ oder nach dem „Ende“, das Christen erstreben sollen (in einigen christlichen Konzepten ist dies die „Vereinigung mit Gott“), während die christliche Deontologie Moral als Pflicht begreift, Gesetze oder andere religiöse Verordnungen zu erfüllen, vor allem die aus dem alttestamentlich-jüdischen Glauben übernommenen Zehn Gebote.

Islamische Ethik

Die erste Sure al-Fatiha→ Hauptartikel: Islamische Ethik

Die Ethik im Islam ist ähnlich wie im Judentum sehr stark an Gebote für fast alle Lebensbereiche gebunden. Der Koran gibt genaue Anweisungen für die Handlungen des Einzelnen in der Gruppe. Wichtig für den Islam ist eine kollektive Verantwortung für Gut und Böse. Dies wird beispielsweise in der Anweisung Das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten deutlich.[108] In Folge besteht die Möglichkeit einer unumschränkten Befehlsgewalt der Gemeinschaft (siehe auch Hisbah). Der Islam geht in seinen Hauptrichtungen Sunniten und Schiiten von der Prädestination (Vorherbestimmung) aus, die dem Individuum nur begrenzten Handlungsspielraum zugesteht. In fundamentalistisch ausgerichteten Staaten hat die Scharia als islamisches Recht eine wesentliche Bedeutung.[109]

Ethik (fern)östlicher Religionen

In den Religionen indischen Ursprungs wie dem BuddhismusHinduismusSikhismus und Jainismus besteht eine direkte Verbindung zwischen dem ethischen bzw. unethischen Verhalten einer Person und dessen Rückwirkungen im gegenwärtigen Leben und in künftigen Leben (Reinkarnation) bzw. in einer künftigen jenseitigen Existenz. Dieser Zusammenhang ergibt sich nicht indirekt durch das Eingreifen einer richtenden, belohnenden und strafenden göttlichen Instanz, sondern wird als naturgesetzlich aufgefasst. Eine Tat gilt als unweigerlich mit ihrer positiven oder negativen Auswirkung auf den Handelnden verknüpft (Karma-Konzept). Daher werden die ethischen Regeln an einer angenommenen universalen Gesetzmäßigkeit bzw. einem Weltprinzip ausgerichtet, das im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus Dharma genannt wird. Aus diesem Prinzip werden detaillierte ethische Anweisungen abgeleitet.[110]

Von den Anhängern der Religionsgemeinschaften wird erwartet, die Gesetzmäßigkeiten des Daseins zu erkennen und entsprechend zu handeln. In manchen Fällen sanktioniert die Gemeinschaft Verstöße gegen die Regeln, doch weit wichtiger sind für das Individuum die angenommenen negativen Konsequenzen von Übeltaten in einer künftigen diesseitigen oder jenseitigen Existenzform.

Gemeinsam ist diesen Religionen der Ansatz, den mentalen Ursachen unerwünschter Handlungen konsequent nachzuforschen, um sie in einem möglichst frühen Stadium beeinflussen zu können.

Eine zentrale Rolle spielt in der Ethik dieser Religionen die Auseinandersetzung mit der Gewaltfrage. Gemeinsam ist ihnen ein grundsätzliches Bekenntnis zum Ideal der Gewaltlosigkeit (Ahimsa, „Nicht-Gewalt“). Da kein prinzipieller Unterschied zwischen dem Menschen und anderen Lebensformen gemacht wird, erstreckt sich die Forderung der Gewaltlosigkeit auch auf den Umgang mit Tieren und zumindest theoretisch sogar mit Pflanzen. Eine konsequente Umsetzung des Gewaltlosigkeitsideals scheitert jedoch an dem Erfordernis, das eigene Überleben auf Kosten anderer Lebensformen zu sichern und gegen Angriffe zu verteidigen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von Konzessionen und Kompromissen, die in den einzelnen Religionen bzw. Strömungen unterschiedlich ausfallen. Die Frage nach der Zulässigkeit defensiver Gewalt und nach ihrer Legitimierung im Einzelfall wurde und wird kontrovers diskutiert.[111]

Sehr unterschiedlich ist auch die Umsetzung in der Praxis der Religionsanhänger. Entgegen einem im Westen verbreiteten Irrtum verbietet weder der Hinduismus noch der Buddhismus oder der Jainismus die Anwendung militärischer Gewalt unter allen Umständen. Daher sind Kriege, die von Anhängern dieser Religionen geführt wurden und werden, nicht notwendigerweise Verstöße gegen religiöse Pflichten.[112] Außerdem gelten in allen Gemeinschaften für Mönche und Nonnen weit strengere Ethikmaßstäbe als für Laienanhänger.

Eine andersartige Position nimmt der in China entstandene Daoismus ein. Er nimmt mit dem Dao zwar auch ein universales Weltprinzip an, aber das heilige Buch Daodejing, betont, dass die Weltordnung hinsichtlich des ethischen oder unethischen Verhaltens der Individuen indifferent sei. „Himmel und Erde“ belohnen weder gute Taten noch bestrafen sie schlechte, das Dao richtet sich nicht nach menschlichen Vorstellungen von Gut und Böse. Ethisches Verhalten ergibt sich aus der Sicht des Daoismus nicht aus Tugendlehren, wie sie der Konfuzianismus vertritt, sondern unmittelbar aus einem spontanen Impuls des autonomen Individuums, das seiner eigenen Natur folgt, soweit es nicht von außen daran gehindert wird. Trotzdem gibt es im späteren religiösen Daoismus auch ethische Lehren. Der Alchemist Ge Hong beispielsweise vertrat konfuzianische Tugenden und der Quanzhen-Daoismus übernahm eine buddhistische Ethik für Mönche und Nonnen. Desgleichen sind die Priester des Daoismus, die Daoshi, angehalten, die Reinheit von Denken und Glauben zu praktizieren und ein integres Leben zu führen.[113] Der Daoismus missbilligt Kriegführung, verwirft sie aber nicht absolut im Sinne eines radikalen Pazifismus.[114]

Näheres zu den einzelnen Religionen findet sich in den folgenden Hauptartikeln:→ Hauptartikel: Buddhistische Ethik→ Hauptartikel: Daoistische Ethik→ Hauptartikel: Hinduistische Ethik→ Hauptartikel: Jainistische Ethik→ Hauptartikel: Konfuzianische Ethik→ Hauptartikel: Ethik des Shintō→ Hauptartikel: Ethik des Sikhismus

Ethik traditioneller indigener Kulturen

Auch indigene Kulturen weisen verschiedenste Moralsysteme auf, welche die Gemeinschaft schützen sollen. Da nur durch ein funktionierendes Sozialbewusstsein das Überleben der Gruppe gesichert werden kann, bildet die Übung prosozialen Verhaltens den Schwerpunkt mündlich weitergegebener Überlieferungen. Häufiger als in komplexeren Kulturen werden unmittelbare übernatürliche Konsequenzen von Regelverstößen erwartet.Siehe auch: Ethnische Religionen und Tabu

Religion und Kunst

Zahlreiche Kunstformen hatten zunächst eine religiöse Hauptbestimmung und verselbstständigten sich erst danach. Klassisches Beispiel ist das abendländische Theater, das aus dem antiken athenischen Dionysos-Kult hervorgegangen ist.

Religionen haben oftmals einen zentralen Einfluss auf die Kulturproduktion einer Gesellschaft und die Entwicklung der bildendendarstellenden und angewandten Künste ausgeübt. Wie weit dieser Einfluss sich tatsächlich auf die künstlerische Arbeit auswirkt, hängt stark von dem Wertesystem und bestimmten theologischen Konzepten der jeweiligen Religion ab. In der Bildverehrung wird das oftmals künstlerisch ausgestaltete Abbild religiöser Szenen oder Motive zu einem wesentlichen Bestandteil des religiösen Ritus und führt mitunter zu der Ausbildung spezifischer künstlerischer Traditionen. Ebenso wirkt die Ausgestaltung von Sakralbauten und Kultgegenständen (wie Reliquiaren oder sakralem Gerät) auf die Entwicklung architektonischer und handwerklicher Traditionen ein, die später mitunter in die säkulare Kunst übernommen werden.

In vielen Religionen waren und werden den Künsten zugleich thematische oder formale Restriktionen auferlegt. Dies kann daraus abgeleitet werden, dass bestimmte Kunstformen – vor allem der bildenden und der darstellenden Kunst – als zu weltlich empfunden werden, aber auch aus spezifischen theologischen Konzepten, am strengsten im Bilderverbot mancher Religionen; dies kam nicht selten der Ausbildung des Ornaments und der Kalligrafie zugute. Kunstwerke können sogar als blasphemisch verteufelt werden. Die Ablehnung bekämpfter religiöser Anschauungen führte zum Beispiel zum byzantinischen Ikonoklasmus, zum Reformatorischen Bildersturm oder zur Sprengung der Buddha-Statuen von Bamiyan durch die Taliban.

Seit in der Neuzeit in vielen Gesellschaften die Kunst weitgehend als autonom betrachtet wird und Kunstwerke gemäß der Kunstfreiheit behandelt werden, kommt es immer wieder zu Fällen, in denen Werke durch die Vertreter einer Religion als anstößig empfunden und zu symbolischen Auslösern gesellschaftlicher oder sogar politischer Konflikte werden.

Religion und Recht

So wie Religion ethische Urteile beeinflusst, so beeinflussen religiöse Überzeugungen auch das Rechtssystem. Beispielsweise stellte der Bundesgerichtshof in einem Gutachten von 1953 fest, dass die Familie „von Gott gestiftet“ sei. Im gleichen Gutachten erklärte das Gericht den Mann kraft Schöpfung zum Oberhaupt der Familie und die Frau zuständig für die Kinder.[115] Die Rechtsprechung wurde dadurch direkt durch religiöse Überzeugungen bestimmt. Auch wenn der Einfluss der Religion auf das Recht durch die Säkularisierung in den meisten westlichen Ländern weitgehend reduziert wurde, so ist die Rechtsprechung in vielen traditionelleren Gesellschaften immer noch massiv von religiösen Werten bestimmt. Ein prominentes Beispiel ist die Scharia in muslimischen Ländern.

Religion und Wirtschaft

Ein wirtschaftlicher Faktor, der mit Religion in Zusammenhang steht, ist die Kreativität einer Region. So wurde für ca. 3.000 US-amerikanischen Counties der Anteil der Personen, die der kreativen Klasse angehören, mit der Präsenz von Religionen im betreffenden County verglichen. Es zeigte sich, dass ein moderat negativer Zusammenhang zwischen Religion und kreativer Klasse besteht: Je religiöser ein County, desto geringer der Anteil der kreativen Klasse. Der negative Zusammenhang blieb auch bestehen, wenn man andere Faktoren wie Bildung, Einkommen, politische Orientierung, Grad der Verstädterung und vorherrschende Industrie berücksichtigte. Der Autor interpretiert dieses Ergebnis dahingehend, dass Religiosität hinderlich für ein kreatives Milieu ist.[116]

Das Institut für Trend- und Wirtschaftsforschung (ITZ) behauptet: „Religion wirft ihre archaische Verwurzelung in der Kirche und im Glauben ab und wird als spiritueller Erlebnismarkt wiedergeboren. Religion im postmodernen Gewand des irgendwie Spirituellen wird deshalb tendenziell zu einer Frage der persönlichen Lebensstilentscheidungen. Religion wird individualisiert, personalisiert und nach innen gekehrt: My personal Jesus, mein Gott für bestimmte Lebenslagen. Durch diesen sozialgeschichtlich dramatischen Wandel wird Spiritualität zu einem Wachstumsmarkt, auf dem sich nicht mehr nur Amtskirche und Prediger tummeln, sondern die gesamte medialisierte Erlebnisgesellschaft des 21. Jahrhunderts.“[117]

Nachschlagewerke

Gesamtdarstellungen / Überblick

Religionsgeschichte

  • Peter AntesGrundriss der Religionsgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-016965-3.
  • Hubert Cancik (Hrsg.): Die Religionen der Menschheit. 36 Bände, Kohlhammer, Stuttgart 1979 (fortlaufend überarbeitet).
  • Mircea EliadeGeschichte der religiösen Ideen. 4 Bände, Herder, Freiburg i. Br. 2002, ISBN 3-451-05274-1.
  • Julia Haslinger: Die Evolution der Religionen und der Religiosität. In: Sociology in Switzerland. Sociology of Religion. Zürich 2012 (PDF; 610 kB).
  • Karl-Heinz Golzio: Who’s who der Religionsstifter. Kreuz, Stuttgart/Zürich 2002, ISBN 3-7831-2106-X.
  • Jörg RüpkePantheon. Geschichte der antiken Religionen. C.H. Beck, München 2016.
  • Ina Wunn u. a.: Die Religionen in vorgeschichtlicher Zeit. Kohlhammer, Stuttgart 2005, ISBN 3-17-016726-X.
  • Ina Wunn: Die Evolution der Religionen. Habilitationsschrift, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Hannover, 2004 (PDF–Version (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) – keine Mementos).

Religionstheorien / systematische Religionsforschung

Ethik / Philosophie / Recht

Weblinks

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Religion im AnthroWiki:

Religion (latreligio, von religere, „immer wieder lesen“, oder religare, „zurückbinden“) bedeutet ganz allgemein die Verbindung des Menschen mit einem Göttlichen, mit der geistigen Welt. Die konkreten Religionen systematisch empirisch und historisch zu erforschen ist Aufgabe der Religionswissenschaft.
„Alle freie Religiosität, die sich in der Zukunft innerhalb der Menschheit entwickeln wird, wird darauf beruhen, daß in jedem Menschen das Ebenbild der Gottheit wirklich in unmittelbarer Lebenspraxis, nicht bloß in der Theorie, anerkannt werde. Dann wird es keinen Religionszwang geben können, dann wird es keinen Religionszwang zu geben brauchen, denn dann wird die Begegnung jedes Menschen mit jedem Menschen von vornherein eine religiöse Handlung, ein Sakrament sein, und niemand wird durch eine besondere Kirche, die äußere Einrichtungen auf dem physischen Plan hat, nötig haben, das religiöse Leben aufrechtzuerhalten. Die Kirche kann, wenn sie sich selber richtig versteht, nur die eine Absicht haben, sich unnötig zu machen auf dem physischen Plane, indem das ganze Leben zum Ausdruck des Übersinnlichen gemacht wird.“ (Lit.:GA 182, S. 145f)

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Das Christentum (von griech. Χριστιανισμός Christianismós) ist mit über 2,1 Milliarden Anhängern vor dem Islam (ca. 1,3 Milliarden) und dem Hinduismus (rund 800 Millionen) die größte Religion der Erde. Durch Missionierung bzw. Christianisierung, die teils friedlich, teils aber auch gewaltsam erfolgte, verbreitete sich das Christentum auf allen Kontinenten.

„Wenn aber die Religion aufgehen wird in der Erkenntnis, wenn dem Menschen nicht mehr nach der alten Form Religion gegeben sein wird, daß er bloß dem Glauben nach auf die Weisheit hingewiesen sein wird, welche die Evolution leitet, wird dann auch das Christentum nicht mehr sein? Keine andere Religion wird sein, die auf bloßen Glauben gebaut ist. Das Christentum wird bleiben, denn das Christentum ist zwar in seinem Anfang Religion gewesen, aber das Christentum ist größer als alle Religion! Das ist die Rosenkreuzerweisheit. Umfassender war das religiöse Prinzip des Christentums in seinem Anfange als das religiöse Prinzip aller anderen Religionen. Aber das Christentum ist noch größer als das religiöse Prinzip selbst. Wenn die Glaubenshüllen fortfallen werden, wird es Weisheitsform sein. Es kann ganz und gar die Glaubenshüllen abstreifen und Weisheitsreligion werden, und dazu wird Geisteswissenschaft helfen, die Menschen vorzubereiten. Die Menschen werden ohne die alten Religions- und Glaubensformen leben können, aber sie werden nicht leben können ohne das Christentum; denn das Christentum ist größer als alle Religion. Das Christentum ist dazu da, alle Religionsformen zu sprengen, und das, was als Christentum die Menschen erfüllt, das wird noch sein, wenn die Menschenseelen hinausgewachsen sind über alles bloße religiöse Leben.“ (Lit.:GA 102, S. 115f)

„Nach dem Christentum – das ist ganz klar für den, der die Begründung des Christentums kennt – kann eine neue Religion nicht mehr begründet werden. Man würde das Christentum unrichtig verstehen, wenn man glauben würde, daß eine neue Religion begründet werden könne.“ (Lit.:GA 211, S. 139)

„Das Christentum hat begonnen als Religion, aber es ist grösser, als alle Religionen. Das, was das Christentum gibt, wird mitgenommen werden in alle Zeiten der Zukunft und wird noch einer der wichtigsten Impulse der Menschheit sein, wenn es keine Religion mehr geben wird. Selbst wenn die Menschen das religiöse Leben überwunden haben werden, wird das Christentum doch bleiben. Daß es erst Religion war, hängt mit der Entwickelung der Menschheit zusammen; aber das Christentum ist als Weltauffassung größer als alle Religionen.“ (Lit.:GA 102, S. 161)

„Vor Raffaels Blick mag gestanden haben, was in der Apostelgeschichte steht: Wie einer unter die Athener tritt und sagt – sogar die Gebärde ist dort dargestellt -: Ihr Leute von Athen, ihr habt den Göttern Opfer gebracht in äußeren Zeichen. Es gibt aber eine Erkenntnis jenes Gottes, der in allen Leben lebt und webt. Das ist der Christus, der durch den Tod gegangen und auferstanden ist, und der dadurch den Menschen den Impuls gegeben hat zur Auferstehung. – Die einen hörten nicht zu und die anderen fanden es sonderbar. In Raffaels Gemüt wurde das zu jenem Bilde, das wir heute im Vatikan finden, das den unrichtigen Namen trägt «Die Schule von Athen». In Wirklichkeit zeigt es die Gestalt des Paulus, die Athener belehrend über das Grundwesen des Christentums. Da hat Raffael etwas gegeben, was wie eine Heroldschaft des über den Konfessionen stehenden Christentums erscheint. Wenig ist das verstanden worden bisher, der tiefe Sinn dieses Bildes ist den Menschen noch nicht aufgegangen.“ (Lit.:GA 143, S. 178)

„Über dieses Bild, das man oftmals – aber erst später – «Schule von Athen» genannt hat, haben die Leute im Laufe der Zeit alles mögliche darübergemalt, und so ist ja bei dem einen Mann, der in der Mitte steht, «Etica» auf das Buch daraufgemalt, bei dem anderen «Timeo», das alles ist erst später darübergemalt. Das Bild ist vielfach ruiniert, und man bekommt natürlich heute in Rom nicht mehr eine richtige Vorstellung von dem Bilde, wie es ursprünglich war. Zu Raffaels Zeiten hat man das niemals «Die Schule von Athen» genannt, sondern das ist erst später gekommen; aber dann haben die Leute Theorien darüber gemacht.“ (Lit.:GA 292, S. 266)

„Wenn wir das eine Bild betrachten, die sogenannte «Schule von Athen» – es ist nicht meine Ansicht, daß diese Bezeichnung berechtigt ist, aber man verständigt sich so am leichtesten -, wenn man dieses Bild auf sich wirken läßt, sieht man, vielleicht ohne daß es voll im Bewußtsein Raffaels gelebt hat, daß es darstellt, was die menschliche Seele erkennen kann, wenn sie den Blick auf die äußere sinnliche Wirklichkeit hinrichtet und sich des Verstandes bedient, der an das menschliche Gehirn, die menschliche Persönlichkeit gebunden ist. In allen Einzelheiten tritt uns das in wunderbarer Weise entgegen. Wenn wir den Blick hinwenden nach der rechten Gruppe des Bildes, sehen wir, wie astronomisch allerlei Dinge festgestellt, errechnet werden, und dann fühlen wir: Da wird nicht nur Gewöhnliches gerechnet, sondern es werden aus der Bewegung der Sterne große Ereignisse der Weltgeschichte erschlossen; da wird Wissenschaft im kosmischen Sinn entfaltet. Und wenn wir dann den Blick nach links wenden und sehen an den Mienen, die das Rechte mit dem Linken verbinden, wie links aufgeschrieben wird, was rechts abgelesen wird aus den Sternkonstellationen und wie, wenn wir die Bücher wirklich vor unsere Augen bekommen könnten, auf der linken Seite geschrieben werden Weltengeheimnisse, die durch sinnenfällige Beobachtung festgestellt werden, da sehen wir: Raffael braucht sich nicht dessen bewußt gewesen zu sein, aber darin lag die Tradition der damaligen Zeit, wie in sie tief hineingeheimnißt worden ist das, was das Wesen des [aufgehenden Christentums gegenüber dem Griechentum] ausmacht. Und ob wir uns auf den Standpunkt derjenigen stellen, die in der Mittelfigur Plato und Aristoteles sehen, oder daß wir es auf der linken Seite mit einem Evangelisten zutun haben: in beiden Fällen ist das jetzt Auseinandergesetzte durchaus verständlich.“ (Lit.: aus: Raffael im Lichte der Geisteswissenschaft, Öffentlicher Vortrag. München, 11. März 1913 Beiträge 82, S. 7)

Paulus ist also derjenige links in der Mitte im roten Gewand, meist als Platon aufgefaßt (wegen des Timaios in seiner Hand), mit den Zügen Leonardo da Vincis (vgl. Die Schule von Athen).

 

Die indische Göttin Maya (Sanskrit, f., माया, māyā, Illusion, Zauberei; wörtl. das große Nichtsein, aus mahat =groß, a = nicht, Verneinung und ya = sein) enthält mehrere Ideen. Sie ist eine kreative Energie (Prakriti), ein Status der geistigen Verblendung und eine personifizierte Gottheit. Die Göttin wird auch Mahamaya genannt („große Maya“) und gilt auch als Form von Devi. In abstrahierter Form spielt Maya auch in der indischen Philosophie eine große Rolle, vor allem im Vedanta.

Aus geisteswissenschaftlicher Sicht ist Maya die große Täuschung, die dadurch entsteht, dass einerseits nach außen zu der Schleier der sinnlichen Welt den Durchblick auf ihren geistigen Hintergrund verdunkelt.

„Nicht die Welt als solche, die auf unsere Sinne einwirkt, die wir erfassen mit unserem Verstande, ist eine Maya; diese Welt ist in dem innersten Wesen wahrhaftige Wirklichkeit. Aber die Art, wie sie der Mensch anschaut, wie sie dem Menschen erscheint, das macht die Welt zur Maya, das macht sie zur großen Täuschung. Und wenn wir durch unsere innere Seelenarbeit dahin kommen, zu dem, was uns die Sinne zeigen, zu dem, was uns unser Verstand sagt, die eigentlich tieferen Grundlagen zu finden, dann werden wir bald einsehen, inwiefern die äußere Welt als eine Täuschung aufgefaßt werden kann. Denn dann erscheint sie uns in ihrem wahren Lichte, erscheint sie uns in der Wahrheit, wenn wir sie überall zu ergänzen, zu durchdringen wissen mit dem, was uns gegenüber der ersten Betrachtung, die wir der Welt zuwenden, verborgen sein muß.“ (Lit.: GA 161, S 65f)
Nach innen zu legt sich anderseits als zweiter Schleier unser Seelenleben über die geistige Welt.
„Eine zweifache Maya haben wir: die äußere Maya der Sinnenwelt und die innere Maya des Seelenlebens.“ (Lit.: GA 113, S 66f)

Mythologie

Als Göttin ist sie die Weltenmutter, Schöpferin des Universums, das Universum selbst und Göttin der Illusion, die dieses Universum gemäß dem Hinduismus darstellt. Sie gilt auch als Shakti, (Kraft, Energie), die in unterschiedlichen Gestalten erscheint, z.B. als LakshmiSarasvati und Durga und durch die die männlichen Götter ihre kreative Energie empfangen.
Sie tritt auf als Weltenweberin, die sich selbst erschafft, denn alles was manifestiert ist, ist Maya.
Es gibt im Hinduismus verschiedene Mythen um das Entstehen der Maya. Eine Version besagt, sie sei dem auf der Weltenschlange ruhenden Vishnu entsprungen und das Glühen von Shivas und Vishnus Gesichtern habe einen Glanz hervorgebracht, der die Welten erfüllt habe und aus diesem sei Maya entstanden. Alle Gottheiten und die Gestirne hätten zu ihrem Entstehen und ihrer prächtigen Erscheinung beigetragen, sie sei mit Schmuck und Waffen ausgestattet worden und habe einen Löwen als Reittier erhalten und in dieser Form habe sie den Stierdämon Mahisha, der die Herrschaft an sich reißen wollte, besiegt.
In einem anderen Mythos besingt selbst Brahma die Unfassbarkeit Mayas, sie erscheint hier als Göttin des Absoluten und der Ewigkeit, da es nichts gibt, was nicht Maya ist.
Die Symbole Mayas sind die sieben Farben des Regenbogens, der Schleier und das Spinnennetz.
Im Vishnuismus erscheint Maya als die Zauberkraft des Vishnu zur Schöpfung der Welt, die untrennbar mit ihm verbunden ist.
Im Hinduismus gilt Maya auch als die Versucherin und Verblenderin, die den Geist der Menschen mit ihren Illusionen verlockt, betört und bezaubert.

Philosophie (Hinduismus)

Insbesondere im Advaita Vedanta stellt Maya die Illusion des begrenzten, verblendeten Ich dar, das die Realität als nur physisch und mental versteht und das wahre SelbstAtman, das eins mit Brahman ist, nicht erkennt. Um Moksha (Erlösung) zu erreichen, muss Maya überwunden werden.
Nach Gaudapada (7.Jh.), dessen Denken einen buddhistischen Einfluss verrät, existieren tatsächlich nur Brahman und Atman, alle Vielheit oder Dualität ist ein Traum, eine durch Maya bedingte Scheinmanifestation des unveränderlichen, verharrenden Seins. Bei Shankara (8. Jh.) ist Maya ein unerklärlicher Faktor, weder seiend noch nicht-seiend, der die Beschränktheit unseres Wissens ausdrückt. Solange wir meinen, die Welt mit unserem Denken zu erkennen, erkennen wir Brahman (das Absolute) nicht, und wenn wir intuitiv Brahman schauen, existiert die Welt für uns nicht. Maya wird als Kraft des menschlichen Geistes gesehen, die Täuschungen hervorruft und mit Unwissen verbunden ist.
Ebenso wie die Erkenntnis des Seils als Seil die Illusion es sei eine Schlange zerstört, so wird Maya durch die unmittelbare Erfahrung des absoluten Brahman, des Einen ohne ein Zweites, zerstört. Maya besteht aus den drei Gunas (Eigenschaften), sie ist feinstofflich und jenseits aller Wahrnehmungen. Aus ihr entsteht das ganze Weltall. Sie ist der Kausalkörper des Atman (absoluter Wesenskern des Menschen). Nach Shankara haben die grobstofflichen und feinstofflichen Elemente ihre Ursache in Atman, sind jedoch von ihm verschieden. Die Maya ist so unwirklich wie eine Fata Morgana in der Wüste.
Vallabha hingegen lehrte den „reinen Monismus“ (Shuddhadvaita), d.h. einen von jeder Maya-Doktrin freien Advaita. Seiner Ansicht nach offenbart sich Gott in einer vielheitlichen Welt, ohne sich jedoch dadurch zu verändern.
In den zeitgenössischen Strömungen des Vedanta, wird wie von Chinmayananda die Ansicht vertreten, Maya sei die unerklärliche, unfassliche Kraft des Höchsten. Diese ist ihm inhärent, untrennbar wie die Hitze vom Feuer: so wie wir nicht Feuer als Ding an sich haben können, nach dem Entfernen der Hitze und so wie Hitze keine unabhängige Existenz haben kann, wenn das Feuer-Element entfernt wird, ist Maya mit dem Höchsten Sein untrennbar verbunden. Im menschlichen, unwissenden Geist ist sie für die Täuschungen und Illusionen verantwortlich.
In der dualistischen Samkhya-Philosophie stellt sich die Frage, wie sich die Welt aus dem Absoluten generiert nicht in der selben Form, da mit Prakriti (Urmaterie), dem Pendant zu Maya, ein unabhängiges Prinzip neben Purusha (dem Pendant zu Brahman) existiert.

 

Weltreligion

Die Welt: vorherrschende Religionen nach Staaten

Bei der Bezeichnung Weltreligion handelt es sich um einen Begriff, der ein grobes Raster über vielfältige Religionen stülpt, die sich beispielsweise durch die hohe Anzahl ihrer Anhänger, die überregionale Verbreitung und/oder ihren universalen Anspruch auszeichnen.

Eine klare Definition ist allerdings schwer zu leisten. Daher sind Auflistungen der Weltreligionen stets einer gewissen Willkür unterworfen. In der Religionswissenschaft wird die Anwendung des Begriffes vermieden, um Definitionsproblemen zu entgehen.

Inhaltsverzeichnis

Weltreligionen

Religionskarte von 1881. Aus: Andrees Handatlas

Die folgenden fünf existierenden Religionen werden im Allgemeinen als Weltreligion bezeichnet (Anhänger nach Encyclopædia Britannica 2005):

Erweitertes Schema:

  • Daoismus (Zahl der Anhänger in fünf Staaten schwer zu erfassen, da meist vermischt mit anderen Religionen, etwa 8 Mio. Anhänger auf Taiwan, je nach Schätzung bis zu 60 Mio. Anhänger in der VR China; die Encyclopædia Britannica gibt nur knapp 3 Mio. an)
  • Bahai (etwa 7 Mio. Anhänger, weltweite Verbreitung)
  • Konfuzianismus (etwa 6 Mio. Anhänger)

Trotz seines universellen Selbstverständnisses fällt das Judentum zahlenmäßig stark von den anderen hier genannten Weltreligionen ab. Während Christentum und Islam aktive Missionierung betreiben, findet dies im Judentum aus verschiedenen religions- und kulturgeschichtlichen Gründen nicht statt. Zugleich hat der jüdische Glaube aber eine große kulturprägende Bedeutung, da auch Christentum und Islam auf den abrahamitischen Monotheismus aufbauen. Eine Konversion zur jüdischen Religion (Gijur) ist jedoch prinzipiell möglich. Im Hinduismus ist die Religion an eine enge Sozialstruktur gebunden (Kaste). Daher ist der Hinduismus trotz der hohen Anzahl der Gläubigen regional stark gebunden. Die religiöse Institutionalisierung ist im Hinduismus relativ wenig ausgeprägt.
Aufgrund des universellen Geltungsanspruchs kann jeder Interessierte einer Weltreligion beitreten. Da keine Verbindung mit Verwandtschaftsstrukturen vorliegt, ist nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm, Klan oder Volk erforderlich. Die wesentlichen Inhalte der Religion sind kanonisiert und liegen als Heilige Schrift vor. Theologische Reflexion und metaphysische Spekulation gehören zum Wesen einer Weltreligion. Bei den meisten Weltreligionen haben sich im Laufe der Zeit religiöse Institutionen herausgebildet. Zu der Frage, wie viele Anhänger eine Religion haben muss, um als Weltreligion zu gelten, gibt es keinen Konsens. Verschiedentlich wird auch das Alter einer Religion als Kriterium genannt. Demnach werden im 20./21. Jahrhundert entstandene Religionen als „Neue religiöse Bewegungen“ bezeichnet.

Eine ganz enge Auffassung des Begriffes Weltreligion würde nur den Buddhismus, das Christentum und den Islam umfassen, die bisweilen auch als Universalreligionen bezeichnet werden:[1] Ihr universeller Geltungsanspruch war bereits bei Gründung der Religion präsent, eine weltweite Verbreitung liegt vor, die Anzahl der Anhänger ist sehr hoch und die Religion ist bereits sehr alt.

Viele Wissenschaftler zählen aufgrund seiner großen Bedeutung in China und Korea auch den Daoismus dazu. Die Einordnung des Konfuzianismus ist insofern umstritten, als der religiöse Konfuzianismus nicht sehr viele Anhänger aufweist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass das westliche Verständnis von Religion beim Konfuzianismus (der primär eine Sittenlehre ist) ohnehin nicht greift. Vereinzelt werden die Bahai aufgeführt, jedoch nur von Autoren, die nicht alle Religionen, die nach dem Sikhismus entstanden sind, grundsätzlich als „Neue religiöse Bewegungen“ klassifizieren. Ohne Zweifel handelt es sich bei den Bahai um eine Religion mit universellem Anspruch, religiösen Institutionen, Heiliger Schrift etc. Lediglich die geringe Anhängerschaft spricht gegen ein Hinzurechnen zu den Weltreligionen. Beim Sikhismus wird der universelle Anspruch in Zweifel gezogen.

Dies zeigt, dass der Begriff „Weltreligion“ nicht sehr trennscharf ist und unterschiedlich angewandt wird. In der Religionswissenschaft wird der Begriff Weltreligion aus diesem Grunde immer mehr ersetzt durch Religionen der Welt. Dieser orientiert sich primär an der Anzahl der Anhänger und schließt schriftlose Religionen nicht aus.

Volksreligionen

Die beiden Weltreligionen Hinduismus und Judentum werden manchmal auch (große) Volksreligionen genannt. Weitere große Volksreligionen sind beispielsweise der Daoismus bzw. chinesischer Universalismus und Shintoismus. Die Volksreligionen werden auch den ethnischen Religionen zugerechnet,[2] obwohl dieser Begriff zumeist nur für die kleinen lokalen Religionen indigener und traditioneller Gesellschaften verwendet wird. Sie alle sind sehr stark an ein bestimmtes Volk und seine Kultur gebunden. Die Gläubigen werden in diese Religionen hineingeboren; in aller Regel kann man ihnen nicht nachträglich beitreten, und es besteht kein missionierender Anspruch.[1]

Staatsreligion

Als Staatsreligion wird eine Religion bezeichnet, der innerhalb eines Staates eine vorrangige Stellung gegenüber anderen Religionen eingeräumt wird, was oft auch mit einer finanziellen Bevorzugung einhergeht. Die Verbindung zwischen Staat und Religion kann dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Zumeist wird die individuelle Religionsfreiheit garantiert. In einigen islamischen Staaten wie z.B. im Jemen oder in Saudi-Arabien ist die Verflechtung von Staat und Religion allerdings enger und die religiöse Freiheit entsprechend eingeschränkt.

Forschungsgeschichte

Der Soziologe Max Weber definiert 1915 fünf Weltreligionen: die konfuzianische, hinduistische, buddhistische, christliche und islamische Ethik. Als sechste Religion komme das Judentum mit hinzu, weil es für das Verständnis der beiden letzten Religionen wichtig sei. Auf den Daoismus geht er ein, jedoch bezeichnet er ihn als Heterodoxie (Andersglaube, Häresie) zum Konfuzianismus.

Einen wesentlichen Beitrag lieferte der Religionswissenschaftler Gustav Mensching (1901-1978), der 1938 betont, dass in der Frühgeschichte des Menschen die Volksreligionen, die sich auf Familie, Sippe, Stamm oder Volk begrenzen, vorherrschend waren. Erst wenn sie den „Menschen schlechthin und nicht den bestimmten Volksgenossen“ ansprechen, werden sie zur Universal- oder Weltreligion. Universalreligionen gehen davon aus, dass sich der Einzelne in einer „generellen und existentiellen Unheilssituation“ befindet, aus der er befreit bzw. erlöst werden möchte. Im Gegensatz zu den kollektiv orientierten Frühzeitreligionen sind die Weltreligionen stärker auf das Individuum ausgerichtet. Für Mensching haben fünf Religionen diesen Status erreicht: Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus.

Der Indologe Helmuth von Glasenapp geht 1963 von acht „ethischen Hochreligionen“ (Hinduismus, Jainismus, Buddhismus, chinesischer UniversismusParsismus, Judentum, Christentum und Islam) aus, von denen er fünf als Weltreligion beschreibt (Hinduismus, Buddhismus, den chinesischen Universismus, Christentum und Islam), da sie „zusammen neun Zehntel der religiösen Menschheit ausmachen“. Den Sikhismus betrachtet er als hinduistische Reformsekte. Unter dem Begriff „chinesischer Universismus“ fasst er Konfuzianismus und Daoismus (sowie andere relevante Aspekte der chinesischen Religiosität) zusammen.

Der Theologe Gerhard Wehr geht 2002 von sieben Weltreligionen aus (Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus). Er sieht Weltreligionen als Kontrapunkt zu Natur- und Stammesreligionen, die keine Trennung zwischen Gott und Welt und keine Häresie (Ketzerei) kennen. Eine genaue Begründung zur Auswahl der Religionen bringt Wehr nicht.

Der Religionswissenschaftler Manfred Hutter beschreibt 2005 ebenfalls sieben Weltreligionen (Buddhismus, Judentum, Christentum, Daoismus, Islam, Bahai und Hinduismus). Den Konfuzianismus schließt er aus, da die Anhängerzahl des religiösen Konfuzianismus zu gering sei. Den Sikhismus führt er nicht auf, da er den universellen Geltungsanspruch vermisst. Hutter weist darauf hin, dass der Begriff Weltreligion kein religionswissenschaftlicher, sondern ein (weitgehend verständlicher) Begriff des alltäglichen Sprachgebrauchs ist.

Trias (Religion)

Anna selbdritt, Paris, Louvre

Eine Trias oder Triade (von griech. τριάς, gen. τριάδος = „Dreiheit, Dreizahl“) bezeichnet in der Religion eine Götterdreiheit.

Göttliche Triaden (Dreiheiten, also drei verschiedene, zusammengehörende Gottheiten) sind aus den meisten polytheistischen Mythologien bekannt. In der Römischen Mythologie bildeten beispielsweise JupiterJuno und Minerva eine Trias, im Hinduismus wird die Triade aus den Göttern Brahma (dem Schöpfer), Vishnu (dem Bewahrer) und Shiva (dem Zerstörer) als Trimurti bezeichnet. Shakti-Verehrer, die Anhänger der weiblich dargestellten Form Gottes, kennen auch eine weibliche Trimurti mit Saraswati der Schöpferin, Lakshmi der Erhaltenden und Kali der Zerstörerin.
Götterdreiheiten wurden vor allem in der ägyptisch-chaldäischen Zeit verehrt, während man in der urpersischen Zeit die Dualität und in der urindischen Kultur die Einheit des Göttlichen betonte. Auch die hinduistische Trimurti stammt erst aus der ägyptisch-chaldäischen Zeit.

„Der erste, der urindische Zeitraum, der entwickelte eine Religion, die wie ein inneres Aufleuchten erscheint, wie eine innere Wiederholung in Vorstellungen und Gefühlen des allerersten Zeitraums, wo Sonne und Mond noch mit der Erde verbunden waren, wo jene erhabenen Wesen der Sonne noch auf der Erde wohnten. Wir können uns denken, daß da eine erhabene Vorstellung geweckt werden mußte. Und den Geist, der sich mit allen Engeln und Erzengeln, mit allen Geistern, hohen Göttern und Wesenheiten verband, in dem ersten Zustande der Erde, dem Urnebel, den faßte das indische Bewußtsein zusammen unter einer hohen Individualität, unter dem Namen Brahm, Brahma. Im Geiste wiederholte die erste Kulturepoche der nachatlantischen Zeit das, was geschehen war. Sie ist nichts anderes als eine Wiederholung der ersten Erdepoche im inneren Anschauen.
Nun fassen wir die zweite Kulturperiode ins Auge. In dem Prinzip des Lichtes und der Finsternis, da haben wir das Religionsbewußtsein der urpersischen Kulturperiode. Da stellten die großen Eingeweihten zwei Wesenheiten, von denen sie die eine in der Sonne personifiziert sahen, die andere im Monde, die stellten sie einander gegenüber. Ahura Mazdao, die Lichtaura, Ormuzd, ist das Wesen, das die Perser als den höchsten Gott verehrten; Ahriman ist der böse Geist, der Repräsentant aller der Wesen, die die Erde plus Mond besaß. Eine Erinnerung an die zweite Erdepoche ist die Religion der Perser.

Und in der dritten Kulturperiode war es so, daß der Mensch sich sagen mußte: In mir sind die Kräfte der Sonne und des Mondes, ich bin ein Sohn der Sonne und ein Sohn des Mondes. Alle die Kräfte der Sonne und des Mondes stellen sich wie Vater und Mutter dar. Haben wir Einheit in der Urzeit als die Anschauung der Inder, die Zweiheit nach der Trennung der Sonne sich spiegelnd in der Religion der Perser, so finden wir niedergelegt in der religiösen Anschauung der Ägypter, Chaldäer, Assyrer, Babylonier die Dreiheit, wie sie in der dritten Erdepoche da war, nach der Trennung von Sonne und Mond. Die Dreiheit tritt in allen Religionsanschauungen des dritten Zeitraumes auf, und im Ägyptertum wird sie vertreten durch Osiris, Isis und Horus.“ (Lit.:GA 106, S. 34f)
Ein Teil der Bewegung des New Age bezieht sich auf die ägyptische Göttertriade, bestehend aus Osiris (Gott des Todes), Isis (Göttin der Fruchtbarkeit und Natur) und deren Sohn Horus (Gott des Lichts).
Die christliche Dreifaltigkeit wird oft fälschlicherweise als Trias bezeichnet. Nach dem Verständnis der orthodoxenkatholischen und der evangelischen Kirchen handelt es sich jedoch bei der Trinität um ein anderes Konzept als bei der Triade, bei der nicht die im Bekenntnis von Nicäa 325 festgeschriebene Wesensgleichheit der drei göttlichen Personen betont wird.
Im Christentum gibt es daneben das bekannte Bild der Anna selbdritt, eine Darstellung von Maria, ihrer Mutter Anna und des Jesuskindes. Die berühmteste Darstellung stammt von Leonardo da Vinci.


Religion im YogaWiki

 

Das Wort Religion geht auf das lateinische Verb ‚relegere‘, „bedenken, achtgeben“. Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet Religion im Allgemeinen ein auf einer philosophischen Vorstellung beruhendes Konzept des Weltbildes und des Glaubens, das meist die Existenz einer höheren Macht oder transzendenter Wesen voraussetzt und für das Individuum oft bestimmte Verhaltensregeln und Rituale mit sich bringt.

Religion ist die Manifestation des ewigen Strahlens der Seele des Menschen. Das Hauptziel der Religion ist die Entfaltung der Göttlichkeit im Menschen. Religion drückt sich im Leben aus, nicht im Sprechen oder Zurschaustellen. Wahre Religion ist die Religion des Herzens.

Inhaltsverzeichnis

Swami Sivananda über wahre Religion

Aus seinem Buch „Yoga im täglichen Leben“:

„Wahre Religion ist Atman-Religion (des Selbst). Es gibt nur eine wahre Religion. Sie lehrt uns, in Gott zu leben und Unsterblichkeit zu erlangen. Sie beseitigt den Schleier des Nichtwissens und befähigt uns, die erhabene Schau der Einheit des Selbst zu verwirklichen. Religion ist etwas Praktisches. Sie muss wesentlicher Bestandteil unseres alltäglichen Lebens werden. Vernichtung der Selbstsucht, der Begierden, von Sympathie und Antipathie, Verwirklichung des Selbst, Liebe zu allen lebenden Wesen, selbstloser Dienst am Menschen mit dem Gefühl, dass alles im selbst ist (Atman Bhava) – das ist das Wesen wahrer Religion.“

Copyright Divine Life Society

Religion und Spiritualität

von Sri Swami Krishnananda

Religion und Spiritualität sind zwei entscheidende Faktoren in der Beschreibung der “höheren” Werte des Lebens. Diese beiden Funktionen korrespondieren mit dem Leben in der Welt und dem Leben in/bei Gott. Die Beziehung zwischen der Welt und Gott spiegelt sich auch in dem Verhältnis von Religion und Spiritualität. Es wird gesagt, dass Gott sich selbst als diese Welt manifestiert hat. Deshalb könnten wir damit auch sagen, dass die Spiritualität sich ebenfalls selbst als Religion manifestiert hat.

Und damit kommen wir zu der Notwendigkeit, die Charakteristika von Gott zu beschreiben. Es ist allgemeiner Glaube, dass Gott alldurchdringend, allwissend und allmächtig ist. Diese drei Eigenschaften, mit denen Gott in Verbindung gebracht wird, sind jedoch an Objekte in Raum und Zeit gebunden. Da diese Objekte in Raum und Zeit jedoch erst nach der Manifestation Gottes als Welt entstanden sind, können diese somit also nicht die wahre und ursprüngliche Natur Gottes beschreiben. Und dies bedeutet damit, dass keinerlei Eigenschaft oder Attribut Gott beschreiben kann, egal, wie groß unsere Vorstellungskraft auch immer sein mag. Nichtsdestotrotz sollte auch akzeptiert werden, dass jede vorstellbare Qualität oder Eigenschaft ihren wahren Ursprung in Gott selbst haben muss. Oder woher kämen diese Eigenschaften sonst? Und damit haben wir einen Hinweis auf die Natur der Religion und der Spiritualität.

In Indien wird die schrittweise Entwicklung des Menschen in vier Stufen beschrieben:1. Erziehung2. Einbindung in die natürlichen Anforderungen des menschlichen und sozialen Lebens3. Ablösung von diesen Aufgaben und Anhaftungen4. Verbindung mit dem Göttlichen

Diese vierte und letzte Stufe wird auch als Sannyasa bezeichnet. In den ersten beiden Stufen sind die religiösen Disziplinen enthalten, die dann eine Person auf die dritte und vierte Entwicklungsstufe vorbereiten.

Die Religion hat verschiedene Einschränkungen, die sie einer Person auferlegt. Sie tut dies in vielen Lebensbereichen mittels klarer Regeln, die definieren, was zu tun und was zu lassen ist im Sinne von “tu dies” und “lasse das”. Es gibt keine einzige Religion ohne diese klaren Regeln für den einzelnen Menschen. Die Menschen werden dabei besonders in den beiden ersten Entwicklungsstufen aufgefordert, diese Regeln zu beachten, denn sie regeln das soziale Zusammenleben, die persönliche Ethik und jeglichen Umgang von Personen untereinander.

Jede Religion hat ihre eigenen Bestimmungen, die die religiösen Pflichten des einzelnen regeln, z.B. wie Rituale auszuführen sind, wie Gottesverehrung stattfinden sollte, wie Pilgerreisen durchgeführt werden sollen oder auch bestimmte Ernährungsregeln. Ebenso sind oft auch rituelle Waschungen und das tägliche Lesen bzw. Rezitieren der jeweiligen heiligen Schriften geregelt.

Diese Regeln werden nun im dritten Lebensabschnitt oder der dritten Entwicklungsstufe aufgeweicht, denn in dieser Stufe geht es um inneres Wachstum im Denken, im Fühlen und im Verständnis. Diese sind nicht oder nur kaum mit der menschlichen Gesellschaft an sich verbunden oder davon abhängig.

Die hinduistischen Verhaltensregeln werden “Smritis” genannt und sie betonen insbesondere die Überlegenheit der Brahmanen-Kaste und räumen den drei anderen Kasten, nämlich den Kshatriyas, den Vaishyas und den Shudras weniger Bedeutung ein. Diese spezielle Klassifizierung ist charakteristisch für die Hindu-Religion. Damit betrachten diese „Smritis” und andere derartige Schriften alle Menschen, die keine Brahmanen sind, als nicht rein oder heilig.

Fremde werden als “Yavanas” bezeichnet und dieses Worte bedeutet „Ungläubige“. Deshalb wurden auch Reisen in Länder, in denen diese Ungläubigen leben, als beschmutzend für die Reinheit der Brahmanen angesehen. Und der Brahmane, der eine solche Reise antrat, schloss sich damit aus der Gemeinschaft der Brahmanen aus.

Der Sannyasin ist hingegen ein sog. “Atyashramin”; dies bedeutet, dass er das etablierte Kastensystem verlassen hat, denn der Sannyasin hat die sozialen Gesetze bereits transzendiert und man könnte auch sagen, dass er ja bereits seinen „bürgerlichen Tod“ gestorben ist. Er gehört damit keiner der vier o.g. Kasten mehr an, sondern ist allein in Gott verwurzelt. Und er ist ein Mann Gottes, der keinen Einschränkungen mehr unterliegt, so wie auch Gott selbst keine Einschränkungen mehr hat.

Der Punkt dabei ist, dass für denjenigen, der noch Zweifel oder Hemmungen hat, sich in Gott verwurzelt zu fühlen, die Regeln noch gelten. Wenn der Sannyasin jedoch ganz sicher und fest im Gottesbewusstsein verwurzelt ist, dann gelten für ihn keine dieser Regeln mehr. Er ist wirklich in jeder Hinsicht frei.

Während dieses Kastensystem ursprünglich geschaffen wurde, um mit Hilfe einer klaren Klassifizierung der unterschiedlichen Aufgaben die Stabilität einer Gesellschaft sicherzustellen, gingen im Laufe der Zeit diese ursprüngliche Bedeutung und deren philosophische Begründung verloren. Statt dessen übernahmen blinder Eifer und Fanatismus das Ruder, oft angetrieben durch EgoismusGier und Hass. Dies geschah in klarem Gegensatz zu der eigentlichen Idee, dass die Ausübung einer wahren Religion ein sozialer Ausdruck der inneren, stufenweisen Hinwendung des Einzelnen zu Gott, dem Allmächtigen, sein sollte.

Vidura, der aus dem Epos Mahabharata bekannt ist, wurde von einer Shudra-Frau geboren. Aber er hat die Fähigkeit, den Sohn Brahmas aus der Brahmaloka herauf zu beschwören, allein mittels der Kraft seiner Gedanken. Und welcher orthodoxe Brahmane kann dieses bemerkenswerte Kunststück schon vollführen?

Es ist deshalb für jeden unerlässlich, sich der Einheit und Verbundenheit der Welt und des Wohlwollens bewusst zu sein. Dieses allgemeine Wohlwollen nennt Krishna in der Bhagavad Gita auch „Sarvabhuta Hita“. Gerechtigkeit ist mehr als nur Gesetze. Und auch der Körper eines einzelnen Menschen ist kein Brahmane an sich, denn er besteht aus den fünf Elementen – ErdeWasserFeuerLuft und Äther. Und somit wäre es für den Sohn eine Sünde, den leblosen Körper seines Brahmanenvaters nach dessen Tod den Flammen zu übergeben.

Es ist daher nicht rechtens, einen Mitmenschen zu schikanieren oder zu bestrafen aufgrund einer Handlungsanweisung irgendeiner religiösen Gemeinschaft, die fundamentalistischen Lehren folgt.

Durch den Prozess der Evolution ist die Welt ein globales Dorf geworden. Die Sonne, der Mond und die Galaxien arbeiten als kosmisches Ganzes zusammen. Auch die Luft, die wir einatmen, bewegt sich frei und hat keine Nationalität oder ethnische Unterscheidung. Wir alle leben als freie Gabe der Natur. Jede Art einer isolierten Individualität ist nicht im Einklang mit der Art und Weise, wie unser gesamtes Universum zusammenspielt. Ereignisse haben kosmische Zusammenhänge und die gesamte Schöpfung ist Einheit ebenso wie Gott Einheit ist.

Swami Sivananda über „Religion“

Auszug aus „Die Botschaft“:

„Religion besteht darin, anderen Gutes zu tun und LiebeDankbarkeitWahrhaftigkeitGewaltlosigkeit und Reinheit auf allen Lebenswegen auszuüben.

Die Grundlagen aller großen Religionen sind unveränderlich. Sie sind leicht zu begreifen. Es gibt nur eine wirkliche Religion. Wirkliche Religion ist Selbstverwirklichung. Wirkliche Religion heißt Brahman werden. Das Wesen des Dharma besteht darin, dass man anderen nicht zufügt, was man selbst nicht zugefügt haben möchte.

Die Weltbruderschaft hat ihre Grundlage in der Religion der Liebe. Religion baut auf Wahrhaftigkeit und GewaltlosigkeitWahrheit ist Gott. Wahrhaftigkeit und Gewaltlosigkeit sind nicht zweierlei, sondern ein- und dasselbe.

Gewaltlosigkeit ist das Mittel, Gottverwirklichung zu erlangen. Das Wesen der Religion liegt in der unmittelbaren Erfahrung des Göttlichen. Diese glückselige Erfahrung kann nur durch verschiedene Arten von Übungen oder Sadhanas erlangt werden. Wahre Religion bringt dich – von Angesicht zu Angesicht – zu Gott. Wahre Religion vereint dich mit dem inneren Meister oder Beobachter und segnet dich mit ewiger Seligkeit und Unsterblichkeit.

Für den Hindu ist Religion die Vergeistigung des menschlichen Lebens. Religiöse Kultur ist für ihn wirklich die Kultur der Freiheit. Religion beherrscht alle Teile seines Lebens. Er muss die Freiheit der Seele auf allen Lebensgebieten verwirklichen. Die Religion gewährt ihm die größten Ausblicke auf die Kultur wahrer Freiheit. Religion ist für ihn der einzige Weg zur Verwirklichung vollkommener Freiheit im Leben.

An der Oberfläche einer Orange gibt es keine Markierungen oder Einteilungen, aber wenn du sie aufbrichst, findest du innen mehrere Stücke. An der Oberfläche einer Zitrone findest du mehrere Einteilungen, aber wenn du sie aufbrichst, ist alles eine einzige homogene Masse. Ebenso sind im Hinduismus an der Oberfläche verschiedene Kulte zu beobachten, aber der Hinduismus selbst spricht von Einheit, Einheitlichkeit, Einheit in der Vielfalt. Der Hinduismus ist mit einer Zitrone zu vergleichen. Die Unterschiede müssen da sein, um der verschiedenen Temperamente willen. Sie sind das schmückende Beiwerk des Hinduismus.“

Einführung in die ewige Religion

Artikel von Sri Swami Venkatesananda

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Die Geschichte, und zu einem gewissen Grad auch die Wissenschaft, leiden an Paranoia. Sie setzen alles herab, was ihnen in Reichweite kommt und leugnen das, was außerhalb dessen liegt. Die Gedanken und Ideale des Ostens wurden bis vor ein paar Jahren verächtlich als primitiv, heidnisch, töricht, schlecht und abergläubisch abgestempelt. Viele ernannten sich selbst zu den Erlösern der verlorenen Seele des Ostens. Bis ein paar große Männer, deren Seelen erwacht waren, eine fantastische Wahrheit erkannten.

Die Sonne geht im Osten auf. Um sich dem Licht zuzuwenden, drehen sich die Menschen gen Osten. Und „die drei weisen Männer“ kamen ebenfalls aus dem Osten. Die Weltreligionen haben im Osten ihren Ursprung. Während die irdische Macht des Westens für eine Weile die überwältigende spirituelle Weisheit des Ostens herausfordern, verspotten und unterdrücken mag, wird der Osten jedoch nicht nur überleben, sondern seinen Unterdrücker bezwingen, denn seine Weisheit benutzt keine Waffen, sondern Liebe, um den Gegner zu überwältigen.

Das Fleisch verwest. Waffen rosten. Besitz zerfällt zu Staub. Imperien werden zerschlagen. Die Heldenkämpfe auf Leben und Tod werden mit ein paar kurzen Sätzen im Geschichtsbuch abgetan. Die Erdkruste hat mit ebenbürtigem Gleichmut den stampfenden Fuß des Tyrannen und die tanzenden Füße des Jubilierenden ertragen, und eine schmale Ritze geöffnet, um beide zu empfangen. Dieses Drama ist absolut notwendig. Ohne es würde der Geist, der in der menschlichen Brust schläft, niemals erwachen. Aber es ist dieser Geist, der letztendlich Bestand hat. Der Osten beweist das wieder und wieder.

Als im Staube Europas die Kronen rollten, und als westliche vorchristliche Zivilisationen und religiöser Glaube in Vergessenheit gerieten, war der Osten wach und ist es immer noch. Heute erkennen weise Menschen des Westens, dass Materie vergeht und Geist bestehen bleibt. Sie sehen im Geist den Zweck und den Sinn des Lebens. Immer mehr Wissenschaftler und Philosophen dieser Welt geben offen zu, dass der aktuelle Brauch, materielle Werte über spirituelle zu stellen, verheerend ist.

Wenn sie sehen, dass trotz all der Wechselfälle politischer Umstürze, natürlicher und nationaler Katastrophen, wechselnden physischen und mentalen Klimas der indische Geist überleben konnte, stellen sie die legitime Frage: „Was ist das Geheimnis?“ Die Antwort ist einfach „Religion“. Die Religion ‘gehört’ Indien nicht. Die wesentlichen Schriften Indiens predigen das Wohlergehen aller Wesen und beteuern wiederholt ihr Dasein für den Menschen. „Hindu“ ist ein vom Ausland verliehener Titel; und wenn Inder diesen noch benutzen, ist es nur, weil — „Was bedeutet schon ein Name?!“ Tatsache ist, dass ein Hindu die Vielfalt von Religion nicht erkennt.

Der Geist der Religion ist die Basis der Seele des Menschen. Du kannst sie nennen, wie du willst, oder dich selbst als „freien Denker“ bezeichnen — es ist dieser Geist, der wichtig ist. Der wahre religiöse Inder hält sich an diesen Geist. Wenn andere ihn dazu befragen, gesteht er, dass es sich um eine „uralte oder ewige Religion“ (Sanatana Dharma) handelt. Sanatana Dharma bedeutet für ihn auch den Pfad, der ihn zum Ewigen führt, ihn unsterblich macht oder ihm seine eigene wesentliche unsterbliche Natur offenbart (dies alles impliziert das Wort Sanatana).

Ohne seinen Geist zu opfern war der Inder immer bereit, seine Formulierungen abzuwandeln, um sich geänderten Umständen anzupassen. Er hat sich nie ohne Widerstand ergeben! Der Widerstand, den er bietet, ist wie ein Filter, der es nur der Wahrheit erlaubt, hindurch zu dringen. Für die Bewahrung des religiösen Geistes bedient sich der Inder oft interner Frühjahrsputz-Taktiken und löst in seinem Körper ein heilendes Fieber aus.

Als Buddha den Glauben der Menschen seiner Zeit herausforderte, war die erste Reaktion der Orthodoxen, ihn und seine Anhänger als Ketzer zu verstoßen. Bei genauerer Betrachtung, als sie entdeckten, dass seine Philosophie diese ewige Wahrheit repräsentierte, akzeptierten sie diese eifrig, passten ihre Denkweise an und riefen Buddha als eine Manifestation oder Inkarnation ihres Gottes aus! Zweifellos erkannten sie, dass seine Lehren die selben waren wie ihr eigener, grundlegender Glauben, der nur mit der Zeit von einer Menge Perversion und Aberglauben überwuchert war, die sie froh waren, loszuwerden.

So blieb der Geist der Religion in Indien erhalten. Über die Jahrhunderte hat sich ein ungeschriebener Verhaltenskodex und ein bestimmter Idealismus entwickelt, was „Hindu“ bedeutet. Die Religion wird nicht von einem strikten Regelwerk von Dogmen und Lehrsätzen geleitet; und wenn hier und da ein pseudoreligiöser Führer welche festlegt, beweist er lediglich, dass Hinduismus nicht einmal an die ‚Dogmen der Dogmen‘ gebunden ist. Er gibt den Menschen, jedem Menschen, die Freiheit, die Wirklichkeit zu suchen und diese mit allen zu teilen. Er erkennt, dass nur Gott existiert; Er ist Eins, aber nicht einmal auf Einheit beschränkt, und kann deswegen ganz unterschiedlich benannt werden! Er ist das Zentrum aller Wesen, dem frommsten heiligen Hindu ebenso nah, wie dem ergebenen Christen oder Moslem, dem Atheisten und dem Sünder! Seine Legenden dramatisieren seine rätselhafte Wahrheit durch Sagen vonDämonen, die Gott hassten, ihn aber dennoch erreicht haben, weil dieser Hass aufrichtig war und sie daher an Gott gebunden hat (was das Wort ‚Religion‘ bedeutet).

Dies ist vielleicht das Geheimnis ihrer Lebendigkeit und die Quelle ihrer ewigen Jugend. Diese uralte Religion ist stets neu, entdeckt sich wieder in jeder neuen Offenbarung der Wahrheit, sei sie philosophisch oder wissenschaftlich. Daher ist sie ewig. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit Wahrheit, ignoriert jedoch andere Aspekte des Lebens nicht, die Halbwahrheiten und Falschheiten beinhalten können. An der Wahrheit hält sie fest, ist aber immer bereit, sich an veränderte Umstände anzupassen.

Ich war stets bestrebt, mir den Hauptgedankenstrom, der ständig diesem ewigen Springbrunnen der Religion entspringt, anzueignen. Die Theorie, dass die Grundsätze dieser uralten Religion der gemeinsame Nenner aller „Religionen“ der Welt sind, gewinnt immer mehr an Boden, und immer mehr Menschen sind überzeugt, dass die ursprünglichen Verbreiter dieser Religion im Umkreis der Arktis lebten und gen Süden migrierten, und die Samen der Wahrheit unterwegs verstreuten. Es gibt eine Menge wissenschaftlicher Literatur, die dies bestätigt. Aber ich meine, ob diese Daten nun stichhaltig sind oder nicht, der ihnen zugrunde liegende Geist ist von unschätzbarem Wert. Religion (Ligatur) muss verbinden; das bedeutet auch das Wort. Was trennt, ist keine Ligatur, sondern Fraktur!

Gedanken Anderer zum Thema

Manchmal wird heute einfach nur die eigene Mitte mit Religion gleich gesetzt; ohne Kirche usw.

„Wenn es zutrifft, dass wir uns in einer missionarischen Situation des Verlustes der Tiefe befinden, dann bedarf es dringend auch in unserer Zeit einer Grundschule des spirituellen Sinns (..) niemand kann sich darüber hinweg täuschen, dass der Sinn nur noch in wenigen Fällen über die elterliche Tradition oder schulische Erziehung geweckt wird. (..geht nicht allein mit Worten, sondern über Erfahrung, statt „religiös unmusikalisch“ zu sein… )“ Willigis Jäger, a.a. O., S. 20f.

„Die Religionen müssen sterben, damit eine Spiritualität entstehen kann, die die Grenzen aller Religionen überschreitet“, meint Raimon Panikkar. Er will damit sagen, dass wir aus Religion kein leeres Ritual machen sollen.“ … Clemens Mendonca, Christliche Spiritualität im indischen Kontext. Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag, 2009, S. 140

„….Der Westen wird im Lauf der Jahrhunderte seinen eigenen Yoga hervorbringen, und zwar auf der durch das Christentum geschaffenen Basis.“ C.G. Jung

„Das fernöstliche und das westliche Religionsverständnis sind so wenig deckungsgleich wie etwa ein Physik- und ein Kochbuch. (..) Sie decken sich bei gewissen Themen (…).“ Verena Reichle, Grundgedanken des Buddhismus, Frankfurt, Fischer TB, 1994 ff… (Buch insgesamt lesenswert), S. 9

Indische Religionen

Indien ist das Geburtsland von vier Religionen, dem JainismusSikhismusBuddhismus und Hinduismus, wovon die beiden letztgenannten zu den großen Weltreligionen zählen. Außer diesen, aufgrund ihres historischen Entstehungsgebietes auch als indische Religionen bezeichneten Religionen, sind der Islam und das Christentum zwei weitere bedeutende in Indien verbreitete Religionen. Zu den kleinsten Religionsgemeinschaften zählen der Zoroastrismus und das Judentum. Hinzu kommen noch die sogenannten Volksreligionen, die von den Adivasis, den indigenen Stämmen Indiens, immer noch in gewisser Abgrenzung zum Hinduismus praktiziert werden.

Statistische Verteilung der Religionszugehörigkeit

Gemäß der letzten, im Jahre 2011 erfolgten indischen Volkszählung (census) ergab sich die folgende prozentuale Verteilung der Religionszugehörigkeit:

Hinduismus

Sadhu in Pashupatinath nach der Nacht von Shivaratri, Foto: Hans Stieglitz, Copyright

Buddhastatue in Bodhgaya, dem Ort, wo Siddhartha Gautama die Erleuchtung erlangte

Unter dem Oberbegriff Hinduismus fasst man die sich aus dem orthodoxen Brahmanismus entwickelt habenden Religionen ShivaismusVaishnavismus und Shaktismus zusammen, die wiederum eine Vielzahl regionaler Ausprägungen in sich begreifen. Diese drei Religionsbezeichnungen leiten sich von der jeweils am meisten verehrten Form Gottes her, also von ShivaVishnu und Shakti, dem weiblichen Aspekt des Göttlichen. Kennzeichnend für diese drei Religionen ist die Anerkennung der Autorität des Veda, die Integration vieler regionaler und lokaler Gottheiten als eine Erscheinungsform des jeweiligen Hochgottes bzw. der Göttin, sowie die Verrichtung des Gottesdienstes in den der entsprechenden Gottheit geweihten Tempeln. Eine detaillierte Darstellung des Hinduismus findest Du hier.

Buddhismus

Die Religion des Buddhismus geht auf den sogenannten „historischen Buddha“ zurück, der etwa in der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. als Siddhartha Gautama im heutigen Nepal geboren wurde und nach einem entbehrungsreichen Weg der Askese und Selbsterkenntnis unter einem Bodhibaum die Erleuchtung fand. Nach einer anfänglichen Phase des Schweigens begann er schließlich, den von ihm gefundenen Weg zur endgültigen Befreiung (Nirvana) zu lehren. Aus seinen Schülern und deren Nachfolgern gingen die verschiedenen Schulen und Strömungen des Buddhismus hervor. Eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Schulen des Buddhismus findest Du hier.

Zur Zeit der Mogulherrschaft ab dem beginnenden 16. Jahrhundert wurde der Buddhismus aus seinem Ursprungsland Indien weitestgehend verdrängt. Er hatte jedoch bereits in weiten Teilen Asiens Fuß gefasst und gehört heute neben dem Hinduismus und dem Islam zu bedeutendsten Religion Ostasiens. Aufgrund der aus Tibet geflohenen Buddhisten gibt es mittlerweile auch in Nordindien wieder eine wachsende buddhistische Gemeinschaft mit dem Zentrum Dharamsala, dem Sitz des amtierenden Dalai Lama und der tibetischen Exilregierung.

Als sogenannter „Neobuddhismus“ ist der Buddhismus insbesondere bei den (ehemals) unberührbaren Kasten in Maharashtra verbreitet. Diese Bewegung, die aus dem Kampf gegen die aus den Diskriminierungen des Kastensystems herrührenden sozialen Ungerechtigkeiten hervorgegangen ist, geht auf den Rechtsanwalt Bhimrao Ramji Ambedkar (1891–1956) zurück.

Jainismus

Berühmter Jain-Tempel

Der Jainismus geht auf einen Zeitgenossen Buddhas zurück, genannt Mahavira, „der große Held“. Der Überlieferung nach war dieser der letzte von insgesamt 24 sogenannten Tirthankaras bzw. „Furtbereitern“, die die Lehre des Jainismus in die Welt brachten. Die Anhänger des Jainismus sind für ihre besonders strenge Beobachtung des Prinzips der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) bekannt, das ihnen gebietet, auch die kleinsten Lebewesen zu verschonen und sprichwörtlich „keiner Fliege“ etwas zu Leide zu tun.

Fast ein Drittel aller indischen Jainas (ca. 31 %) lebt in Maharashtra, weitere größere Gemeinschaften gibt es in Rajasthan (ca. 14 %), Gujarat (ca. 13 %) und Madhya Pradesh (ca. 13 %). Eine detaillierte Darstellung des Jainismus findest Du hier.

Sikhismus

Guru Nanak mit Hindu-Heiligen, 1828-1830

Der Sikhismus ist die Religion der Sikhs, was wörtlich „Schüler“ (von Skr. śiṣya) bedeutet. Historisch ist er zeitgleich mit dem Widerstandskampf verschiedener Stammesverbände gegen die Mogulherrschaft entstanden, was das kriegerische Selbstverständnis der Sikhs erklärt. Der historische Begründer des Sikhismus war Guru Nanak (1469-1539), auf den weitere neun Gurus folgten, deren letzter, Guru Gobind Singh, von 1666 bis 1708 lebte.

Die Mehrheit der indischen Sikhs lebt im Bundesstaat Punjab. Aus der Tradition der Sikhs ist auch die Schule des Kundalini Yoga hervorgegangen, der auf Yogi Bhajan (1929-2004) zurückgeht. Eine detaillierte Darstellung des Sikhismus findest Du hier.

Islam

Tanzende Derwische.

Der Islam stellt heute die zweitstärkste Religionsgemeinschaft Indiens dar. Er kam im 8. Jahrhundert im Zuge arabischer Eroberungszüge in den Nordwesten Indiens, von wo aus er sich in den folgenden Jahrhunderten über nahezu den gesamten Subkontinent ausbreitete. Seine größte Verbreitung erreichte er im Mogulreich, das vom beginnenden 16. bis ins 18. Jahrhundert hinein nach und nach fast ganz Indien einschließlich von Teilen des heutigen Afghanistans, Pakistan und Bangladesch umfasste. Nur der äußerste Süden Indiens, ein Teil der heutigen indischen Bundesstaaten Tamil Nadu und Kerala sowie der Inselstaat Sri Lanka, konnten ihre Unabhängigkeit vom Mogulreich behaupten.

Eine besondere Bedeutung kommt in Indien dem Sufismus zu, der eine an Mystik orientierte, unorthodoxe Strömung des Islam darstellt. Die ersten Sufis kamen im 11. Jahrhundert nach Indien. Sie organisierten sich im Laufe der Zeit in verschiedenen Orden, von denen es zur Regierungszeit des Großmoguls Akbar (1556-1605) bereits über ein Duzend gab. Sie konnten in Indien ihren Glauben frei ausüben und waren bei vielen muslimischen Herrschern hochgeschätzt, während sie in den arabischen Ursprungsländern des Sufismus mehr und mehr verfolgt wurden. Viele Sufis bemühten sich um eine versöhnliche Annäherung von Islam und Christentum. Einer der bedeutendsten in Indien wirkenden Sufis war Moinuddin Chishti (1141-1236), der den nach ihm benannten Chishti Orden begründete.

1947, das Jahr der indischen Unabhängikeit, brachte mit der Gründung des Staates Pakistan, das bis zur 1971 erfolgten Abspaltung Bangladeschs aus Ost- und Westpakistan bestand, eine Umsiedlungswelle riesigen Ausmaßes mit sich. Über vier Millionen Muslime verließen während der Teilungsphase das heutige Indien, um im neu gegründeten Pakistan eine neue Heimat zu finden.

Christentum

Das Christentum ist in Indien bereits seit dem 1. Jahrhundert vertreten, also lange vor der Kolonialisierung durch die europäischen Seemächte Portugal, Niederlande und England. Im Jahre 52/53 soll der Apostel Thomas, einer der 12 Jünger Jesu, an der westindischen Malabarküste in Kollam gelandet sein und seine Missionstätigkeit in Indien begonnen haben. Nach anderen Quellen war er zunächst in Nordindien und reiste dann weiter südlich. Er gründete entlang der Malabarküste sieben christliche Gemeinden, darunter eine in Kollam. Nach der Überlieferung fand er im Jahre 72 in Mylapore, in der Nähe des heutigen Chennai, einen gewaltsamen Tod und wird daher als Märtyrer verehrt. Die auf den Apostel Thomas zurückgehenden christlichen Gemeinden Indiens, die mittlerweile in verschiedene Kirchen aufgespalten sind, werden allgemein als Thomaschristen bezeichnet.

Das im heutigen Bundesstaat Kerala befindliche Kollam entwickelte sich über die Jahrhunderte zu einem Zentrum des Christentums in Südindien. Im Jahre 1329 rief Papst Johannes XXII. die Diözese Quilon als erstes katholisches Bistum auf indischem Boden ins Leben. Mit der Ankunft Portugiesen an der südindischen Malabarküste im Jahre 1498 kam der europäische Katholizismus nach Indien. Es begann eine zunehmende Fremdbestimmung der indischen Thomaschristen durch die portugiesische Kirche, die mit einer Latinisierung des Gottesdienstes und einer Eingliederung in die katholische Kirchenhierarchie einherging. 1653 kam es zum formalen Bruch der Thomaschristen mit der römisch-katholischen Kirche und zur Herausbildung mehrerer unabhängiger Glaubensgemeinschaften, die sich jedoch zum Teil wieder mit Rom vereinigten.

Der Protestantismus kam im 18. Jahrhundert mit Bartholomäus Ziegenbalg nach Indien, der 1706 im Auftrag der Dänisch-Halleschen Mission das im heutigen Bundesstaat Tamil Nadu befindliche Tranquebar (Tharangambadi) erreichte. Ziegenbalg interessierte sich sehr für die indische Kultur und Sprache. Er lernte mit Hilfe eines einheimischen Gelehrten Tamil und übersetzte als erster die Bibel ins Tamil. Aus Ziegenbalgs Missionstätigkeit ging die Evangelisch-Lutherische Tamilkirche (TELC) hervor.

Heute leben die zahlenmäßig meisten Christen in den südindischen Bundesstaaten Kerala und Tamil Nadu. In Goa bekennen sich heute noch 25 Prozent der Bevölkerung zum Christentum. In einigen nordost-indischen Bundesstaaten liegt aufgrund einer regen Missionierung der Stammesbevölkerung durch amerikanische Baptisten im 19. Jahrhundert der Anteil der christlichen Bevölkerung weit über dem indischen Durchschnitt, in Nagaland mit ca. 88 Prozent, in Mizoram mit ca. 87 Prozent und in Meghalaya mit ca. 75 Prozent.

Zoroastrismus

Der Zoroastrismus bzw. Zarathustrismus geht auf den Religionsstifter Zarathustra zurück, der vermutlich in der ersten Hälfte des 1. vorchristlichen Jahrtausend in der Region Baktrien im heutigen Afghanistan lebte. Mit der Verbreitung des Islams verlor der Zoroastrismus im 9. Jahrhundert seine Vormachtstellung im persischen Raum, und eine zunehmende Verfolgung der Zoroastrier führte zu deren Auswanderung, insbesondere nach Indien, wo sie als Parsen („Perser“) bezeichnet werden. Heute leben ca. 65 000 Parsen in Indien, vor allem im Raum Mumbai. Die heilige Schrift der Parsen ist der in einer altiranischen Sprache, dem Avestischen, verfasste Avesta bzw. Zendavesta.

Judentum

Die Ankunft der ersten Juden auf dem indischen Subkontinent wird im 8. vorchristlichen Jahrhundert vermutet. Die älteste historisch bezeugte jüdische Gemeinschaft in Indien ist die der Cochin-Juden, die der Legende zufolge ursprünglich Händler aus Judäa waren. Neben dem heutigen Kerala ist auch der Raum Mumbai ein altes Zentrum des Judentums. Seit der indischen Unabhängigkeit im Jahre 1947, als noch rund 25 000 Juden in Indien lebten, sind die meisten von ihnen in den neu gegründeten Staat Israel ausgewandert. Heute schätzt man die Zahl der in Indien lebenden Juden auf 5000 bis 6000, wovon der Großteil in Mumbai und Kolkata, sowie den nordöstlichen Bundesstaten Manipur und Mizoram lebt.

Volksreligion

Als Volksreligion bezeichnet man im Allgemeinen lokale Traditionen im ländlichen Indien, die noch weitestgehend ihre Unabhängikeit von der „Hochreligion“ des Hinduismus bewahrt haben und in der Regel polytheistische und animistische Züge aufweisen. Verehrt werden lokale, Gramadevatas („Dorf-Gottheit“) genannte Gottheiten zumeist weiblichen Geschlechts, die in engstem Zusammenhang mit dem Wohl und Wehe des jeweiligen Dorfes stehen. Sie sollen die Dorfgemeinschaft vor Übeln wie Krankheit, Missernten, Dämonen, Katastrophen und Unglück jeglicher Art bewahren, und ihr Fruchtbarkeit, rechtzeitigen Regen, Heilung und Wohlstand verleihen.

Die Wohnstätte der Gramadevatas befindet sich häufig an natürlichen Plätzen, etwa in besonderen Steinen, Bäumen, Quellen und Felsen. In engem Zusammenhang mit dem Kult der Dorfgottheiten stehen Besessenheitsphänomene, die Deutung von Träumen, Visionen und Ekstasepraktiken. Auch die Verehrung der Ahnengeister sowie schamanische Heil- und Austreibungsrituale sind ein wesentlicher Zug der indischen Volksreligion. Viele der mittlerweile in die verschiedenen Unterströmungen des Hinduismus integrierten Gottheiten gehen ursprünglich auf lokale Volksreligionen zurück, die auf diese Weise innerhalb der ritualisierten, an der Sanskritliteratur orientierten brahmanistischen Hochreligion eine neue Heimat fanden.

Zu den Volksreligionen zählen insbesondere die religiösen Praktiken der indigenen Stämme Indiens, der Adivasis. Viele von ihnen sind allerdings inzwischen aufgrund einer immer stärkeren kulturellen Anpassung zu den in ihren Regionen vorherrschenden Religionsformen übergegangen. Teilweise wurden auch ganze Volksstämme durch eine vor allem im 19. Jahrhundert betriebene rege Missionierungstätigkeit zum Christentum bekehrt, wie etwa der Stamm der Nagas im heutigen Bundesstaat Nagaland.

Siehe auch